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Historie & Histörchen (36): Ein Schlößchen statt Investitionen

Legros und Delage – zwei Namen, die für eine große Ära des Fahrzeugsbaus in Frankreich standen. Von den sportlichen Erfolgen und den exklusiven Hobbys erzählt Hanns-Peter von Thyssen-Bornemissza, ein Journalist und Fachbuchautor, den ältere Kollegen noch unter dem Namen Hanns-Peter Rosellen kennen

Augustin Legros und Louis Delage besaßen zusammen eine winzige Automobil-Schmiede. Weil sie gute Autos schufen, fand sich um 1918 ein Investor, der viel Geld in die kleine Werkstatt pumpen wollte. In Tag- und Nachtarbeit stellte Legros Listen zusammen, was von dem vielen Geld alles angeschafft werden sollte. Doch als die Listen fertig waren ,teilte ihm sein Freund Delage freundlich mit, das er das Schlösschen De Pecq, von dem er schon lange schwärmte, für sich gekauft habe.

Austin Legros war entsetzt, musste sich aber mit der Situation abfinden, zumal dieser Kauf keine unmittelbaren Folgen – der Überlieferungen zufolge – hatte. Die Geschichte zeigte aber den Hang von Delage zu einem pompösen Lebensstil auf und seinen Hang zum Spendieren, auch wenn andere daran teilhatten. Als sein Wagen 1911 den Grand Prix de Voiturette gewann, lud er seine 80 Mann-Belegschaft zu einem Gala-Dinner ein und führte für sie sechs Tage bezahlten Urlaub ein – unter Unternehmern ein Skandal. Sein unbekümmerter Umgang mit Geld stammte aus der bisherigen Erfahrung, immer später Erfolg gehabt zu haben. Sein Hang zum Feudalen war wohl auch darauf zurückzuführen, dass er aus ärmlichen Verhältnissen stammte.

Louis Delage wurde 1873 als Sohn eines Eisenbahn-Stationsvorstehers in Cognac geboren. Als 15jähriger wurde er zur technischen Ausbildung auf die „Ecole des Artes et Metiers" in Angers geschickt, wo er sein Ingenieurstudium mit Diplom abschloss. Nach einigen Wanderjahren trat er bei der Firma Peugeot ein und wurde dort bald Chef der Entwicklungsabteilung. 1905 beschloss er, sich zusammen mit seinem Freund, Augustin Legros, ebenfalls Ingenieur bei Peugeot, selbstständig zu machen. Weil ihr Kapital klein war, bauten sie in Lohnarbeit Teile für den längst verschwundenen Helbe-Wagen. In der kleinen Werkstatt im Pariser Vorort Levallois-Perret standen nur eine Handvoll Werkzeugmaschinen, an denen aber Tag und Nacht gearbeitet wurde.

Bald ging Delage daran, eigene Wagen zu bauen. Zum Pariser Autosalon 1906 zeigten er zwei Delage-Voiturettes mit De Dion-Einzylindermotoren. Noch 1906 nahm Delage damit an einem Rennen teil und belegte gleich den zweiten Platz. Damit war der Weg frei zu interessierten Kunden. Bis in die zwanziger Jahre waren die sportlichen Aktivitäten von Delage von vielen Erfolgen gekrönt.1908 heuerte der Betrieb den Konstrukteur Causan an und entwickelte einen eigenen Einzylindermotor. Für die zum Verkauf angebotenen Wagen wurden nun neben den De Dion-Einzylindermotoren auch eigene und von Ballot gelieferte Vierzylinder-Triebwerke eingesetzt.

Drei Jahre später,1911, ging Delage als Sieger beim Grand Prix de Voiturette hervor. Die Rennwagen von Delage belegten den ersten, den dritten und vierten Platz. Die Delage-Vierzylinder waren sehr unkonventionell und trugen schon ein Fünf-Gang-Getriebe. Erneut wurde die Fabrik zu eng, und so entstanden in Courbevoie neue Hallen und Gebäude, wo bald neben den 1,4 Liter-Motoren auch solche mit 2,6 Liter-Sechszylindern gebaut wurden.

Sportliche und kommerzielle Erfolge gingen Hand in Hand. Bald feierte Delage den neuen 6,2 Liter-Vierzylinder-Rennwagen, der beim Grand Prix de France in Le Mans 1913 einen Doppelsieg einfuhr. Bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs feierte Delage weiterhin große Rennerfolge, während des Kriegs musste die Produktion auf Kriegsgerät umgestellt werden. Als 1918 der Krieg endete, erkannte Legros, das die inzwischen auf 3000 Mann gewachsene Belegschaft neu organisiert werden musste. Der während des Kriegs heimlich entwickelte CO war nun serienreif, er trug einen 4,5 Liter Sechszylindermotor, der 75 PS leistete. Das Fahrgestell war sehr sorgfältig gebaut worden und zeichnete sich durch Vierradbremsen aus. Somit war Delage die erste Firma in Europa, die serienmäßig auch die Vorderräder mit Bremsen ausrüstete.

Um die Leistungen seines neuen Wagens unter Beweis zu stellen, soll Louis Delage 1920 eigenhändig einen englischem Motorjournalisten in sechs Tagen über 4200 km weit chauffiert haben. Bald folgte der Typ BO als Vierzylinder und im weiteren Verlauf sollten in der Bernard-Fabrik leichte Wagen mit Ballot-Motoren gebaut worden sein. Delages Ehrgeiz zog es in die höchste Klasse, zu einem Luxuswagen, dessen Konstruktion damals begann

1923 entstand auch ein neuer Rennwagen mit einem Zwölf-Zylinder-Motor mit 10,6 Litenr Hubraum und 280 PS, der beim ersten Einsatz beim Gallion-Bergrennen siegte und im folgendem Jahr 1924 mit 230,5 km/h einen Weltrekord für die Marke sicherte. Der im blanken Aluminiumkleid präsentierte Bolide kam später nach England.

Delages Traum vom großen Luxuswagen wurde 1923 Realität. Auf dem Pariser Autosalon 1923 stand der Typ GL (Grand Luxe), den der Ingenieur Sainturat entworfen hatte, mit einem Sechszylinder-6 Liter-Motor, mit siebenfach gelagerter Kurbelwelle und walzenförmigen Kurbelarmen zur Verminderung von Vibrationen. Der Motor leistete etwa 85 bis 100 PS. Doch dem mit höchstem Luxusanspruch gebauten Wagen blieb der Verkaufserfolg versagt.

Louis Delage hatte seinem damaligen Chefkonstrukteur Albert Lory aufgefordert, einen ganz neuen Rennwagen zu entwerfen mit Achtzylindermotor und 170 PS Leistung. Doch da schon wieder die Rennformel geändert wurde, entschied Delage die Renntätigkeit ganz aufzugeben.

1927 erschien der Typ DM mit 3,2 Liter-Sechszylindermotor. Zum Pariser Autosalon 1929 zeigte Delage einen neuen Luxustourenwagen, der als bedeutungsvollstes Modell in die Firmengeschichte eingehen sollte. Der Acht-Zylinder-Reihenmotor besaß 4,4 Liter Hubraum und 100 PS Leistung, womit je nach Aufbau eine Spitze von 130 bis 140 km/h erreicht werden sollte. Mit seinem majestätischen Kühler, der in jahrelanger Urform dem Hispano-Suiza-Kühler ähnelte, seinen Marshal-Scheinwerfern und den breit ausladenden Kotflügeln hatte der Wagen ein ansprechendes Gesicht. Die dezent in blauem Emaille und Silber gehaltene Markenplakette entsprach dem Charakter des Wagens weit mehr als die Kühlerfiguren, die dem fliegenden Storch und der Silverlady nacheiferten.

1932 erreichte die französische Karosseriebaukunst ihren Höhepunkt. Allein dem von Louis Delage autoritär geführten Betrieb fehlte zunehmend die Basis, große Stückzahlen zu verkaufen. Zwar hatte man den Motorsport aufgegeben, doch die radikalen Wechsel und die sprunghafte Modellpolitik zwangen zu kostspieligen Entwicklungen. Anscheinend führte Louis Delage ein immer aufwendigeres Privatleben. Auf dem Höhepunkt seines Schaffens waren immer feudalere Bankette und Empfänge in seinem Schloss keine Seltenheit. Im Betrieb ließ er sich von niemandem dreinreden. Sein Ziel war es, höchste Perfektion zu erreichen.

Finanziell ging es seinem Unternehmen – auch bedingt durch die Wirtschaftskrise – immer
schlechter. 1933 überwarf sich Louis Delage mit dem neuen Verwaltungsrat seiner Firma. Der zwang ihn schließlich, gegen eine bescheidene Pension, sich ganz aus der Firma zurückzuziehen. Wie schwer es einen Mann traf, der wie ein Fürst gelebt hatte, mag man nur ahnen. Louis Delage verlebte seine letzten Jahre in Paris und starb 1947. Sein Grab befindet sich auf dem Friedhof von Le Pecq, unweit seines Schlosses.

Die Firma Delage wurde 1934 von der Fima Delahaye geschluckt, die damals gerade einen großen Aufschwung erlebte und sich ganz dem Motorsport verschrieb. Unter der Regie von Delahaye wurde das Typenprogramm bei Delage neu geordnet, ein neuer 4,4 Liter-Zwölfzylinder wurde geschaffen und in ein Stromliniencoupe gesetzt. Es erhielt eine vom Aerodynamiker Andreau entworfene und von Lambourdette gebaute Stromlinienkarosserie mit stark geneigter, pfostenloser und rundgezogener Windschutzscheibe und mit Heckflosse. Die Hinterräder waren tief heruntergezogen verdeckt.

Dieses offenbar nur in einem Exemplar gebaute Superautomobil war die Sensation des Pariser Autosalons 1936. Spätere Sporteinsätze endeten erfolglos.1938 verunglückte der Wagen mit dem Fahrer Joseph Paul, wobei ein Mädchen und der Austin-Ingenieur Jamieson als Zuschauer ums Leben kamen. 1937 wurde das breite Delage-Programm nochmals erweitert mit einem 4,7 Liter-Achtzylinder-Motor und 110 PS. Diese großen Wagen erhielten als besondere Attraktion vorn außenliegende, in Chromschläuchen verpackte Auspuffrohre. Auf diese Fahrgestelle wurden einige sehr schöne Karosserien aufgebaut, deren Linie etwas aufdringlich und modebetont wirkten, etwa das Cabriolet von Fischoni & Falaschi von 1939 mit sehr breiten Chromstreifen, hochschwingenden Kotflügeln und zwischen Kotflügeln und Kühler liegenden Scheinwerfern, sowie verdeckten Vorderrädern.

Dem späteren Grand Tourismo entsprach die harmonische Linie von Letourneur & Marchand. Der Coach mit den hinten sehr tief gezogenen Kotflügeln trug auch das Cortal-Vorwahlgetriebe, das für einen bisher unbekannten Bedienungskomfort sorgten sollte. Dieses Spezialgetriebe bot vier Gänge und einen Umschalter für die Rückwärtsfahrt, wodurch auch hier vier Getriebestufen zur Verfügung standen.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurden nochmals Hoffnungen wach. Ab 1947 wurde nur noch der Drei-Liter-Sechszylinder mit 82 PS angeboten. 1948 betrug die Produktion nur noch 92 Fahrgestelle. Die dann folgende, unverhältnismäßig hohe Besteuerung größerer Automobile in Frankreich gab der Marke den Gnadenstoß.1953 wurde Delahaye von Hotchkiss übernommen, 1953 strich der neue Eigentümer den Namen Delage.1955 endete die Geschichte von Delahaye. Von 1895 bis 1954 wurden etwa 25 000 Delahaye- und Delage-Wagen gebaut.

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Delage Voiturette von 1906.

Delage Voiturette von 1906.

Foto: Wikipedia

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Delage von 1913.

Delage von 1913.

Foto: von Thyssen

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Delage 2LCV-Rennwagen von 1924.

Delage 2LCV-Rennwagen von 1924.

Foto: Wikipeia/Thesuoermot

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