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Kommentar: Von Mauern und Menschen

Pressesprecher sind alle schizophren. Journalisten werden diesem Satz nicht widersprechen; denn für sie sind Pressesprecher nette Menschen, die für die Wahrhaftigkeit verloren sind. Wenn sie sich selbst gegenüber ehrlich sind, werden auch Pressesprecher dieser Aussage zustimmen. Denn ihr tägliches Geschäft besteht darin, ihrem Unternehmen den Glanz zu verschaffen, den es verdient. Aber im tiefsten Inneren sehnen sie die große Herausforderung herbei – die Krise, in der sich der ganze Pressemann beweisen kann.

Die Generation der Pressesprecher, die bei einer Attacke von außen die Schotten freiwillig und von sich aus dichtmacht, genießt heute die Pension. Nur wenige haben ihren Nachfolgern diese Strategie vererbt. Die Jüngeren wollen Transparenz, wenn auch nur so viel, dass das Unternehmen nicht ernsthaft Schaden nimmt. Diese Generation arbeitet nach dem Motto: Das Beste, was ein Pressemann mit seiner Arbeit an guten Beziehungen mit Journalisten erreichen kann, ist, dass der Journalist fragt, bevor er losschlägt.

Aber dann kommt die Krise. Im Unternehmen ziehen die einen den Kopf ein, die anderen nicht. Jetzt sollte der Pressesprecher den Überblick behalten. Das hat er vielfach im Kopf und in Planspielen vorgedacht. Aber nur die ganz erfahrenen Profis unter ihnen wissen, was wirklich auf sie zukommt: Mauern, gegen die auch Pressesprecher mit den besten Vorsätzen prallen: Rechtsabteilung, Staatsanwalt, eigene Ermittlungen, der Vorstand, das Kraftfahrbundesamt, die US-Behörde Environmental Protection Agency (EPA), das noch schärfere California Air Ressources Board (Carb), die Europäische Union, Minister, die die Chance nutzen, ganz Staaten, die Klagen androhen, jubilierende Pressure Groups wie die Deutsche Umwelthilfe (DUH), unwissenschaftliche Studien, die auf einmal von Toten sprechen, die Börsenaufsichten in den USA und in Deutschland, aber auch Interne, die immer noch den Kopf einziehen.

Großes Unternehmen, große Mauern, großer Ärger mit den Medien, die alle Mauern kennen, aber deren Einfluss auf den Pressemann nicht akzeptieren. Müssen sie auch nicht; denn ihre Aufgabe ist es, den Dingen auf den Grund zu gehen, erst recht in einem Fall wie bei Volkswagen mit den vielen Millionen betroffenen Kunden. Da kommt auf beiden Seiten des Schreibtisches Frust auf. Dagegen hilft nur reden.

Am Freitag vergangener Woche landete eine in Form und Stil fast bescheiden anmutende Einladung auf unserem Redaktionstisch. Die Wolfsburger Kommunikatoren luden zu einem ersten Pressegespräch ins Volkswagen-Stammwerk ein. Der Neue, Hans-Gerd Bode, jetzt Leiter Konzernkommunikation, Außenbeziehungen und Investor Relations, suchte das Gespräch mit den gut 50 anwesenden Medienvertretern vor dem Hintergrund einer der wenigen guten Meldungen seit Wochen: Die Lösungen für den EA189-Skandaldiesel sind fertig, und sie sind offenbar so einfach, dass sich die Frage sofort aufdrängte, warum nicht gleich so?

Aber weniger wichtig als die technische Antwort auf diese Frage war in diesem Fall, dass wesentliche Vertreter der Kommunikation vor den Journalisten standen: neben Hans-Gerd Bode, Eric Felber als kommissarischer Leiter der Konzernkommunikation Unternehmen und Wirtschaft, Michael Brendel als kommissarischer Leiter der Konzern Investor Relations und Pietro Zollino als Koordinator der Produktkommunikation der Konzern-Marken. Die Volkswagen-Kommunikation zeigt wieder Gesicht. Das hätte früher geschehen sollen. Aber Bode nutze mit diesem ersten Mediengespräch die Chance, in die Vermittlerrolle der Kommunikation zwischen dem größten deutschen Unternehmen und den Medien zurückzukehren. Er konnte ankündigen, dass Vorstand und Aufsichtsrat im kommenden Monat der Presse Rede und Antwort stehen werden.

Es wäre für alle gut, wenn sie dabei einen glaubwürdigen Schlusspunkt setzen könnten. Dann können wir alle zur gewohnten Medien-Schizophrenie zurückkehren. (ampnet/Sm)

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Peter Schwerdtmann

Peter Schwerdtmann

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