Es gibt sie noch, die klassische Großraumlimousine, die übrigens nie eine echte Limousine war, sondern vielmehr ein Familientransporter, der allerdings durchaus mit limousinenartigen Fahreigenschaften nicht nur die Väter von Großfamilien überzeugte. Neben Volkswagen mit dem Bulli, hält auch Mercedes-Benz an dieser automobilen Gattung fest und rollt jetzt die Neuauflage der V-Klasse an den Start.
Wobei sich die Neuheit vor allem unter der Haube abspielt, denn beim Design hielten sich die Kreativen des Hauses mit deutlichen Neuerungen zurück. Die Frontpartie wurde dezent überarbeitet und soll nun, so die Aussage im Presstext, „eine stärkere optische Präsenz“ bringen, und im Innenraum spendierten die Designer der V-Klasse neue Zierelemente und Lüftungsdüsen in „sportlicher Turbinenoptik“.
Großraumlimousinen waren einmal – die Älteren werden sich noch gut erinnern – trotz ihres eher sperrigen Namens Bestseller auf dem Markt. Als Voyager vom legendären Chrysler-Chef Lee Lacocca erdacht, beherrschten sie über Jahre die Zulassungsstatistiken, und kein Hersteller konnte auf diese Fahrzeuge verzichten. Doch dann kamen die vermeintlich sportlichen Nutzfahrzeuge, auch SUV (Sport Utility Vehicles) genannt auf den Markt und verdrängten die praktischen Familien- und Freizeittransporter. Inzwischen gibt es kaum noch Hersteller, die sich diesem Segment widmen, und so verabschiedeten sich die einstigen Bestseller nach und nach wieder vom Markt.
Wie so oft im Leben sind es auch bei der neuen V-Klasse die inneren Werte, die den Unterschied zum Vorgängermodell ausmachen. Konkret ist dies der Dieselmotor OM654, der bereits in anderen Modellen der Marke versucht, den schlechten Ruf des Selbstzünders aufzupolieren. In der Tat unterbietet die jüngste Diesel-Entwicklung die aktuellen Abgaswerte deutlich und erreicht die strenge Abgasnorm Euro 6d-Temp. Der Zweiliter-Vierzylinder treibt bereits von der B- bis zur S-Klasse eine Vielzahl von Modellen an und kommt in der V-Klasse in drei Leistungsstufen (120 kW/163 PS, 140 kW/190 PS und 176 kW/239 PS) auf den Markt. Nach den Vorstellungen der Marketingexperten des Hauses wird vor allem die Topmotorisierung von den Kunden gewählt werden.
Der Antrieb für den V 300 d lässt vom Start weg keinen Zweifel daran, dass hier die Erfindung von Rudolf Diesel für den Vortrieb verantwortlich ist. Kernig geht er zur Sache und das Motorengeräusch bleibt auch während der Fahrt akustischer Begleiter im Hintergrund. Im Innenraum der wuchtigen V-Klasse erleben Fahrer und Passagiere den Limousinenteil des Familientransporters. In der Tat entspricht das Interieur den Limousinen des Hauses – nur ist das Raumgefühl eben ein ganz anderes. Hier ist alles eine Nummer größer. Der Fahrer blickt auf eine Instrumentenlandschaft, wie man sie aus den „echten“ Limousinen der Marke kennt einschließlich des Bildschirms, der allerdings wie nachträglich montiert wirkt. Die neue V-Klasse kommt in drei Längen und zwei Radständen auf den Markt: 4,90 Meter, was einer E-Klasse entspricht sowie 5,14 und 5,37 Meter. Die Radstände variieren zwischen 3,2 und 3,43 Meter für die Langversion.
Nachdem der Selbstzünder die immerhin gut 2,2 Tonnen schwere V-Klasse in Fahrt gebracht hat, vergehen einige Minuten, bis man sich an die Ausmaße gewöhnt hat. Die Kraftübertragung übernimmt eine bestens aufgelegte 9G-Tronic-Automatik, die zum ersten Mal in der V-Klasse verfügbar ist und die jederzeit die passende Übersetzung bereitstellt. Das bullige Drehmoment von 500 Newtonmetern ermöglicht bei entsprechendem Bedarf auch eine zügige Beschleunigung, die Mercedes mit 7,8 Sekunden von Null auf 100 km/h angibt. Bei 220 km/h ist das maximal mögliche Tempo erreicht. Allerdings kämpft die V-Klasse bereits von Tempo 120 km/h an mit deutlichen Windgeräuschen, die dem großvolumigen Aufbau geschuldet sind.
Dank dieser Werte lässt sich der V 300 d tatsächlich wie eine – allerdings etwas groß geratene – Limousine bewegen und ermöglicht auch eine durchaus dynamische Gangart. Dazu trägt auch bei, dass sie selbst in schnell gefahrenen Kurven trotz des hohen Aufbaus auf Wanken verzichtet und sich wie eine Limousine bewegen lässt. Vorbei die Zeiten, da man dem Modell einen gewissen Nutzfahrzeug-Charakter anmerkte. Allerdings würde man sich eine Lenkung mit mehr Rückmeldung wünschen. Auch in der Abteilung Komfort entspricht das neue Modell den Erwartungen, die man an einen Mercedes knüpft, und wer seinen Passagieren eine Extra-Portion Komfort gönnen will, wählt aus der Wunschliste die Luxussitze für 6500 Euro mit Liegefunktion, Klimatisierung und Rückenmassage.
Insgesamt 13 Sicherheits- und Assistenzsysteme sind für die neue V-Klasse verfügbar. Besonders dankbar sind Fahrer und Passagier dabei wahrscheinlich vor allem dem Seitenwind-Assistenten, der den Fahrer bei Bedarf auf Spur hält. Daneben reicht die aus anderen Baureihen bekannte Palette vom aktiven Bremsassistenten über den Fernlicht- und Totwinkel-Assistenten bis zum aktiven Parkassistenten, der passende Parklücken erkennt und in Längs- und Querparklücken einparken kann.
Nicht nur Großfamilien und Menschen mit ausgeprägten Freizeitaktivitäten haben die Mercedes-Marketingexperten als Kunden ausgemacht. Auch Fahrdienste und Selbstständige sollen zugreifen. Im vergangenen Jahr taten dies immerhin 64 000 Kunden und sorgten so für einen Absatzrekord. Für die neue V-Klasse wird eine Mischung von jeweils 50 Prozent Privat- und Geschäftskunden erwartet. Die Preisliste beginnt aktuell bei 48 944,70 Euro für den 220 d in der kürzesten Version. Im Juli wird die preiswertere Variante V220 d Rise für 39 631,80 Euro nachgeschoben, die einfacher ausgestattet ist und über ein manuelles Sechsganggetriebe geschaltet wird.
Im kommenden Jahr schließlich wird die elektrisch angetriebene V-Klasse als EQV auf den Markt rollen. Mit einer Reichweite von 400 Kilometern (Werksangabe) ist das Modell auch für längere Ausflüge geeignet und kann an der passenden Ladesäule in 15 Minuten für jeweils 100 Kilometer Strom speichern. (ampnet/deg)
Daten V-Klasse 300 d
Länge x Breite x Höhe (m): 4,89 x 1,92 x 1,88
Radstand (m): 3,20
R4-Diesel, 1950 ccm, Turbo, Direkteinspritzung
Leistung: 176 kW / 239 PS bei 4200 U/min
Max. Drehmoment: 500 Nm bei 1600-2400 U/min
Höchstgeschwindigkeit: 220 km/h
Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 7,8 Sek.
Durchschnittsverbrauch: 5,9 Liter
Effizienzklasse: A
CO2-Emissionen: 157 g/km (Euro 6 d-Temp)
Leergewicht / Zuladung: min. 2195 kg / max. 973-1063 kg
Max. Anhängelast: 2000 kg
Wendekreis: 11,8 m
Basispreis: 54 513 Euro
Mehr zum Thema: Mercedes-Benz , V-Klasse , V300 d
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