Tradition und Modernität verknüpfen, Authentizität bewahren – das beschreibt Rolls-Royce-Chef Torsten Müller-Ötvös als Ziele der Neuentwicklung eines Produkts. Ob das beim Spitzenmodell Phantom gelungen ist, kann man seit der Weltpremiere in London überprüfen. Eine „Architektur des Luxus“ soll künftig an allen Fahrzeugen der Marke erkennbar sein.
Downsizing und Plattformstrategie, Leichtbau und ein Spitzentempo über 250 km/h – worauf andere Hersteller großen Wert legen, ist für Rolls-Royce belanglos. Groß, schwer, handgefertigt aus edelsten Werkstoffen und für die meisten Zeitgenossen unerschwinglich – auch die achte Generation des Phantom erfüllt das, was man von ihr erwartet. Veränderungen sind erst auf den zweiten Blick oder gar nicht erkennbar.
Genau genommen gibt es sogar eine bescheidene Form von Downsizing am Phantom, denn der mächtige und kantige Kühlergrill – seit jeher Ausdruck von Kraft, Eleganz und Selbstbewusstsein (auch des Besitzers) ist eine Idee schlanker geworden, und sein abgerundeter Rahmen fließt harmonisch in die Gesamtstruktur hinein. Vor rund fünf Jahren haben Designchef Gilles Taylor und sein Team mit den ersten Skizzen für die Karosserie begonnen. Sie ist in der „kurzen“ Variante 5,76 Meter lang, bei 3,55 Metern Radstand.
Kunden mit einem noch höheren Bedürfnis nach Bequemlichkeit greifen gern zur „Extended Wheel Base“, also dem verlängerten Radstand, was künftig eine Fahrzeuglänge von 5,98 Metern zur Folge hat. Damit ist ein Phantom exakt 1,05 Meter länger als zum Beispiel ein 5er-BMW, der nun wirklich nicht in Verdacht steht, ein kleines Auto zu sein. Dass Rolls-Royce sein neuestes Produkt nicht über sechs Meter gestreckt hat, ist einleuchtend zu erklären: Für das Chauffieren von Fahrzeugen oberhalb dieser Grenze wird in China seit einiger Zeit ein Bus-Führerschein verlangt, was für das Personal betuchter Kunden dort zu Problemen hätte führen können. Deren Job ist ohnehin nicht ganz einfach, hat das neue Auto doch einen Wendekreis von fast 14 Metern.
In fließender Harmonie präsentiert sich auch das Heck des Phantom VIII. Ein weicher Schwung nimmt an der Oberkante des Fensters – wo jetzt die Antennenfinne sitzt – Anlauf und gleitet elegant herunter bis zu den Rückleuchten. Gegenläufig öffnende Fondtüren bleiben Kennzeichen des Spitzen-Rolls. Wer zu den Auserwählten gehört, den Innenraum betreten zu dürfen, kann nach den Sternen greifen. Über ihm wölbt sich der größte Funkel-Himmel, der je in einer Limousine zu beobachten war. Ein Glasfaserkabel ist in rund 1500 zarte Fäden aufgefächert, die das Licht einer einzigen LED-Quelle auf ein Meer von glitzernden Punkten verteilt.
Wie Rolls-Royce den Begriff „Kunst am Bau“ definiert, ist künftig nicht nur an der handgemalten „Coach-Line“ zu erkennen, die auf Wunsch an den Flanken des Fahrzeugs angebracht wird. „The Gallery“ lautet das Konzept der Armaturenbrettgestaltung, wo auf der Beifahrerseite hinter einer transparenten Glasfläche individuelle künstlerische Hervorbringungen aus Holz, Edelmetall oder anderen erlesenen Materialien ihren Platz finden. Monitore für die Überwachung und Steuerung zahlreicher Sicherheits- und Komfortfunktionen werden dadurch nicht überflüssig.
Auch wenn mittlerweile BMW-Motorentechniker das Zepter führen, bleibt das Maß „Sechs-Dreiviertel-Liter“ als ur-traditionelle Größe für den Hubraum englischer Luxus-Karossen erhalten. Bis 1998 wurde die Leistung von Rolls-Royce-Fahrzeugen werksseitig pauschal mit „ausreichend“ angegeben, heute weiß man es genauer: Auf zwölf Zylinder verteilt werden in dem aufgeladenen Aggregat 420 kW / 571 PS zubereitet, was einem Zuwachs von rund 110 Pferdestärken entspricht. Gleichzeitig stieg das Drehmoment auf 900 Newtonmeter. Der 2,5-Tonnen-Trumm wird damit in 5,3 Sekunden auf 100 Stundenkilometer beschleunigt, und zwar „mühelos“, wie der Hersteller gern betont. Wer die britische Verbrauchsangabe von Meilen je Gallone auf festlandeuropäische Gepflogenheiten umrechnet, kommt auf etwa 14,1 Liter/100km.
Profane Kategorien wie Sparsamkeit sind den Rolls-Royce-Kunden gewöhnlich fremd, und angesichts der zu erwartenden Stückzahlen kann als gesichert gelten, dass die Phantoms auch bei einem CO2-Ausstoß von 318 Gramm je Kilometer den Klimawandel nicht verschärfen. „Ein fairer Startpreis“ darf laut Torsten Müller-Ötvös aber erwartet werden, er dürfte um die 500 000 Euro liegen. (ampnet/afb)
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