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Eine komplette Branche im Sprint: ZF traut sich richtig was

Jetzt liegt auch die zweite strategische Messe des Jahres hinter uns: Die North American International Auto Show (NAIAS) schloss am Sonntag die Tore. Während die CES aks erste Ausstellung des Automobil-Kalenders mit den Begriffen „künstliche Intelligenz“ und „deep learning“ mehr die Visionen im Blick hatte, blieb die NAIAS dichter an der Gegenwart. Eine Lehre aus beiden Messen: Noch nie waren die Zulieferer so sehr Motor der Zukunft. Wir zeigen am Beispiel ZF das neue Selbstverständnis der Branche und ihrer Macher.

„ZF traut sich richtig was“, befindet Malgorzata Wiklinska. Damit meint sie nicht nur die bei der CES in Las Vegas verkündete Kooperation zwischen Grafikkarten- und Chip-Experten NVIDIA und dem Automobilzulieferer vom Bodensee. Ihr passt die Richtung. Hat sie doch – damals Referentin beim Vorstandsvorsitzenden Dr. Stefan Sommer – vor zwei Jahren die „Denkfabrik“ des Unternehmens gründen dürfen, eine kleine Gruppe von Schnell- und Querdenkern, die über neue Produkte außerhalb des heutigen Portfolios nachdenkt und sich mit der Frage befasst: „Wie können wir ZF ermutigen, schneller zu werden.“

Malgorzata Wiklinska ist 33 Jahre alt, hat Betriebswirtschaft und Maschinenbau studiert und bei einem OEM mit einem Logistikthema in der Fertigung („Ich fand Fertigung total geil“) promoviert. „Programmieren konnte ich schon vorher. Aber dabei habe ich meine Liebe für Deep Learning-Anwendungen entdeckt“, kommentiert sie diese Phase. Seit fünfeinhalb Jahren arbeitet sie für ZF, davon zwei als Chefin der Denkfabrik. „Mehr habe ich noch nicht gemacht“, kokettiert sie mit der eigenen Blitzkarriere in dem Unternehmen, das den Umsatz in den vergangenen beiden Jahren auch mit der Integration des US-Zulieferers TRW mehr als verdoppelt hat. Mit einem voraussichtlichen Jahresumsatz für 2016 von rund 35 Milliarden Euro in allen Geschäftsbereichen gehört das neue Unternehmen in der Welt der Automobilzulieferer zur Spitzengruppe.

Doch Größe ist nicht alles. Diese Überzeugung trägt auch der ZF-Vorstandsvorsitzende Dr. Stefan Sommer immer wieder auf den Lippen. In diesen Jahren des dramatischen Wandels in der Automobilwelt zählt Geschwindigkeit mindestens ebenso viel. Bei Effizienz, Sicherheit und Vernetzung wollen die Friedrichshafener mit ihren neuen Kollegen in den USA ganz oben mitspielen. Das wollen andere auch – in Deutschland zum Beispiel Bosch und die Continental. Wen wundert es da, dass der CEO auch das Ressort Forschung und Entwicklung für sich reklamiert hat.

Die Sommer-Mannschaft hat gut zu tun, das Unternehmen auf die gewünschte Struktur zu trimmen. Das geschieht längst mit Zu- und Verkäufen von Unternehmensteilen, manchmal in aller Stille, manchmal – wie beim Versuch der Übernahme des schwedischen Unternehmens Haldex – unter der vollen Aufmerksamkeit der Wirtschaftspresse. Doch neben dem Ausrichten auf die Rolle eines Systemanbieters mit der einmaligen Verzahnung von der Feinmechanik mit Sensorik, Algorithmen und Aktuatoren steht auch noch die Integration von ZF und TRW an. Das ist nur zum Teil eine Frage der neuen Organisationsstrukturen. Hier geht es um Menschen, um unterschiedliche Unternehmenskulturen. Für die Integration solch unterschiedlicher Unternehmensteile und für die Bereitschaft, neuen Ideen zu folgen, braucht es Beispiele für Menschen, die das Neue suchen sowie Zeichen und Symbole

Ein solches Symbol drängt sich beim Besuch der Unternehmenszentrale in Friedrichshafen ganz von selbst auf. Das ZF Forum als neuer Sitz der Hauptverwaltung überrascht jeden, der die bisherige Hauptverwaltung kennt. Dort ein üblicher, moderner aber braver Klinkerbau, hier eine eindrucksvolle, transparente und gar nicht bescheidene Architektur mit großer, frei zugänglicher Ausstellung im Foyer. Wenn das kein Zeichen ist.

Ein Beispiel liefert Malgorzata Wiklinska, geboren in Polen, aufgewachsen im fränkischen Hof als Kind eines polnischen Vaters und einer italienischen Mutter. „Ich mag Deutschland. Ich mag aber auch Amerika.“ Die 33-Jährige erwartet von sich Offenheit: „Wer weiß, wo ich in fünf Jahren bin? Vielleicht in Afrika, vielleicht in Europa“, sagt sie. Solche Menschen suchen die Personalchefs internationaler Unternehmen händeringend.

Jetzt geht es aber erst einmal „in den nächsten drei bis fünf Jahren“ nach Detroit, für ZF, in einer Funktion, über die sie noch nicht sprechen will. Aber die Beschreibung ihrer Aufgabe lässt den Schluss zu, dass sie wieder in Sachen Beschleunigung unterwegs sein wird. Es geht um Innovationsgeschwindigkeit durch Partnerschaft. „Es ist ein strategischer Job, für den man durchaus gutes Verständnis benötigt, welche Technologien heute da sind, welche Technologien kommen und welche ‚white spots‘ es bei ZF gibt“, sagt sie. Es gehe darum, Lücken zu schließen und Neues zu generieren.

Und ihre Denkfabrik? Die gehört in Zukunft zu einer neuen Gesellschaft, die ZF bewusst ausgegliedert hat, um ihr Bewegungsfreiheit außerhalb der normalen Strukturen zu geben. Der Name der neuen GmbH steht zweisprachig nebenbei auch für den integrativen Ansatz. „Mit der Gründung der Zukunft Ventures GmbH können wir technologische Lücken schneller füllen und neue Geschäftsfelder erschließen“, sagte Stefan Sommer im Oktober nach der Gründung.

Mit dem Geschäftsführer Torsten Gollewski will ZF einen flexiblen Ansatz verfolgen: Größere Beteiligungssummen und größtmögliche Unterstützung des Beteiligungspartners sollen eine hohe Innovationsgeschwindigkeit für beide Seiten sicherstellen. Die Beteiligungsgesellschaft hat deswegen kein festes Budget. „Wir sind nach oben offen, wenn sich Gelegenheiten ergeben“, beschreibt Gollewski, der seit Juni 2016 Leiter Vorentwicklung der ZF Friedrichshafen ist, den Ansatz. Seiner Zukunft Ventures sind weder technologisch noch geografisch Grenzen gesetzt.

Ein Beispiel für Technologien außerhalb des bisherigen ZF-Spektrums stammt aus der Denkfabrik. Wiklinska hat’s erfunden. Sie erzählt die Geschichte gern. Weil sie mehr auf ihr Smartphone als auf den Verkehr achtete, lag sie plötzlich unter einem Auto und stand mit der selbstgestellten Aufgabe wieder auf, so etwas mit einem Algorithmus zu verhindern. Das Ergebnis stellte ZF Ende November 2016 vor: „X2Safe“. Das System kann mit Fahrzeugen, Smartphones und Smartwatches kommunizieren. Es spielt dafür die Bewegungsdaten aller Beteiligten in die Cloud und analysiert das Verhalten der Verkehrsteilnehmer in der näheren Umgebung. Autofahrer, Fußgänger und Radfahrer können so frühzeitig vor Kollisionen miteinander gewarnt werden.

ZF sieht in X2Safe mehr als nur einen digitalen Rettungsring für Smartphone-Nutzer, die sich dem Display eher zuwenden als dem Geschehen um sie herum. Die Kommunikation von schwächeren Verkehrsteilnehmern über einen schnellen Mobilfunkstandard mit der Cloud und die blitzschnelle Analyse kann sich als wichtige Voraussetzung für das Autonome Fahren erweisen. Dafür liefern Systeme wie Kameras, Radar und Lidar Informationen. Doch die können nicht um die Ecke oder hinter die Hecke schauen. Überall dort, wo es keine Kommunikation von Auto zu Auto oder vom Auto zur Infrastruktur gibt, kann X2Safe diese Lücke mit dem Blick von oben – aus der Cloud - füllen.

Die Denkfabrik kann damit für sich in Anspruch nehmen, ein Produkt entwickelt zu haben, das neben dem klassischen ZF-Angebot liegt und in die Zukunft weist. Und was kann ZF vom Beispiel Malgorzata Wiklinska noch erwarten? Bei der Frage wird sie ernst: „Ich fände es schön, wenn ich weiterhin Dinge – also nicht nur Produkte – entwickeln kann, die die Menschheit und nicht nur das Unternehmen weiterbringen“, und fügt – selbst überrascht von der Dramatik dieses Satzes – an: „Leben retten. Das sollte doch unser aller Anliegen sein.“ Mal sehen, was da noch kommt. Sie sitzt bestimmt bald wieder in Cloud 7. (ampnet/Sm)

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ZF-Forum in Friedrichshafen.

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