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Im Rückspiegel: Vor 50 Jahren startet der „Strich-Acht“

Vor genau 50 Jahren stellt Mercedes-Benz in Sindelfingen die völlig neu entwickelten Limousinen der oberen Mittelklasse vor. Sie sind aufgeteilt auf die Baureihen W 115 (Vier- und Fünfzylindermotoren) und W 114 (Sechszylindermotoren). Die Modellreihe aus der Ahnenreihe der E-Klasse überzeugt immer noch mit klarer Formensprache sowie einem gegenüber der Oberklasse eigenständigen Design. Der Erfolg des „Strich-Acht“, wie Fans diese Fahrzeuggeneration nach dem Zusatz „/8“ in der Typenbezeichnung später nennen, ist überwältigend: Erstmals werden mehr als eine Million Exemplare einer Mercedes-Benz Fahrzeugfamilie verkauft.

Die Baureihe löst die 1961 eingeführten „Heckflossen“-Limousinen mit Vierzylindermotoren (W 110) ab. Unter der neuen Typenbezeichnung entstehen neben den Limousinen auch Coupés, Limousinen mit langem Radstand und Fahrgestelle für Sonderaufbauen. Heute ist der „Strich-Acht“ eine begehrte klassische Baureihenfamilie der Stuttgarter Marke. Besonders attraktive Exemplare finden sich regelmäßig im Angebot von All Time Stars, dem Fahrzeugangebot von Mercedes-Benz Classic.

Die Baureihen W 115 und W 114 gleichen sich in den Abmessungen völlig. Sie sind nur durch Ausstattungsdetails sowie Kühlergrill- und Stoßstangenvarianten zu unterscheiden. Zur Markteinführung sind die Dieselmotor-Typen 200 D und 220 D sowie die Modelle 200, 220, 230 und 250 mit Ottomotor erhältlich. In der Folge wird das Programm weiter ausgebaut.

Die stilistisch und technisch sehr modernen Fahrzeuge stellen eine kleine Revolution dar. Mercedes-Benz stärkt mit dem „Strich-Acht“ das Profil dieses Marktsegments, das bei Mercedes-Benz später „E-Klasse“ genannt wird. Die Stuttgarter Marke komplettiert die Baureihenfamilie noch im selben Jahr um Coupés (Markteinführung im November 1968) und Limousinen mit langem Radstand (Markteinführung im Dezember 1968). Damit bietet Mercedes-Benz nun ein umfassendes Portfolio verschiedener Karosserieformen und Motorisierungen in der eigenständigen oberen Mittelklasse.

Schon auf den ersten Blick überzeugt der „Strich-Acht“ von Paul Bracq in der von Friedrich Geiger geleiteten Stilistik-Abteilung. Dazu kommen technische Neukonstruktionen wie die hintere Diagonal-Pendelachse. Mit ihr erreichen die Ingenieure das Ziel, den markentypischen Fahrkomfort mit verbesserten Fahreigenschaften zu verbinden. So schreibt die Fachzeitschrift „ auto motor und sport“ im Heft 4/1968 über die Typen 200 (W 115) und 250 (W 114): „Der nasse und vereiste Hockenheimring bestätigte die auf der Targa-Florio-Strecke gemachten Erfahrungen: Die Fahrstabilität ist mit der neuen Achse wesentlich verbessert worden“. Den Gesamteindruck des „Strich-Acht“ bringt die Überschrift des Beitrags auf den Punkt: „Die wohlkalkulierte Perfektion“ heißt es dort über die neue obere Mittelklasse von Mercedes-Benz.

Die Entwicklung der neuen Fahrzeuggeneration hatte 1961 begonnen. Prof. Dr. Fritz Nallinger, Entwicklungsvorstand der damaligen Daimler-Benz AG, setzt sich von Anfang an dafür ein, den neuen Typ deutlicher als bisher von den Oberklassefahrzeugen zu unterscheiden. Das bedeutet das endgültige Ende der Einheitskarosserie, wie bei den „Ponton“- und „Heckflosse“ -Limousinen umgesetzt. Das Lastenheft sieht ein gegenüber dem W 110 kompakteres Fahrzeug vor, das jedoch innen den gleichen Raum bietet. Zudem sollen neue Fahrwerkskonstruktionen die Fahreigenschaften weiter verbessern. Früh wird entschieden, die Antriebspalette bis zu Sechszylindermotoren zu erweitern.

Es entsteht eine Limousine mit harmonischen Proportionen, deren Radstand gegenüber dem Vorgänger um 50 Millimeter auf 2750 Millimeter wächst, während sich die Gesamtlänge um 55 Millimeter auf 4680 Millimeter reduziert. Zudem sind die Limousinen 25 Millimeter schmaler und 55 Millimeter niedriger als die kleinen „Heckflossen“. Die Entwicklungen in der passiven Sicherheit überprüft Mercedes-Benz unter anderem mit 26 Unfallversuchen. Die Crashtests zeigen, dass der „Strich-Acht“ die damaligen US-Normen für eine Kollision bei 30 Meilen pro Stunde mit 100-prozentiger Überdeckung nicht nur erfüllt, sondern weit übertrifft.

Das Fahrwerk ist gegenüber dem W 110 ebenfalls erheblich weiterentwickelt. Die beiden Fahrschemel sind über weiche Gummilager mit der Karosserie verbunden. An der Vorderachse reduzieren Doppelquerlenker mit gegeneinander verschränkten Drehachsen das Eintauchen des Vorderwagens bei scharfem Bremsen. Hinten kommt die neu konstruierte „Diagonal-Pendelachse“ zum Einsatz, eine Schräglenker-Hinterachse. Sie reduziert Spur- und Sturzveränderungen in Kurven sowie beim Ein- und Ausfedern. Erstmals in der oberen Mittelklasse von Mercedes-Benz sind alle vier Räder mit Scheibenbremsen ausgestattet. Servolenkung und eine hydraulische Niveauregulierung gibt es optional.

Die Bezeichnung „Strich-Acht“ für die Modellreihe stammt aber nicht von Mercedes-Benz. Vielmehr ist sie erst mit einigem Abstand zur Premiere im Januar 1968 aus dem Sprachgebrauch der Fans entstanden – abgeleitet aus dem Kürzel „/8“, das die 1968er-Typen im Modellprogramm kennzeichnet. So wird das Kürzel „Strich-Acht“ in der Folgezeit zur griffigen Bezeichnung für alle Varianten dieser oberen Mittelklasse. Dazu gehören auch die Spitzenmotorisierungen 280 und 280 E (1972) sowie der 240 D 3.0, der erste Fünfzylinder-Personenwagen der Welt, der nach der Modellpflege des Jahres 1973 erscheint.

Nach der Premiere der viertürigen Limousinen im Januar 1968 lässt die Markteinführung nicht lange auf sich warten. Die viertürige Limousine mit sechs Fenstern und um 650 Millimeter vergrößertem Radstand wird ab März 1968 gebaut. Im Unterschied zu den Standard-Limousinen stattet Mercedes-Benz diese Langversion wegen des veränderten Böschungswinkels grundsätzlich mit den größeren 15-Zoll-Rädern und entsprechend angepasster kürzerer Hinterachs-Übersetzung aus. Ab Oktober 1968 folgt schließlich der Bau des zweitürigen Coupés. Der sportlich-elegante Zweitürer hat den gleichen Radstand wie die Limousinen, ist allerdings 45 Millimeter niedriger. Die durch Unterdruck verriegelten Rückenlehnen der Vordersitze werden bei geöffneten Türen automatisch entriegelt und gewähren so einen guten Zugang zur Sitzbank im Fond. Im Unterschied zur Limousine ist die hintere Stoßstange seitlich bis an die hinteren Radausschnitte vorgezogen.

Der „Strich-Acht“ erweist sich als absolutes Erfolgsmodell: Erstmals baut Mercedes-Benz mehr als eine Million Limousinen einer Baureihenfamilie – in Summe 1,8 Millionen. Und von allen Karosserievarianten zusammen werden sogar mehr als 1,9 Millionen Exemplare verkauft. Dazu passt, dass der zweimillionste seit 1946 produzierte Mercedes-Benz Personenwagen ebenfalls ein „Strich-Acht“ ist. Die Limousine des Typs 220 D läuft am 9. Mai 1968 im Werk Sindelfingen vom Band. Die letzten „Strich-Acht“-Fahrzeuge werden 1976 gebaut, zu einem Zeitpunkt, als die Produktion der Nachfolgebaureihe W 123 bereits angelaufen ist.

Heute sind die „Strich-Acht“-Limousinen und -Coupés begehrte Klassiker. Regelmäßig gehören besonders attraktive Fahrzeuge der Baureihenfamilie zum Angebot von All Time Stars, dem Fahrzeughandel von Mercedes-Benz Classic. Das Angebot umfasst Oldtimer und Youngtimer, die in 160 Punkten geprüft worden sind. Sie kommen mit einem Classic-Data-Gutachten in den Handel und entsprechen technisch mindestens der Zustandsnote 2. Die digitale Verkaufsplattform weiß mehr unter http://www.alltime-stars.com/. (ampnet/Sm)

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Mercedes-Benz 280 der Baureihe W 114. Die beiden 1972 eingeführten „Strich-Acht“-Topmodelle verfügen über eine Doppelstoßstange vorn und eine bis zum Radausschnitt vorgezogene Heckstoßstange.

Mercedes-Benz 280 der Baureihe W 114. Die beiden 1972 eingeführten „Strich-Acht“-Topmodelle verfügen über eine Doppelstoßstange vorn und eine bis zum Radausschnitt vorgezogene Heckstoßstange.

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Mercedes-Benz 280 E (1968–1976).

Mercedes-Benz 280 E (1968–1976).

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Mercedes-Benz 250 (1968–1976).

Mercedes-Benz 250 (1968–1976).

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Der zweimillionste Mercedes-Benz seit 1946 ist ein Typ 220 D der „Strich-Acht“-Baureihe W 115. Er läuft am 9. Mai 1968 im Werk Sindelfingen vom Band.

Der zweimillionste Mercedes-Benz seit 1946 ist ein Typ 220 D der „Strich-Acht“-Baureihe W 115. Er läuft am 9. Mai 1968 im Werk Sindelfingen vom Band.

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Präsentation der „Neuen Mercedes-Benz Generation“ im Januar 1968 in Sindelfingen. Chefingenieur Hans Scherenberg (links) stellt die neuen Typen 220 D (W 115), 280 S (W 108) und 250 (W 114) vor.

Präsentation der „Neuen Mercedes-Benz Generation“ im Januar 1968 in Sindelfingen. Chefingenieur Hans Scherenberg (links) stellt die neuen Typen 220 D (W 115), 280 S (W 108) und 250 (W 114) vor.

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