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Glosse: Schneller mit Kartoffeltechnik

Es ist wie immer. Psychologie bestimmt weitgehend das Geschehen der internationalen Wirtschaft. Tesla zum Beispiel. Kaum hat Vorstandschef Elon Musk – wie üblich – schlechte Zahlen vorgelegt, flitzt der Aktienkurs des börsennotierten Elektroautobauers nach oben, weil Musk – ebenfalls wie üblich – seinen gläubigen Anteilseignern mal wieder verklickern konnte, dass es dennoch nach oben geht. Oder umgekehrt.

Wenn Musk, wie jüngst geschehen, lauthals darüber schwadroniert, dass er Tesla am liebsten von der Börse nehmen und privatisieren wolle, dann grummelt es stark in der Gemeinde und der Aktienkurs fährt Zickzack. Obendrein geben vermeintlich sachkundige Kaffeesatzleser gerne öffentlichkeits-wirksam ihren Senf dazu, wo es vermutlich lang gehen wird. Das Ganze unterstützt von angeblich objektiven Studien und teils merkwürdigen bis sehr zweifelhaften Marktforschungs-Ergebnissen.

Ein schönes Beispiel für die These der Kristallkugel-Durchblicker ist der Weltmarkt für Elektroautos. Nicht, dass der nicht wachsen würde. Doch die Zahlen machen deutlich, dass die Hoffnungen der Weltretter auf einen schnellen Schwenk auf kleinster Flamme vor sich hin züngeln. Zum Vergleich: 2015 gab es knapp 1,3 Milliarden Autos auf der Welt. Davon waren etwa 850 bis 900 Millionen Pkw, der Rest Busse, Lkw und andere Kraftfahrzeuge.

Ob man es wahrhaben will oder nicht: Wenn tatsächlich der Elektroantrieb im Autobau die Zukunft sein soll, dann braucht es Leute wie Elon Musk, die mit einer Vision traditionelle Marken und Märkte angreifen, damit sich überhaupt etwas bewegt. Wobei es sein kann, dass er und Tesla grandios scheitern, denn womöglich hat er sich verzockt und der Firma zu viel zugemutet. Eines jedoch hat der atypische Manager mit vielen Schrullen erreicht: Die Konkurrenz aus der weltweit immer noch übermächtigen Verbrennerfraktion hat sich an dem Revoluzzer aus dem kalifornischen Silicon Valley orientiert und will in Kürze mit einem ganzen Schwung an E-Mobilen den Markt fluten. Möglichst, um Tesla auf die Standspur zu drängen.

Wie leicht es Tesla hatte, den verhassten Auto-Großkonzernen davon zu preschen, zeigt ein amüsanter Vergleich, der im englischsprachigen Raum des Internets die Runde macht und versinnbildlichen soll, wie Schnellmerker und wie Umstandskrämer ein Projekt mit dem Ziel angehen, ein Produkt von hoher Güte abzuliefern. Ursprünglich ging es dabei gar nicht um Autos, sondern um die Erzeugung der berühmten „Baked Potato“ zum Steak. Doch die Parallelen zur herkömmlichen Autoindustrie sind leicht herzustellen. Wir haben das erfundene, aber vielsagende Szenario auf Tesla und die Konkurrenz übertragen:

So erzeugt ein Kantinen-Angestellter von Tesla eine Baked Potato:

• Vorheizen des neuen, qualitativ hochwertigen Ofens auf genau 177 Grad Celsius;
• Einlegen der Kartoffel;
• 45 Minuten warten, während der Zeit kann an anderen Projekten gearbeitet werden;
• Prüfen, ob die Kartoffel fertig ist, anschließend rausnehmen und servieren.

So erzeugt ein Kantinen-Angestellter eines normalen Autoherstellers eine Baked Potato:

• Der Kartoffel-Zulieferer wird angewiesen, den Ofen auf 177 Grad Celsius vorzuheizen;
• auf Anforderung zeigt der Zulieferer, wie er den Drehschalter am Ofen bewegt hat, um die Gradzahl zu erreichen, und er zeigt eine Dokumentation des Ofenbauers, die nachweist, dass der Ofen getestet wurde und richtig eingestellt ist;
• der Zulieferer muss in einer Dokumentation nachweisen, dass er die Temperatur mit modernstem Gerät überprüft hat;
• der Zulieferer legt die Kartoffel in den Ofen und setzt den Timer auf 45 Minuten;
• der Zulieferer öffnet den Ofen und prüft, ob die Kartoffel richtig platziert ist – und liefert auf Wunsch eine kostenlose Studie darüber, dass 45 Minuten die ideale Garzeit für eine Kartoffel dieser Größe ist;
• auf Anforderung wird eine Studie geliefert, die verschiedene Garzeiten von unterschiedlich großen Kartoffeln zeigt – angepasst an den Ofen;
• nach 10 Minuten prüfen, ob die Kartoffel fertig ist,
• nach 11 Minuten prüfen, ob die Kartoffel fertig ist;
• nach 12 Minuten prüfen, ob die Kartoffel fertig ist;
• Ungeduld macht sich breit. Der Zulieferer wird gefragt, warum eine einfache Kartoffel so lange braucht, um gar zu werden, wenn gewünscht, dann Statusreport alle fünf Minuten;
• nach 15 Minuten prüfen, ob die Kartoffel fertig ist;
• nach 35 Minuten abschließende Prüfung, dass die Kartoffel bald fertig wird. Weitergabe des Prüfprotokolls, dass alles auf Grün ist;
• dem Zulieferer gratulieren, dann den Chef über die eigene tolle Arbeit informieren. Insbesondere, weil man mit einem nicht kooperativen Zulieferer zusammenarbeiten musste;
• die Kartoffel nach 40 Minuten aus dem Ofen nehmen, um Kosten (Energie) zu sparen, denn es macht kaum einen Qualitätsunterschied zu einer Kartoffel, die 45 Minuten im Ofen war;
• Kartoffel servieren;
• darüber wundern, wie es Tesla schafft, zügig eine heiße und hochwertige Kartoffel zu erzeugen. Guten Appetit!

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(ampnet/hk)

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Harald Kaiser.

Harald Kaiser.

Foto: Auto-Medienportal.Net/Harald Kaiser

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