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EU-Hochgeschwindigkeitsnetz: Ineffizienter Flickenteppich

Mehr als barsch hört sich an, was der Europäische Rechnungshof in Luxemburg, die oberste Kontrollbehörde über Einnahmen und Ausgaben der Europäischen Union, jetzt zu den Fortschritten des Eisenbahn-Hochgeschwindigkeitsnetzes innerhalb der EU-Mitgliedsstaaten berichtet. In der Veröffentlichung heißt es, dass es sich bei dem Streckenausbau lediglich um Stückwerk ohne realistischen langfristigen Plan handele. Besonders heftig kritisiert der Rechnungshof das österreichisch-italienische Gemeinschaftsprojekt zum Bau eines Eisenbahntunnels unter dem Brennerpass.

Seit dem Jahr 2000 steckte die EU 23,7 Milliarden Euro in die Kofinanzierung von Investitionen in Hochgeschwindigkeitsstrecken. Die Prüferinnen und Prüfer des Rechnungshofs besuchten kürzlich 30 Baustellen in den sechs Mitgliedstaaten Frankreich, Spanien, Italien, Deutschland, Portugal und Österreich um zu sehen, ob das Geld gut angelegt ist. Ihr Urteil: Auch wenn die Länge der Hochgeschwindigkeitsnetze in den einzelnen Mitgliedstaaten wächst, das Ziel der EU, bis 2030 die Länge dieser Strecken auf 30 000 Kilometer zu verdreifachen, wird voraussichtlich nicht erreicht.

„Was gebaut wurde, entspricht einem ineffizienten Flickenteppich aus Strecken der einzelnen Mitgliedstaaten, die nur unzureichend miteinander verbunden sind“, so Oskar Herics, das für den Bericht zuständige Mitglied des Europäischen Rechnungshofs. „Hochgeschwindigkeitsstrecken, welche die Staatsgrenzen überschreiten, zählen nicht zu den Prioritäten bei den Bauvorhaben der einzelnen Mitgliedstaaten, und der Kommission fehlen die Befugnisse, diese Projekte durchzusetzen. Das bedeutet, dass mit der EU-Kofinanzierung ein geringer europäischer Mehrwert erzielt wird.“

Ausgesprochen ärgerlich reagierte die Prüfkommission auf den Bau des Brenner-Basistunnels zwischen dem österreichischen Innsbruck und der südtiroler Gemeinde Franzesfeste auf italienischem Boden. Fertigstellungstermin und Investitionsbedarf ähneln stark den Verhältnissen am Berliner Flughafen BER. Laut ursprünglicher Planung von 1986 sollten die Tunnelarbeiten 2016 beendet sein. Neuerdings ist 2027 ins Auge gefasst. Hatten die Bauherren Österreich und Italien zunächst Kosten in Höhe von rund sechs Milliarden Euro eingeplant, werden es nach Stand von heute mindestens zehn Milliarden Euro sein. Denn während die durchschnittliche Hochgeschwindigkeitsstrecke in der EU mit 25 Millionen Euro pro Kilometer zu Buche schlägt, sind es beim Brenner-Basistunnel wegen der komplizierten Geologie 145 Millionen Euro pro Kilometer.

Den schwarzen Peter für die zeitliche Verzögerung des Projekts schiebt der Rechnungshof nicht zuletzt auf Deutschland: Die Bundesrepublik vernachlässige den Bau von Verbindungsstrecken zwischen München und Innsbruck. Während die Tunnelarbeiten in Italien und Österreich bis zum Jahr 2027 abgeschlossen sein dürften, gebe es „wenig Bauaktivität auf der nördlichen Zulaufroute, die größtenteils in Deutschland liegt“, heißt es in dem Bericht. „Die Route ist noch nicht einmal geplant worden und wird nicht vor 2035 (Österreich) oder gar 2040 (Deutschland) vollendet sein.“

Ob freilich in ferner Zukunft überhaupt Hochgeschwindigkeitszüge zwischen Bayern und Italien den Brenner unterqueren werden, steht ebenfalls dahin. Zwischen München und Verona existieren nämlich zurzeit 13 Haltestellen. Die Züge verbringen dort laut Plan 41 Minuten und damit 12,6 Prozent der gesamten Reisezeit von derzeit kalkulierten fünf Stunden und 24 Minuten. Die geplante Hochgeschwindigkeitsverbindung sollte diese Fahrtzeit auf dreieinhalb Stunden verkürzen. Das entspräche einer Durchschnittsgeschwindigkeit von nur 115 km/h – „zu niedrig, um ein überzeugendes Argument für den Bau einer vollwertigen Hochgeschwindigkeitsstrecke zu rechtfertigen“, kritisiert der EU-Rechnungshof. (ampnet/hrr)

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Geplantes EU-Hochgeschwindigkeitsschienennetz.

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Foto: Auto-Medienportal.Net/Brenner-Basistunnel

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Querschnitt des Brenner-Basistunnels.

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Foto: Auto-Medienportal.Net/Brenner-Basistunnel

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Vorbereitung einer Sprengung bei den Bauarbeiten am Brenner-Basistunnel.

Vorbereitung einer Sprengung bei den Bauarbeiten am Brenner-Basistunnel.

Foto: Auto-Medienportal.Net/Brenner-Basistunnel

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Bauarbeiten am Brenner-Basistunnel.

Bauarbeiten am Brenner-Basistunnel.

Foto: Auto-Medienportal.Net/Brenner-Basistunnel

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Bauarbeiten am Brenner-Basistunnel.

Bauarbeiten am Brenner-Basistunnel.

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