Nissan will den europäischen Markt für leichte Nutzfahrzeuge aufmischen und bis jetzt sieht es so aus, als könnte das Unternehmen gelingen. Die Sparte LCV (für „Light Commercial Vehicles“) des japanischen Herstellers kann auf enorme Zuwachsraten verweisen. Aber werden die etablierten Marken ihm kampflos das Feld überlassen? Wohl kaum.
Nicht nur Daimler und Volkswagen sind bei den leichten Nutzfahrzeuge angesehene Hersteller, auch Renault und Fiat spielen auf europäischer Ebene eine bedeutende Rolle. Ihnen den Rang abzulaufen dürfte schwierig sein, doch Nissan führt jetzt ein neues Argument ins Feld: NV 300 ist der schmucklose Name eines Transporters, den die Kunden als Fahrgestell mit Einfachkabine, als Doppelkabine, geschlossenen Kasten oder als Mini-Bus für bis zu neun Passagiere zu Preisen ab 23 990 Euro kaufen können. Da diese Fahrzeuge zumeist gewerblich genutzt werden, geben die Hersteller zunächst Netto-Beträge an, was für die einfachste Ausführung des NV 300 einen Inklusiv-Betrag von 28 548,10 Euro ergibt.
Der Transporter erweitert das vorhandene Angebot auf sieben Fahrzeuge, wovon der Nissan Navara das bekannteste darstellt. Der Pick-up hat seinen Platz bei Lifestyle-Kunden mit aktivem Lebensstil ebenso gefunden wie bei jenen, die als Gewerbetreibende regelmäßig eine Tonne Nutzlast auf der offenen Ladefläche transportieren müssen. Der NV 300 wendet sich in erster Linie an Kleinunternehmer, Handwerker und Händler. Nissan hat sie deshalb als bedeutsamen Teil der europäischen Ökonomie identifiziert, weil sie in diesem Wirtschaftsraum rund 86 Millionen Menschen beschäftigen. Nissan nimmt für sich in Anspruch, derzeit der am schnellsten wachsende Hersteller leichter Nutzfahrzeuge in Europa zu sein.
Das in seiner Basisversion nahezu fünf Meter lange Fahrzeug wird von einer Allzweckwaffe aus dem Renault-Regal angetrieben. Der 1,6 Liter große Vierzylinder ist in vier Leistungsstufen zwischen 70 kW / 92 PS und 107 kW / 145 PS zu bekommen. Durch die Kombination eines kleinen mit einem größeren Turbolader steht über ein breites Drehzahlband eine stabile Durchzugskraft zur Verfügung. Das maximale Drehmoment liegt je nach Ausführung zwischen 260 und 340 Newtonmetern. Die sparsamste Variante soll auf 100 Kilometer nicht mehr als 5,6 Liter Diesel verbrauchen, weshalb Nissan Reichweiten von mehr als 1300 Kilometern verspricht. Als Kraftübertragung kommen wahlweise eine Sechs-Gang-Handschaltung oder eine sechsstufige Automatik zum Einsatz. Auf das im Pkw-Bereich kaum noch weg zu denkende Start-Stopp-System können sich die Kunden des NV 300 optional verlassen, allerdings sind auch Versionen erhältlich, in denen auf diese Einrichtung verzichtet wird.
Ähnlichkeiten mit dem europäischen Konzern-Vetter vom Typ Trafic sind nicht nur außen, sondern auch in der Kabine nicht zu übersehen. Die Cockpit-Elemente gefallen wahrscheinlich denjenigen am besten, die ein Faible für avantgardistisches französisches Design haben. Große, zweckmäßige Staufächer, ein klug platzierter Schaltknüppel, bedienungsfreundliche Tasten und Knöpfe werden kontrastiert von tubenförmigen Einfassungen, gähnenden Ablage-Öffnungen und Ausströmern unterschiedlicher Geometrie, so dass die ganze Innenarchitektur eher provozierend als beruhigend harmonisch wirkt. Von Renault ebenfalls geerbt hat der NV 300 den ausklappbaren Getränkehalter, dessen Einsteckmulde so flach ist, dass jede 0,5-Liter-Flasche bei scharfem Anfahren unweigerlich herauspurzelt und ihre Ruhelage auf dem Boden sucht.
Unstrittig ist, dass ein Nutzfahrzeug nicht in erster Linie schön sein muss – weder von innen, noch von außen. Zweckmäßigkeit ist oberstes Ziel, die Chance, sperriges Gut oder eine Anzahl von Passagieren wirtschaftlich und sicher von A nach B zu transportieren. Die Kapazität von drei Europaletten ist beim NV 300 Standard. Um den Nutzern, die selten nur Fahrer, sondern oft ihre eigenen Chefs oder einer von weniger als fünf Mitarbeitern sind, die Arbeit zu erleichtern, haben die Konstrukteure an eine Dockingstation für Tablets und/oder eine Ablage für ein Laptop gedacht. Der Fahrersessel ist oft genug auch Arbeitsplatz für die Auswertung einer Dienstleistung, Eingabe einer Bestellung oder Abgleich von Kundendaten. Nissan-Connect gehört daher ebenso zum optionalen Angebot des Herstellers.
Der im Normfall auf 5,2 Kubikmeter Ladevolumen ausgelegte Kofferaufbau mit Schiebetür wird von großzügig angelegten LED-Leuchtenbändern erhellt. Es gibt reichlich Verzurrösen und die Möglichkeit, überlange Bauteile, wie etwa Leitungsrohre, durch eine Öffnung in der Wand zur Fahrkabine bis unter die Sitze dort hindurch zu schieben. Selbst der Transporter mit dem kurzen Radstand – er misst knapp 3,10 Meter – kann so Ladungsstücke von bis zu 4,15 Metern Länge aufnehmen. Die Langversion bietet noch 40 Zentimeter mehr zwischen den Achsen.
Für die Hersteller von leichten Nutzfahrzeugen wird es immer wichtiger, den Kunden Ausstattungsmerkmale zu bieten, die sie auch in ihren privat genutzten Pkw vorfinden. Das hat dazu geführt, dass Komforteinrichtungen wie eine Berganfahrhilfe, Rückfahrkamera oder ein Toter-Winkel-Assistent angeboten werden. Allerdings sind sie sämtlich aufpreispflichtig oder Bestandteil von höherwertigen Ausstattungslinien, die entsprechende Zuschläge erfordern. Ein neunsitziger Combi beispielsweise mit dem Ausstattungslevel Premium schlägt dann mit 40 632,55 Euro inklusive Mehrwertsteuer zu Buche.
Doch nicht nur mit Komfort will Renault bei den Gewerblern punkten. Eine Fünf-Jahres-Garantie (bis zu 160 000 Kilometer) sowie auf 40 000 Kilometer gestreckte Service-Intervalle sollen den sparsam kalkulierenden Kaufleuten, Handwerkern und Kleinflotten-Betreibern den NV 300 als wirtschaftliches Firmenauto schmackhaft machen. (ampnet/afb)
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