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Fahrbericht Hyundai Nexo: Brennstoffzellenauto mit Wow-Effekt

Um die Personenwagen mit Brennstoffzelle zu zählen, die zurzeit erhältlich sind oder es bis zum Jahresende sein werden, reichen die Finger einer Hand. Als Nachfolger des ix35 stellen die Südkoreaner jetzt mit dem Mittelklasse-SUV Nexo ihr zweites Serienmodell mit Brennstoffzellenantrieb vor. Es zeigt, dass Autos mit seiner Technik die Zukunft gehört.

Es gibt den Honda Clarity Fuel Cell, der aber nur in Japan und Kalifornien angeboten wird. In Deutschland steht der Toyota Mirai mit Brennstoffzelle auf der Preisliste der Japaner und wahrscheinlich ab Herbst - zumindest zum Mieten - auch der Mercedes-Benz GLC F-Cell bei den Stuttgartern. Den Kangoo ZE H2 von Renault gibt es nur noch als Gebrauchtwagen. Am deutlichsten an der Brennstoffzellen-Stange hält hier zu Lande Hyundai fest.

Im Grunde genommen ist das Verfahren der Brennstoffzelle ein uralter Hut, das schon der britische Rechtsanwalt und Physikprofessor Sir Robert Grove vor knapp 180 Jahren entwickelte. Er drehte einfach das 1800 entdeckte Prinzip der Elektrolyse um, tauchte ein Stück Zink sowie einen winzigen Platinbarren in verdünnte Schwefelsäure, verband beide Metalle mit einem Kupferdraht und stellte fest, dass zwischen beiden ein schwacher elektrischer Strom zu fließen begann.

Zu jener Zeit, da Wissenschaftler den Geheimnissen der Elektrizität auf der Spur waren, galt Groves Entdeckung als Quantensprung. Sie schlummerte allerdings später vorerst in der Versenkung, weil Werner Siemens 1866 den Dynamo entwickelte. Erst die Gemini-Raumkapseln der NASA in den 1960er Jahren nutzten für Funkverkehr und Computer Strom aus Brennstoffzellen. Inzwischen sind eine Menge weiterer Einsatzmöglichkeiten hinzu gekommen, wobei die Mobilität nur einen Teilbereich ausmacht.

Hyundai setzt sich seit 1998 mit der "kalten Verbrennung" - wie Physiker das Brennstoffzellen-Prinzip nennen - auseinander. Sie gilt als Schlüsseltechnologie auf dem Energiemarkt des 21. Jahrhunderts. Wissenschaftler messen ihrer rasanten Entwicklung und ihrer Bedeutung, die sie für die Industriegesellschaft in mittlerer Zukunft haben könnte, eine ähnliche Tragweite bei, wie sie der Mikrochip für die Computertechnologie hatte. Sogar einen Vergleich mit der Erfindung des Verbrennungsmotors durch Nikolaus August Otto 1876 hält die Brennstoffzelle aus.

Dass im Motorraum des Nexo eine revolutionäre Technik lautlos ihre Arbeit verrichtet, ist erst bei genauem Hinsehen auf das Heck des Wagens zu erkennen - Auspuffrohre aus denen CO2 oder andere Schadsubstanzen strömen? Fehlanzeige, denn statt umweltschädlicher Abgase bläst die Geländelimousine ausschließlich Wasserdampf nach draußen. War sein Vorläufer ix35 Fuel Cell noch ein normaler Wagen, in dem als Herz lediglich statt einer Verbrennungsmaschine eine Brennstoffzelle schlug, ist der Nexo eine vollständige Neuentwicklung, die nicht nur die Hyundai-Gene mit Eleganz zur Schau trägt, sondern zusätzlich über eine Reihe von neuen Raffinessen für eine ausgezeichnete Aerodynamik mit einem Luftwiderstandsbeiwert von 0,32 verfügt. Dazu gehören beispielsweise die versenkbaren Türgriffe oder der verkleidete Unterboden samt strömungsgünstig gestalteter Räder. Scheibenwischer vorne und hinten verstecken sich bei Trockenheit unter Abdeckungen der Karosserie.

Das Platzangebot im Innenraum liegt zwischen den konventionell angetriebenen Hyundai-SUVs Tucson und Santa Fe und bietet Raum für bis zu fünf Erwachsene. Im Vergleich zum Vorgänger ix35 Fuel Cell ist der Radstand um 150 Millimeter auf 2,79 Meter gewachsen, womit er - auch wenn es bescheiden klingt - spürbar mehr Platz bietet als jedes andere aktuelle Brennstoffzellenfahrzeug. Für Transportutensilien und Reisegepäck stehen im komplett ebenen Kofferraum 461 Liter Ladevolumen zur Verfügung, die sich dank der umlegbaren Rücksitzlehnen auf 1466 Liter vergrößern lassen.

Der Komfort entspricht hohem Niveau, da der Wagen von Haus aus eine umfangreiche Serienausstattung mitbringt. Ob Klimaautomatik, beheizbares Lenkrad oder elektrisch einstellbare Vordersitze – der Nexo hat alles an Bord, was das Wohlbefinden unterwegs steigert. Für noch höhere Ansprüche steht das Premium-Paket zur Wahl, das unter anderem belüftete Vordersitze, Sitzheizung auch hinten (auf den äußeren Plätzen) und ein Krell-Soundsystem mit acht Lautsprechern umfasst. Äußerlich ist der Nexo mit Premium-Paket an 19-Zoll-Felgen, Dachreling und einem Panorama-Glas-Schiebedach zu erkennen.

Des Weiteren steht eine ganze Palette von Assistenzsystemen zur Steigerung der aktiven Sicherheit zur Verfügung. Eine adaptive Geschwindigkeitsregelanlage mit Abstandsregelung und Stopp-Funktion zählt ebenso dazu wie ein aktiver Spurhalte- und ein Aufmerksamkeitsassistent. Es gibt einen autonomen Notbremsassistenten einschließlich Frontkollisionswarner mit Fußgängererkennung. Neben einer Verkehrszeichenregistrierung gibt es den optional um eine Monitoranzeige erweiterbaren Totwinkel-Assistenten. Über Weitwinkel-Kameras an beiden Fahrzeugseiten wird beim geplanten Spurwechsel und Betätigung der Blinker die Fahrzeugumgebung auf dem Fahrerdisplay angezeigt.

Bestandteil des Premium-Paketes ist auch der Around-View-Monitor. Er zeigt auf dem Navigationsbildschirm eine 360-Grad-Rundumsicht aus der Vogelperspektive und ermöglicht so präzises Rangieren in engen Passagen. Besonders pfiffig ist der automatische Einparkassistent mit Fernbedienung, der den Wagen selbstständig ein- und ausparken kann. Der Fahrer muss sich dazu nicht im Fahrzeug befinden, sondern kann das System per Knopfdruck mit dem Fahrzeugschlüssel in Gang setzen. Das Fahrzeug steuert daraufhin vollautomatisch selbst in kleinste Parklücken und wieder hinaus.

Der Fahrspaß für Fahrerinnen und Fahrer des Autos kann sich ebenfalls sehen lassen. 163 Pferde legen auf Anhieb im Galopp mit einer für einen Zweitonner überraschenden Beschleunigung los. Bei den ersten Probefahrten auf kurvenreichen Landstraßen vor den Toren Norwegens Hauptstadt Oslo jedenfalls mussten die Tester am Lenkrad gehörig aufpassen, dass sie das landesübliche Tempolimit von 80 km/h mit Müh und Not einhielten, denn die Polizei Norwegens besteht aus Nachkommen der Wikinger mit deren bekannt unerbittlicher Härte und wenig Nachsichtigkeit.

Zurück zum Nexo. In seine drei Wasserstofftanks mit zusammen 156,6 Liter Fassungsvermögen passen 6,33 Kilogramm H2 bei 700 bar Druck. Sie sind nach wenigen Minuten an der entsprechenden Zapfsäule vollgetankt. Der Hyundai Nexo ist ein Elektrofahrzeug - aber ein besonderes, was sich zusätzlich zum außergewöhnlichen Tanktempo auch an der enormen Reichweite gegenüber den wesentlich geringeren Distanzen herkömmlicher E-Autos mit Batterie zeigt. Die beträgt - gemessen mit dem extrem strengen neuen Verfahren WLTP (Worldwide Harmonized Light Vehicle Test Procedure) 666 Kilometer. Nach der alten Testmethode NEFZ (Neuer Europäischer Fahrzyklus) sind es sogar 756 Kilometer. Damit hält der Nexo mit der Benziner-Konkurrenz spielend mit, ganz zu schweigen von den meisten Batterie-Autos.

Ursache dafür ist der Umstand, dass der Nexo seinen Treibstoff Strom als rollendes Kraftwerk aus Wasser- und Sauerstoff in seinen Brennstoffzellen selbst herstellt. Und das geschieht vereinfacht erklärt so: Jede Brennstoffzelle besteht im Wesentlichen aus drei Bauteilen, der Brennstoffelektrode (Anode), dem Elektrolyten und der Sauerstoffelektrode (Kathode). Umspült man nun zum Beispiel die Anode mit Wasserstoff, dann werden ihm dort Elektronen entzogen, der Wasserstoff wird elektrochemisch oxidiert. Die Elektronen mit negativer Ladung gelangen in die elektrisch leitende Anode, die verbleibenden positiven Atome wandern durch den Elektrolyten in Richtung Kathode, die ebenfalls elektrisch leitend ist. Dort reagieren sie mit Sauerstoff und üben auf die negativ geladenen Elektronen aus physikalischen Gründen eine unwiderstehliche Anziehungskraft aus. Doch bis diese über eine Leitung zu ihrem Ziel gelangen, müssen sie als Elektrizität arbeiten, zum Beispiel einen Motor antreiben. An der Elektrode schließlich angekommen entsteht als Reaktionsprodukt nichts anderes als Wasser. Dass sie sich die unterschiedlich geladenen Teilchen nicht vorher zusammentun verhindert eine geeignete Membrane.

Der hergestellte Strom wird zusammen mit zurück gewonnener Bremsenergie in einer 1,56-kWh-Batterie zwischengelagert, ein bis zu 163 PS (120 kW) starker Elektromotor treibt die Vorderräder an, der hat mit dem Nexo leichtes Spiel hat obwohl das Auto fast zwei Tonnen Leergewicht auf die Waage bringt.

Der Stromproduktionsprozess geschieht geräusch- und verschleißlos, es entstehen keine giftigen Emissionen und besonders wichtig: Der Wirkungsgrad, also die Ausbeute an Elektrizität ist weit höher als bei jeder anderen Technologie, die zur Stromerzeugung herangezogen wird. Noch sind freilich Brennstoffzellenautos vergleichsweise sehr teuer, was insbesondere zwei Ursachen hat: Vorerst noch gibt es sie nur in geringer Stückzahl, was sich negativ auf ihre Produktionskosten auswirkt. Ebenso entscheidend ist, dass noch zu viel wertvolles Platin für die Funktion der Brennstoffzelle erforderlich ist. Das dürfte sich in Zukunft ändern.

Aber schon jetzt liegen in der Offenbacher Hyundai-Zentrale seit April 2018 bereits 180 Vorbestellungen für das Auto mit dem Wow-Effekt vor. Zum Vergleich: Vom Hyundai ix35 Fuel Cell waren von 2013 bis heute 200 Exemplare in Deutschland zugelassen worden. Hyundai-Geschäftsführer Markus Schrick geht davon aus, 1000 Nexo-Exemplare unters deutsche Volk bringen zu können, wenn erst das Wasserstoff-Tankstellennetz in Deutschland die Zahl 100 übersteigt. Die Zeichen dafür stehen gut. 2017 waren 24 öffentliche Wasserstofftankstellen in Deutschland in Betrieb. Außerdem existierten nach Kenntnis der Ludwig-Bölkow-Systemtechnik 139 Tankstellen in Europa, 118 in Asien, 68 in Nordamerika, eine Tankstelle in Südamerika sowie eine in Australien. 2018 gab es in Deutschland im Schnitt alle zwei Wochen eine neue Wasserstoff-Tankstelle. 2019 sollen es dann 100 öffentliche Wasserstoff-Stationen für Pkw sein.

Je früher sich die Wasserstoffproduktion - selbstverständlich aus erneuerbaren Energien - und deren Verteilung über ein vernünftiges Tankstellennetz durchsetzt, desto besser für Klima und Umwelt. Denn der Einsatz von Batterien in Elektroautos ist für die Ökobilanz alles in allem keineswegs das Gelbe vom Ei. (ampnet/hrr)


Daten Hyundai Nexo

Länge x Breite x Höhe (m): 4,67 x 1,86 (ohne Spiegeln) x 1,63
Radstand (m): 2,79
Elektromotor Leistung: 120 kW / 163 PS
Max. Drehmoment: 395 Nm
Brennstoffzellentyp: Polymerelektrolyt
Anzahl der Zellen: 440
Brennstoffzellendichte (kW/l Volumen): 3,1
Brennstoffzelle Ausgangsleistung: 95 kW
Wirkungsgrad: 60 Prozent
Elektromotortyp: Permanentmagnet-Synchronelektromotor (Wechselstrom)
Batterie: Lithium-Polymer, 1,56 kWh
Systemleistung: 135 kW
Höchstgeschwindigkeit: 117 km/h
Beschleunigung: 0 auf 100 km/h: 9,2 Sek.
Durchschnittsverbrauch kombiniert (kg Wasserstoff / 100 km): nach NEFZ-Norm 0,84, nach WLPT-Norm 0,95
Reichweiten: nach NEFZ 756 km, nach WLTP 666 km
Effizienzklasse: A+
CO2-Emissionen: keine
Leergewicht / Zuladung: min. 1889-1949 kg / max. 391-451 kg
Kofferraumvolumen: 461 Liter, erweiterbar auf 1466 Liter
Wendekreis: 11,2 m
Hyundai Nexo: 69 000 Euro brutto, 57 983 netto
Mit Umweltbonus: 53 983 Euro netto
Premium-Paket: 3 500 Euro
Sonderlackierung TitaniumGrey Matt: 600 Euro

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