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Historie und Histörchen (18): Hinter dem Rücken der Kommunisten

Von der Entwicklung des ersten Wartburg mit den Vorfahren DKW und BMW erzählt Hans-Peter Thyssen von Bornemisza, ein Journalist und Fachbuchautor, den ältere Kollegen noch unter dem Namen Hanns-Peter Rosellen kennen. Der 1941 geborene Dresdner war Redakteur bei folgenden Blättern: "Deutsche Auto-Zeitung“, der heutigen „Auto-Zeitung“, "Die Welt“, „Welt am Sonntag“ und „Bunte“, zuletzt als geschäftsführender Redakteur. Viele Konstrukteure deutscher Nachkriegs-Mobile wurden von ihm persönlich befragt. Diese Recherchen führten nicht nur zu Fachbüchern, sondern auch zu Anekdoten aus den Jahren, als das Auto in Deutschland wieder laufen lernte.

Das Zentralkomitee der kommunistischen Partei legte fest, dass aus gesellschaftlich-politischen Gründen keine BMW-Wagen mehr im ehemaligen BMW Zweigwerk Eisenach entstehen durften. 1946 war das Werk der sowjetischen Aktiengesellschaft Awtowelo angegliedert worden, angeblich nach Protesten der Belegschaft zum 1. Mai 1946. Unter Awtowelo-Regie entstanden noch aus Ersatzteilen BMW- und später EMW-Wagen.

1952 wurde das Zweigwerk verstaatlicht und zum Volkseigenen Betrieb umgewandelt. Es sollte nun auf der Basis des Ifa F-9 eine Mittelklasse-Limousine entstehen. Der Ifa F-9 wiederum basierte auf dem ehemaligen DKW F-9 von 1940. Der Betriebsleiter des Eisenacher BMW-Werks, Albert Siedler, war 1952 in den Westen geflohen, sein Nachfolger wurde Martin Zimmermann. Als langjähriger BMW-Mitarbeiter war der überzeugt, dass ein Auto vier Türen haben müsse. Ohne das Wissen der neuen Machtstrukturen förderte Zimmermann die Konstruktion einer Limousine, welche die Nachfolge des DKW F-9 antreten sollte.

Der Modellgestalter Hans Fleisch stellte daraufhin mit dem Modell „F9/p“ einen Prototypen auf das nur wenig geänderte IFA-Frontantriebs-Fahrwerk. Das Fahrwerk des DKW F-9 wurde im Radstand um 10 cm verlängert. Der Wagen trug am Bug eine über die ganze Wagenbreite gezogenen schmalen Kühlergrill. Der Wagen hatte vorn in die Karosserie einbezogene Kotflügel, die hinteren Kotflügel standen leicht hervor. Der große Kofferraumdeckel war ebenfalls gerundet. Die Front- und die Heckscheibe waren leicht gerundet.

Doch der Prototyp hatte nur zwei Türen, was Martin Zimmermann gar nicht gefiel. Er pochte darauf, dass die Form nochmals geändert wurde. Die Limousine trug nun nicht nur vier Türen, sondern auch drei Seitenscheiben. Die hintere Seitenscheibe war als Ausstellfenster ausgelegt. Unter der langen Motorhaube arbeitete der aus dem Vorkriegs-DKW F-9 bekannte Drei-Zylinder-Zweitakt-Motor mit 900 ccm Hubraum, der durch Modifikationen und Steuerzeiten auf 37 PS erstarkte. Das Vier-Gang-Getriebe mit Lenkradschaltung stammte bis auf die leicht geänderte Übersetzung ebenfalls vom F-9.

Der Prototype schon einen abschaltbaren Freilauf, der gerade beim Zweitakter den Fahrkomfort erhöhte. Ebenfalls vom F-9 kam die vordere Einzelradaufhängung und die hintere starre Schwebeachse mit Querblattfeder. Der damals noch BMW 311 genannte Wagen löste ein derart positives Echo aus, dass Helmut Wunderlich, damals Minister für Allgemeinen Maschinenbau in der neu gegründeten Deutschen Demokratischen Republik, keine andere Wahl blieb, als den Serienanlauf zu bestätigen. Im Oktober 1955 verließen die ersten Vorserienwagen die volkseigenen Eisenacher Werkshallen. Trotz des Erfolges hatte die Entwicklung für Martin Zimmermann noch Folgen. Weil er den Wagen ohne staatliche Absegnung realisiert hatte, wurde Martin Zimmermann zu 5000 Mark Strafe verurteilt. Die erhielt er aber später zurück – nun als Prämie für die erfolgreiche Entwicklung des Wartburg.

Auf der Leipziger Frühjahrsmesse 1956 konnte das Publikum den nun „AWE (Autowerke Eisenach) Wartburg“ getauften Wagen bewundern. Der Wagen mit schmalen Kühlergrill hatte eine halbselbsttragende Bauweise und Stahlblech-Karosserie. Maße: 4,31 x 1,57 x 1,45 m. Das Leergewicht betrug 960 kg. Die Hinterachse des Wartburgs wurde gegenüber der des DKW F-9 verstärkt. Damit erreichte die viertürige Wartburg-311-Limousine eine Höchstgeschwindigkeit von 115 km/h, der Verbrauch wurde mit 9,8 l/100 km angegeben.

Noch von Konstrukteuren des 1957 aufgelösten Eisenacher Rennkollektivs entwickelt, lief bereits 1959 ein neuer, wassergekühlter Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor mit 1,1 Liter Hubraum und 45 PS Leistung erfolgreich in der Serienerprobung und wurde sogar schon zur "Rallye Mitternachtssonne" in Schweden eingesetzt. Er war vorgesehen für den Einbau im Wartburg entweder vorn vor der Vorderachse oder in Unterflurbauweise mit Heckantrieb. Geplant war es später, den Wartburg wahlweise mit Zwei- oder Viertakt-Motor anzubieten.

Doch die Verantwortlichen wollten ihn nicht, weil ein Viertakt-Motor mehr Service-Stationen erfordert hätte.1959 verkündete Kurt Lang, Generaldirektor der Vereinigung Volkseigener Betriebe, Automobilbau, dass ein Viertaktmotor für den Wartburg nicht erforderlich sei. Vielmehr solle der Zweitakt-Motor vervollkommnet werden. Ab Oktober 1958 erhielt der Wartburg einen eleganteren Kühlergrill, die Motorleistung stieg auf 38 PS, wenig später auf 40 PS, das Getriebe war nur noch im 1.Gang unsynchronisiert.

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Wartburg 312 (1965–1967)

Wartburg 312 (1965–1967)

Foto: Supercone/Wikipedia

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AWE Wartburg 1000.

AWE Wartburg 1000.

Foto: von Thyssen

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AWE Wartburg-Studie Bellevue.

AWE Wartburg-Studie Bellevue.

Foto: von Thyssen

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AWE Wartburg II.

AWE Wartburg II.

Foto: von Thyssen

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Wartburg 313 (1957–1960).

Wartburg 313 (1957–1960).

Foto: Klaus Nahr/Wikipedia

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