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Testzentrum Immendingen eröffnet: Als das Auto digital wurde

Vor vierzig Jahren beherrschten drei Buchstaben die Automobilpresse. Mit „ABS“ zog die „Wunderbremse“ (Bild-Zeitung) in die Automobiltechnik ein. Mercedes-Benz und Bosch hatten die Anti-Blockierbremse entwickelt, mit der Autofahrer bei einer Vollbremsung die Kontrolle über ihr Fahrzeug behalten und Hindernissen bremsend ausweichen konnten. Vorbei die Zeiten, da man vergeblich versuchte, mittels der in der Fahrschule gelernten „Stotterbremse“ das Blockieren der Räder zu vermeiden. Kein menschlicher Fuß konnte so perfekt stottern wie die elektronisch gesteuerte Bremse.

„ABS gab es damals bereits in der Flugzeugindustrie“, erinnert sich Richard Zimmer, ehemaliger Entwicklungsingenieur ABS-Entwicklung, „doch dieses System war für die Automobile ungeeignet“. Mitte der Siebziger Jahre begann daher die Entwicklung eines zunächst analogen Bremssystems, das sich aber bald als nicht geeignet herausstellte, sodass die Entwicklungstruppe auf eine digitale Lösung umschwenkte. Und so zog das erste elektronisch gesteuerte Assistenzsystem in die Welt der Automobile ein.

„Das ging nicht ohne Widerstände, denn damals gab es durchaus Bedenken gegen die digitale Technik“, so Zimmer. Daher widmeten die Entwickler den überwiegenden Teil ihrer Arbeit der Absicherung ihres neuen Systems, dass schließlich 1978 in der S-Klasse auf den Markt geschickt wurde. „Am Ende hatten wir rund 80 Prozent unserer Zeit in die Absicherung der Technik investiert, um sicher zu gehen, dass sie unter allen Umständen funktioniert“, beschreibt Zimmer den langen Weg bis zur Serienreife. Inzwischen ist ABS bei allen Fahrzeugen Standard und wird ständig weiterentwickelt.

ABS war der Aufbruch in die digitale Gegenwart des Automobils. Das bis dahin von analoger Technik geprägte Automobil entwickelte sich in den folgenden Jahren zu einem digital gesteuerten Fahrzeug. Gleichzeitig wurden die unsichtbaren elektronischen Helfer zu Lebensrettern. Im Jahr 1980 lag die Zahl der Verkehrstoten noch bei rund 13 000 im Jahr. Heute liegt die Zahl bei rund 3000.

Die Sensoren der „Wunderbremse“ wurden bald auch von anderen Sicherheitssystemen wie der Antriebsschlupfregelung (ASR) und dem von 1986 an lieferbaren Automatischen Sperrdifferenzial (ASD) genutzt. Bei diesen Systemen kam zum ersten Mal eine bei Mercedes-Benz entwickelte Software zum Einsatz.

Auf die von Audi ausgelöste Allradmanie der achtziger Jahre reagierte Mercedes 1985 mit der 4Matic, bei der sich der Allradantrieb je nach Bedarf selbst zuschaltet. Die sich ständig verbessernde Sensorik nutzte das Unternehmen in den folgenden Jahren zur Entwicklung des Elektronischen Stabilitätsprogramm ESP, das in kritischen Situationen eingreift und ein oder mehrere Räder abbremst, um das Fahrzeug auf Kurs zu halten.

Ganz am Anfang dieser Entwicklung stand der Unfall eines jungen Ingenieurs. „Das war mir extrem peinlich, und ich begann darüber nachzudenken, wie man gefährliche Situationen entschärfen kann“, erinnert sich der ehemalige Leiter der Vorentwicklung ESP Frank-Werner Mohn an die ersten Schritte in Richtung ESP. 1995 schließlich wird die Technik im Coupé der S-Klasse eingeführt und schon drei Jahre später nach dem spektakulären Umfaller der A-Klasse „demokratisiert“.

Nach und nach kommt sie in alle Baureihen zum Einsatz und entfaltete auf Anhieb ihre unfallvermeidende Wirkung. „Nach der ESP-Einführung hatten wir sofort deutlich weniger Alleinunfälle als die Wettbewerber“, beschreibt Mohn den Nutzen des elektronischen Stabilisators. Diesen Aspekt erkannte bald auch die EU und schrieb ESP von 2008 an die Ausstattung aller Neuwagen mit ESP vor. Allerdings waren in diesem Fall die Amerikaner schneller.

Nicht nur die aktive Sicherheit profitierte von den ständig besser arbeitenden Sensoren. Im Jahr 2002 nutzte man diese Entwicklung für die damals neue Philosophie von „Pre Safe“, um Unfälle entweder ganz zu vermeiden oder die Folgen wenigstens zu verringern. Schließlich war aus dem „dummen“ Automobil ein „intelligentes“ und sehendes Fahrzeug geworden, das nun in der Lage war, kritische Situationen zu erkennen und die Insassen zu schützen. Pre Safe wird aktiv, wenn es Anzeichen für einen drohenden Unfall erkennt. Aktuelles Beispiel für eine dafür verwendeten Techniken ist der neue Sitz in der aktuellen E-Klasse, der den Fahrer bei einer drohenden seitlichen Kollision mittels eines kleinen Anstoßes vom Seitenfenster wegbewegt, um so die Folgen des Aufpralls zu verringern.

Und wie geht es bei der passiven Sicherheit weiter? „Wir können uns durchaus vorstellen, dass das Auto bei einem drohenden Auffahrunfall, die Gefahr erkennt und selbstständig den vor ihm liegenden Platz nutzt, um die Aufprall zu verringern“, beschreibt der ehemalige Leiter passive Sicherheit Karl-Heinz Baumann ein künftiges Arbeitsfeld.

Bei der Entwicklung neuer Assistenzsysteme spielt das neue Prüf- und Technologiezentrum des Unternehmens in Immendingen eine entscheidende Rolle. Auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz am Rande des Schwarzwalds können die Daimler-Entwickler unter den verschiedensten Bedingungen testen. Allein auf der sogenannten Bertha-Fläche, benannt nach der ersten Testfahrerin der Marke, Bertha Benz, stehen rund 100 000 Quadratmeter zur Verfügung, um „kollisionsvermeidende Fahrerassistenzsysteme“ zu entwickeln und testen. (ampnet/ww)

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Daimler Test- und Prüfzentrum Immendingen.

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Foto: Auto-Medienportal.Net/Daimler

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