Das jüngst bekannt gewordene Techtelmechtel zwischen der Fiat Chrysler Automobiles N.V. (FCA) und der Tesla Inc. hat das, was im schwäbischen Sprachraum gerne als „Gschmäckle" bezeichnet wird. Darunter verstehen die Menschen von Stuttgart bis zur schwäbischen Alb, die bekanntlich alles können außer Hochdeutsch, einen Vorgang, den sie für moralisch bedenklich oder zumindest fragwürdig halten.
Ein „Gschmäckle" dürfte auch der Vertrag haben, den der italo-amerikanische Autokonzern (Umsatz 2018: 110,4 Milliarden Euro) und die kalifornische Elektroautomanufaktur (Umsatz 2018: 19 Milliarden Euro) jetzt unterzeichneten. Zweck der Vereinbarung ist einzig und allein die neuen, von der EU festgesetzten strengen Abgas-Grenzwerte zu unterlaufen. Danach dürfen nämlich alle ab den Jahren 2020/21 neu zugelassenen Personenwagen eines Herstellers durchschnittlich nur noch 95 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer ausstoßen. Zurzeit liegt dieser Grenzwert bei 130 Gramm CO2 pro 100 km.
Autohersteller, die das Ziel in zweieinhalb Jahren verfehlen, müssen mit empfindlichen Strafzahlungen an die EU rechnen: Pro Gramm Mehremission pro verkauftem Fahrzeug sind 95 Euro fällig. Für FCA mit den rund 40 verschiedenen Modellreihen bei seinen Marken von Alfa Romeo über Chrysler und Fiat bis Jeep und Maserati dürfte das besonders teuer werden, da der Konzern laut einer Analyse der britischen Unternehmensberatung PA Consulting Group von 13 untersuchten Unternehmen die geringsten Chancen hat, das ehrgeizige Ziel zu erreichen. Und von E-Autos ist bei FCA bisher kaum die Rede. PA mutmaßt, dass FCA daher mit jährlich mindestens 700 Millionen Euro Bußgeld zu rechnen habe, möglicherweise sogar weit mehr, würde sich der Konzern nicht etwas einfallen lassen.
Da kam Tesla als Retter in der Not wie gerufen. Dessen Autos – sämtlich ohne CO2-Ausstoß – segeln jetzt gemeinsam mit der gesamten FCA-Flotte und drücken deren CO2-Schnitt nach unten, zu einem geheim gehaltenen Preis, der laut Schätzungen des Fachblatts "Financial Times" weit in die Hunderte von Millionen Euro geht. Möglich macht das eine Regel der EU, die es erlaubt, dass sich unterschiedliche Marken zu einem Pool vereinen dürfen. Bei VW gilt das zum Beispiel für sparsame Skodas oder Seats, die besonders positiv in der Konzern-CO2-Bilanz zu Buche schlagen, bei Mercedes sind es die kleinen Smarts, die es demnächst ohnehin nur noch elektrisch angetrieben gibt. In diesen Fällen jedoch handelt es sich um Marken unter einem gemeinsamen Konzerndach. Nicht so bei FCA und Tesla.
Der Deal ist zwar legal, er verbreitet aber einen bitteren Nachgeschmack, auch wenn ihn der inflationär zitierte „Autoexperte" Ferdinand Dudenhöffer im Wochenblatt „Die Zeit" als „betriebswirtschaftlich logisch und moralisch nicht verwerflich" bezeichnete. Für Tesla spült er dringend benötigtes Geld in die Kasse. Und FCA erwirbt mit ihm einen Persilschein, der seine Autos vor dem Gesetz sauber wäscht. Das „Gschmäckle" gilt also gleichermaßen für Dealer und Abnehmer. (ampnet/hrr)
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