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Gehört dem Fahrrad die Zukunft im Stadtverkehr?

Fahrräder sind trendy. Es gibt sie mittlerweile so gut wie für jeden Zweck und jede Zielgruppe. Selbst Manager können mittlerweile damit vor der Firmenzentrale vorfahren, ohne belächelt zu werden. Im Gegenteil: Ihnen ist sogar gesellschaftliche Anerkennung sicher. Der zunehmende Fahrradverkehr bereitet mittlerweile selbst der deutschen Fahrradhochburg Münster Probleme, bietet nach Einschätzung von Experten aber auch große Chancen für den Stadtverkehr der Zukunft. Und mit dem Pedelec werden sogar Radschnellwege zwischen mehreren Orten denkbar.

Rad fahren hält gesund, schont die Umwelt und den Geldbeutel und benötigt weit weniger Platz als der Autoverkehr. „Es gibt bereits zwei Millionen E-Bikes, aber noch lange keine eine Million E-Autos“, verdeutlichte Gunnar Fehlau vom Pressedienst-Fahrrad in Göttingen auf einer Veranstaltung des Deutschen Verkehrssicherheitsrates etwas provokant das derzeitige Potenzial. Für ihn wurde mit den batteriegestützten Fahrrädern das Rad gewissermaßen noch einmal neu erfunden. Längst sind Pedelecs (bis 25 km/h) vom belächelten Seniorenprodukt zum Lifestyle-Accessoire aufgestiegen. Und sie sind in den verstopften Innenstädten der Metropolen schnell und effizient. Der gern zitierte „eingebaute Rückenwind“ (Fehlau: „Für 250 Watt muss man ansonsten schon sehr lange trainieren“) ermöglicht Radien, die bislang nur unter großen Mühen und hohem Zeitaufwand zu bewältigen waren. Das Land Nordrhein-Westfalen hat darauf reagiert und Radwege planerisch den Landesstraßen gleichgestellt. Es hat sieben Projekten für einen 101 Kilometer langen „Ruhrschnellweg“ für Radler angeschoben. Und auch Münster arbeitet an der Idee stadtnaher regionaler Fahrradwege für Pendler aus dem Umland.

Doch auch der herkömmliche Drahtesel bietet in der City gegenüber dem Auto Vorteile. Ohnehin sind gut die Hälfte aller Autofahrten in der Stadt nicht länger als fünf Kilometer, und selbst Berufspendler haben Untersuchungen zu Folge häufig nur maximal zehn Kilometer Weg bis zur Arbeit zurückzulegen. Im fahrradfreundlichen Kopenhagen nennen die meisten Nutzer auch nicht den Umweltaspekt als Grund fürs Pedalentreten, sondern dass sie so am schnellsten von A nach B kommen. So hat selbst der ADAC ein innerstädtisches Pilotprojekt mit Pannenhelfern auf zwei Rädern und Fahrradanhänger für die Ausrüstung gestartet. Und jüngst rücken Lastenfahrräder für den Warentransport verstärkt in den Fokus.

Radverkehr müsse angesichts der aktuellen Entwicklung „neu definiert und neu dimensioniert“ werden, meint Franz P. Lindner vom Kölner Planerbüro Südstadt. Der Öffentliche Personennahverkehr erreiche in vielen Städten bereits seine Kapazitätsgrenzen, vom Pkw-Individualverkehr ganz zu schweigen. Mit der Ausrichtung auf eine fahrradfreundlichere Infrastruktur könnten Kommunen hier Entlastung schaffen, betont Lindner. Und Geld sparen könnten sie auch, denn eine autofreundliche Infrastruktur benötigt mehr Fläche und kostet mehr.

So muss mittlerweile selbst Deutschlands Fahrradhauptstadt umdenken. Münster hat sehr früh die Grundlagen für eine Förderung des Fahrradverkehrs gelegt, stößt aber mit zunehmender Nutzung und parallel gestiegenem Autoaufkommen immer öfter an seine Grenzen. Es gibt Stellen in der Stadt, in denen über 1500 Radfahrer in einer Stunde gezählt werden. Die Radwege sind an vielen Stellen zu schmal geworden, was vor allem bei Überholmanövern zur Gefahr wird. Das gilt sowohl für den Radweg selbst als auch für die Straße, denn die Straßenverkehrsordnung sieht keinen gesetzlich vorgeschrieben Mindestabstand vor, wenn ein Pkw-Führer einen Radfahrer überholt. Es bleibt beim allgemeinen Hinweis, dass ein ausreichender Sicherheitsabstand einzuhalten ist. Der beträgt nach gängiger Juristeneinschätzung in der Regel rund anderthalb Meter.

So sind nach Angaben von Diplon-Ingenieur Stephan Böhme vom Amt für Stadtentwicklung und Verkehrsplanung über 40 Prozent aller in Münster verunglückenden Verkehrsteilnehmer Fahrradfahrer. Mit einem umfangreichen Verkehrssicherheitsprogramm versucht die Verwaltung zusammen mit Partnern Prävention zu betreiben. Unfallhäufungsstellen wurden entschärft, das Radwegenetz wurde einer kompletten Revision unterzogen und das Geschwindigkeitsniveau auf den Hauptverkehrsstraßen abgesenkt. Dazu wurden eine Vielzahl von baulichen Maßnahmen und Markierungen umgesetzt. Ergänzend wurden diverse Kampagnen zu bestimmten Fehlverhaltensmustern entwickelt, Kino- und Radiospots geschaltet und im Rahmen von Schwerpunktaktionen die Überwachung verstärkt und Aufklärung geleistet.

Autofahrer müssen sich auch oft erst noch daran gewöhnen, dass im 21. Jahrhundert plötzlich ein Rentner auf dem Rad „angeschossen“ kommt und nicht mehr nur der jugendliche Draufgänger oder der sportliche Rennfahrer mit Tempo unterwegs ist. So waren von 39 im Jahr 2014 tödlich verunglückten Pedelecfahrern 32 über 64 Jahre alt, wie Franz Linder zu berichten weiß.

So wie die Kommunen mit der Entwicklung nicht Schritt gehalten haben, hinken viele Radfahrer noch mit dem eigenen Problembewusstsein hinterher. Rad fahren ohne Licht gilt vielen immer noch nur als Kavaliersdelikt, 80 Prozent sind mit zu wenig Luft im Reifen oder schlecht geölter Kette unterwegs, wie Gunnar Fehlau feststellt. Von mangelhaften oder auch nur schlecht eingestellten Bremsen einmal ganz abgesehen. Vor jeder Fahrt sollte die Prüfung der Funktionstüchtigkeit aller wichtigen Teile daher selbstverständlich sein. Die eigene Sicherheit fängt für Fehlau schon beim Kauf an: mit der Wahl des individuell geeigneten Fahrrads. Ein Helm sollte ebenso selbstverständlich sein. In der dunklen Jahreszeit können zusätzliche Reflektoren am Rad oder an der Kleidung lebensrettend sein. Auch eine clevere Streckenwahl kann die eigene Sicherheit erhöhen. Notfalls sollten auf regelmäßigen Fahrten ein, zwei Kilometer und ein paar Minuten mehr einkalkuliert werden, wenn es sich dadurch weit entspannter Radeln lässt und allzu dichter Autoverkehr umgangen werden kann.

Offensichtlich kommt es bei der Sichtweise aber auch immer darauf an, welches Verkehrsmittel man gerade benutzt: 90 Prozent aller Radfahrer sind nämlich auch Autofahrer – und umgekehrt natürlich. (ampnet/jri)

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Pedelec.

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Lastenfahrrad.

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Pedelec im Straßenverkehr.

Pedelec im Straßenverkehr.

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Klappfahrrad.

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Foto: Strida

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ADAC-Pannenhilfe per E-Bike.

ADAC-Pannenhilfe per E-Bike.

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Messe „Fahrrad Essen“: Fahrräder gibt es für jeden Zweck und jeden Typen.

Messe „Fahrrad Essen“: Fahrräder gibt es für jeden Zweck und jeden Typen.

Foto: Messe Essen

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