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Glosse: Vom Primat der Technik und der S-Klasse

Wer zu den Premiumanbietern zählen will, der muss Primus sein, um als „primus inter pares“ der Erste unter Gleichen sein zu können. Jeder Primaner weiß doch, dass wir Primaten schon zur Zeit der alten Römer dazu neigten, den Wettlauf der Besten aus der Führungsposition heraus gewinnen zu wollen. Das Facelift der Mercedes-Benz S-Klasse steht an und damit die nächste Runde im ewigen Rennen um den Lorbeerkranz für den Etappensieg in Technologie. Doch in diesen Zeiten des Umbruchs, in denen das Auto wirklich automobil werden soll, sind alle schnell. Da kann sich der Erste unvermutet in der Rolle des ersten Verfolgers wiederfinden.

Von Generation zu Generation wiederholte sich bei den Flaggschiffen der deutschen Premium-Marken immer dasselbe Spiel: Ob 7er BMW, Mercedes-Benz S-Klasse oder Audi A8 und neuerdings auch Porsche mit dem Panamera – immer beanspruchte das gerade vorgestellte Modell die Führungsposition für sich, fast immer zu recht. Daran hat sich auch in der Gegenwart nichts geändert. Obwohl die ganz großen Modelle in den Unternehmen die jeweilige Spitzentechnologie immer häufiger sofort nach unten durchreichen und sie den zahlenmäßig erfolgreicheren Business-Limousinen überlassen müssen, bleibt es dennoch für jede Marke heilige Pflicht, das eigene Flaggschiff ganz vorn zu positionieren. Und da kommt dann neben den alten Römern auch schon einmal die norddeutsche Fabel vom Hasen und Igel ins Spiel, wenn Selbstverständnis, Anspruch und Vorfreude zu große Euphorie auslösen.

Für die neue Mercedes-Benz S-Klasse läuft das Wettrennen bereits. Seit 1. Januar 2017 ist Ola Källenius als Nachfolger vom Daimler- und Mercedes-Benz-Forschungsvorstand Prof. Thomas Weber dafür verantwortlich. Das Facelift der S-Klasse hat er „geerbt“. Er wird den Neuen dennoch mit Vergnügen präsentieren. Im Vorfeld sagte er jetzt „Automotive News“, einem US-amerikanischen Leitmedium der Auto-Szene aus Detroit, im Interview, die neue S-Klasse werde das erst Produktionsfahrzeug sein, bei dem Kartographie-Daten der Navigation mit den Fähigkeiten der teilautonomen Technik verknüpft werden.

Der Vorteil – so Källenius – sei, dass die S-Klasse nun die Kurven kennt und sich die Technik darauf einstellen kann. Mit der jetzigen teilautonomen Technik könne eine S-Klasse 80 Prozent der Kurven auf deutschen Autobahnen bewältigen. Mit der neuen Technik schaffe die neue S-Klasse nun auch 80 Prozent der Kurven auf deutschen Bundesstraßen teilautonom und mit angepasster Geschwindigkeit. Zu schnell in die Kurve – das soll die neue Ausbaustufe verhindern.

In Stuttgart gibt es ein zweites Unternehmen – nicht ganz so groß, aber ebenfalls weltbekannt –, das für sein aktuelles Limousinen-Flaggschiff schon im Januar sehr ähnliche Eigenschaften reklamiert: den Porsche Inno-Drive. Mit hochauflösenden Navigationsdaten und Informationen der Radar- und Video-Sensorik kenne das System Geschwindigkeits-Begrenzungen und Straßenverläufe wie Steigungen oder Kurvenradien auf den Strecken und passe Schaltstrategie wie Geschwindigkeit an. Noch nicht einsehbare Verkehrszeichen in einem vorausliegenden Streckenabschnitt könnten so früher erkannt und auch ein Kraftstoff sparendes Segelmanöver initiiert werden, beschrieb die Pressemappe das System.

Auch BMW beherrscht das Fahren nach topographischen Daten, ebenso Audi. Das zu können, war einer der Gründe, weswegen sich deutsche Automobilhersteller 2016 zusammentaten, um den finnischen Kartographie-Spezialisten Here zu kaufen. Sie alle brauchen extrem exakte 3D-Daten zu Straßenverlauf und Topographie, wenn es mit dem voll-autonomen Fahren etwas werden soll. Sie alle wollen dieses Ziel erreichen.

Da nun alle über vergleichbare oder gleiche Daten verfügen, gewinnt die Frage an Bedeutung, wer sich mit seinen Algorithmen am schnellsten vorwärts bewegt. Panamera oder S-Klasse? Oder Audi? Oder BMW? Der Ausgang des Rennens der Premiumhersteller um den Primat der Technik bringt alle schneller voran, was nicht nur den Flaggschiff-Modellen der deutschen Premium-Marken gut zu Gesicht steht und so der gesamten deutschen Automobilindustrie – Hersteller wie Zulieferer – hilft, ihre weltweite Führungsposition möglichst lange zu halten. Vielleicht sollten wir deswegen diesen speziellen Wettlauf mit einem salomonischen Urteil entscheiden: Doppelsieg für die Stuttgarter. (ampnet/Sm)

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Peter Schwerdtmann

Peter Schwerdtmann

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