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Gorden Wagener: „Design kann nicht demokratisch sein“

Mit seinem Antritt im Jahr 2008 hat Gorden Wagener das Mercedes-Design vom Kopf wieder auf die Füße gestellt – ohne dabei einen Retro-Kult um die Ära Sacco zu betreiben. Inzwischen trägt beinahe das gesamte Modellprogramm seine Handschrift, auch zuletzt, bei der behutsamen Renovierung des Kultmodells G-Klasse. Im Interview mit Jens Meiners stellt Wagener fest, dass Mercedes mit seinen vier Marken sich gegen jeden Wettbewerber positionieren könne. Und er unterstreicht: Gutes Design sei nicht das Ergebnis eines demokratischen Prozesses. Jetzt legen Wagener und der Konzern nach: Das neue Designzentrum in Südfrankreich soll in allen Disziplinen beherrschend sein.

Herr Wagener, Sie haben seit 2008 die Mercedes-Flotte weitgehend auf eine neue Formensprache umgestellt. Was fehlt noch?

„Wir haben die Formensprache der „sensual purity" praktisch überall umgesetzt. Jetzt fehlen noch GLE und GLS sowie unsere Markenikone, der SL. Diese Autos haben wir zwar bereits umfassend überarbeitet, der entscheidende Schritt kommt jedoch mit der nächsten Modellgeneration. Der nächste GLE kommt als erstes dieser drei Modelle. Er wird einen großen Sprung vollziehen mit einem viel sportlicheren Verhältnis von Rad und Fahrzeugkörper, mit kräftigen Schultern und moderner Grafik. Und der GLS differenziert sich stärker vom GLE als bisher.“

Muss es irgendwann wieder einen Designsprung geben?

„Das ist eine Frage, die wir regelmäßig offen diskutieren. Wir treffen uns dazu zweimal im Jahr, in Kürze erneut, um genau diese Fragen zu klären: Ist „sensual purity" der richtige Weg oder muss es eine „sensual disruption" geben? Ohne eine Antwort vorwegzunehmen, sehen wir es derzeit so, dass „sensual purity" der Marke gutgetan hat und wir diesen Weg der Reduzierung weitergehen. Gerade in einer Zeit, in der viele andere Marken ihre Autos mit Linien überfrachten. Wir haben einen Stil des Hauses gefunden, der clean, zeitlos, reduziert und modern ist, aber auf der anderen Seite sehr emotional, ja fast mit Sex-Appeal. Das müssen wir mit größeren und kleineren Schritten weiterentwickeln, fast wie ein Betriebssystem.“

Wie werden Sie in Zukunft die Sub-Marken Mercedes-AMG, Mercedes-Maybach und Mercedes-EQ ausdifferenzieren?

„Wir werden sie unter den Begriffen Progressive, Modern, Ultimate und Performance klar positionieren, und zwar zwischen den Polen „Cool" und „Hot". Die Kernmarke Mercedes-Benz steht für „Modern Luxury". Mercedes-AMG mit „Performance Luxury“ ist „hot": Wir haben zur Produktdifferenzierung vor zehn Jahren mit anderen Stoßstangen an den Modellen angefangen, doch inzwischen haben wir eigenständige AMG-Produkte, einen exklusiven Panamericana-Grill, und wir werden AMG weiter als führende Sportwagenmarke positionieren.

Ähnlich emotional, also „hot", ist Mercedes-Maybach mit „Ultimate Luxury". Dieser Sub-Marke werden wir ein eigenes, stärker ausdifferenziertes Profil geben, das dem Markenanspruch gerecht wird. In dieser ganz eigenen Markenwelt werden wir einiges sehen, wir stehen noch am Anfang. Und dann gibt es Mercedes-EQ, als Tech-Marke mit „Progressive Luxury“ cool, aber trotzdem sexy. Hier geht es um Purismus und Reinheit, eine nochmals cleanere und stärker integrierte Formensprache. Die Grafiken werden verschmolzen, die Volumen sind sexy, aber die Autos nahtlos wie ein Smartphone ausgeführt, also sehr progressiv. Und diese vier Sub-Marken können wir gegen alle möglichen Wettbewerber stellen.“

Sie gelten als Freund des klassischen Kühlers mit aufrechtem Stern. Hat er eine Zukunft?

„Ich setze mich klar weiter dafür ein, wobei der klassische Grill umso beliebter ist, je exklusiver das Auto ist. Bei der C-Klasse haben wir eine Verbauquote von mehr als 20 Prozent, also ist es richtig und ich finde es schön, dass es ihn auch dort gibt. Übrigens werden wir bei den vier Sub-Marken am Ende des Prozesses fünf Kühlergrills haben. Nur Mercedes-Benz lässt so eine Spreizung zu und bleibt dabei authentisch.“

Brauchen Sie für diese Sub-Marken eigene Chefdesigner?

„Bei uns im Design halte ich es nicht für erforderlich, wir sind hervorragend aufgestellt, um jeder Marke ihr eigenes Profil zu geben, die es braucht. Im Grunde ist das Chefsache, denn Design kann nicht demokratisch sein, da braucht es eine zentrale Funktion.“

Welche Rückmeldung bekommen Sie aus den „product clinics", in denen die Entwürfe potentiellen Kunden gezeigt werden?

„Ich halte wenig von den „clinics" im Hinblick auf Design und messe ihnen deshalb auch nicht zu viel Bedeutung bei. Wir nehmen die Meinung der Leute von heute – mit ihrem Nichtwissen von morgen – als Feedback ernst, das ist immer gut, aber man darf nicht erwarten, dass die Menschen wissen können, was ihnen in fünf bis zehn Jahren gefallen wird. Es ist unser Job, das zu können, denn ein Designer lebt immer in der Zukunft. Und dann muss man auch mal aushalten, wenn die Diskussionen hitzig werden. Wobei wir bei Mercedes zum Glück einen Vorstand haben, der Design versteht. Denn sonst hätten wir heute keine so erfolgreichen Autos im Portfolio. Die haben wir ja auch schon vor Jahren so entschieden.“

Sie eröffnen dieses Jahr ein neues Designcenter bei Nizza. Welche Rolle spielt es im globalen Netzwerk?

„Wir werden in unserem neuen Designcenter an der Cote d'Azur eine flache, fließende Hierarchie aufbauen und einen eigenen Leiter installieren, der auch von außen kommen kann. Darüber hinaus haben wir unser erst 2014 eröffnetes Center in Peking, und in Kalifornien verzahnen wir gerade die Studios in Carlsbad, wo klassisches Design gemacht wird, und in Sunnyvale, wo es vor allem um digitale Innovationen geht. Insgesamt verfolgen wir einen holistischen Ansatz. Wir wollen auf jedem Kontinent alle Disziplinen beherrschen: Interieur, Exterieur, Color&Trim und User Interface.“ (ampnet/jm)

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Gorden Wagener

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Gorden Wagener (rechts) und unser Autor Jens Meiners.

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