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Jost Capito: Die Mechaniker sind Teil des Wettbewerbs

Wechselhaftes Wetter, hunderttausende finnische Fans, 188 000 Seen und noch mehr Bäume. Der achte Lauf zur Rallye-Weltmeisterschaft in Finnland gilt als „Formel-1 im Wald“. Mit 200 km/h über enge Schotterpisten – links und rechts nur Bäume. Ein Fehler kann fatale Folgen haben. Wie er und sein Team solche WRC-Läufe immer wieder gewinnen kann, erläuterte der Volkswagen-Motorsport-Direktor Jost Capito im Gespräch mit Tim Westermann nach dem WRC-Lauf in Finnland.

Ein Summen wie ein großer Bienenschwarm drängt ins Ohr – nur um sich kurze Zeit später in das ausgewachsene, laute, sonore Brüllen eines aufgeladenen Vierzylinder-Motors zu entfalten. Wenn die World Rallye Cars in Finnland aus dem dichten Forst auf die offene Plaine kurz vor dem Ziel der berüchtigten Wertungsprüfung (WP) „Ouninpohja“ rasen, geraten die Zuschauer in Extase. Kein Wunder: Die Telemetrie im Polo R WRC zeichnete auf, dass der Volkswagen auf den rund 34 Kilometern Strecke insgesamt 80 mal mit allen vier Rädern in der Luft war – die Gesamtflugzeit auf der Prüfung betrug mehr als 30 Sekunden.

Finnland war 2015 die schnellste Rallye, die jemals gefahren wurde. Auf den mit Bäumen umsäumten Schotter-Pisten gehen die Besatzungen in den gezeiteten Abschnitten bis ans Limit ihrer Autos und manchmal darüber hinaus. Bei Geschwindigkeiten jenseits von 200 km/h, spektakulären Sprüngen und großen Steinen am Wegesrand bleibt kein Spielraum für Fehler. Das ist die Herausforderung in Finnland. Wer hier siegen will, hat eigentlich nur zwei Möglichkeiten: „Entweder du trittst voll drauf oder du landest im Wald. Finnland gewinnt man in der Regel durch Erfahrung“, bestätigt der ehemalige finnische Weltmeister von 1978 Markku Alén. Er gewann diese Rallye in seiner Karriere sechs Mal und weist darauf hin, „dass der Aufschrieb der Beifahrer lediglich ein Richtwert ist, weil jede einzelne Kurve ihre eigenen Tücken hat. Man muss hier schon ein paar Mal gefahren sein, um jede Ecke genau zu kennen.“

Darum sind hier stets die finnischen Fahrer favorisiert. Allen voran Volkswagen-Pilot Jari-Matti Latvala. Er siegte schon 2014 und verteidigte seinen Finnland-Sieg auch in diesem Jahr vor Team-Kollege und Weltmeister Sébastien Ogier. Damit setzt Latvala eine Tradition fort. Denn bis heute wird dieser WM-Lauf von skandinavischen Fahrern beherrscht. Insgesamt wurden 64 Rallyes gefahren. Gerade einmal sechs davon wurden von Nicht-Skandinaviern gewonnen.

Der Sieg in Finnland und die Verteidigung der Weltmeistertitel für das Team und die Fahrer von Volkswagen ist mittlerweile perfekt: Zeit für eine erste Bilanz im Gespräch mit Jost Capito.
Seit dem Einstieg in die Rallye-Weltmeisterschaft im Jahr 2013 fährt Volkswagen vom Start weg in der Erfolgsspur. Worauf führen Sie das zurück?

„Wir haben uns in den Jahren 2011 und 2012 sehr gut auf die Saison 2013 vorbereitet. Durch erfahrene Dakar-Veteranen und neue Mitarbeiter aus der Rallye-Szene haben wir eine gute Zusammensetzung im Team gefunden. Außerdem konnten wir rechtzeitig die besten Fahrer verpflichten und haben durch die Kombination von Kompetenzen aus Rallye-Erfahrung und Formel-1-Know-how auch auf technischer Seite die richtigen Weichen gestellt: Unser technischer Projektleiter Francois-Xavier Demaison und unser technischer Direktor Willi Rampf haben der Entwicklung des Polo R WRC enormen Schub verliehen.“

Der Wettbewerb hatte jahrelangen Vorsprung in der technischen Entwicklung und vor allem wesentlich mehr Erfahrungswerte. Wie haben Sie diese ungleichen Voraussetzungen egalisiert?

„Der erste Polo R WRC aus dem Jahr 2013 hat gezeigt, dass er schon damals das Auto war, das es zu schlagen galt. Außerdem war das Konzept der Verbindung von Rallye und Formel-1, was es zuvor noch nicht gab, mit entscheidend für die Stärke des Polo.“
Ihre Mechaniker machen auf jeder Rallye einen starken Job. Wie schaffen Sie es die Mannschaft im Service so zu motivieren, dass sie die teilweise völlig demolierten World Rallye Cars in 45 Minuten wieder im Top-Zustand auf die Strecke schicken?

„Ohne einen guten Service ist ein World Rallye Car nicht erfolgreich. Man kann hier Vieles verlieren und gewinnen. Ist man nur einen Moment zu spät, kann man alles verlieren. Man gewinnt nur, wenn man alles in der vorgegebenen Zeit schafft. Die Mechaniker sind – wie die Fahrer – ein Teil vom Wettbewerb. Natürlich will die Service-Mannschaft genauso gewinnen, wie die Fahrer. Daher ist die beste Motivation, die man den Mechanikern geben kann, ihnen klar zu machen, dass sie ein Teil vom Ganzen sind. Sie haben einen großen Anteil am Erfolg und auch sie müssen einen besseren Job machen, als die Konkurrenz.“

Im Team arbeiten Menschen verschiedenster Nationen. Wie bringen Sie die Stärken aller Charaktere präzise zusammen, damit jeder auf den Punkt seine volle Leistung abrufen kann?

„Wir haben Menschen aus rund 20 Nationen im Team. Die bringen dementsprechend viele verschiedene Kulturen, Ansichten und Erfahrungen mit. Wenn man den nötigen Respekt in die Mannschaft bringt, dass jeder die anderen Einstellungen und Kulturen akzeptiert und daraus lernt, dann bekommt man das Beste aus all diesen Sichtweisen. Das verleiht der Mannschaft eine enorme Stärke.“

Welche Eigenschaften Ihrer gesamten Mannschaft machen Sie besonders stolz?

„Der Teamgeist und der Siegeswille.“
Eine Weisheit sagt: Wer im Motorsport besteht, schafft es überall. Welche Eigenschaften muss ein Mechaniker mitbringen, um es ins Team zu schaffen?

„Ein Mechaniker in der WRC muss Motorsport-Erfahrung mitbringen – am besten hat er Motorsport im Blut. Außerdem muss er absolut teamfähig und fokussiert sein. Er muss akzeptieren, dass er nur einen bestimmten Bereich am Auto hat und nicht überall eingesetzt wird. Er muss stets konzentriert arbeiten, auch unter Zeitdruck und darf dabei vor allem absolut keine Fehler bei der Arbeit machen – selbst wenn nur 30 Minuten Zeit für einen komplexen Service bleiben. Keine leichte Aufgabe.“
Wenig Zeit für Reparaturen ist bei jedem WRC-Lauf Tagesgeschäft. Was ist an einem World Rallye Car anders, damit der Service schnell geht?

„Der Polo R WRC ist schon vom Design her so effizient aufgebaut, dass ein schneller Service jederzeit möglich ist. Das ist bei einem Serienfahrzeug normalerweise nicht notwendig, denn die Teile, die wir aufgrund der extremen Beanspruchung in kürzester Zeit tauschen müssen, sollten bei einem Serienauto unter normalen Umständen ein Autoleben lang halten. Ein Beispiel: Das Getriebe ist so konstruiert und eingebaut, dass es in etwa zwölf Minuten zu wechseln ist. Bei einem Serienfahrzeug wäre das undenkbar – aber normalerweise ja auch nicht nötig. Ein World Rallye Car hat zudem viel weniger Anbauteile. So gibt es beispielsweise keine Klimaanlage, kein Infotainment, keine Schallisolierung. Wir haben dadurch mehr Platz und ordnen von vornherein die notwendigen Systeme, Teile und Komponenten so an, dass sie sich schnell warten und wechseln lassen.“

Gibt es in der WRC spezielle Werkzeuge für den Service?

„Wir verwenden genormte Schrauben. Allerdings haben wir relativ wenig verschiedene, dafür aber in sehr hoher Qualität, so das wir mit möglichst wenig Werkzeugen auskommen. Das ist ein entscheidender Faktor, denn jeder Werkzeug-Wechsel kann im Service wertvolle Sekunden kosten. Auch die Fahrer und Beifahrer müssen unterwegs manchmal selber am Auto arbeiten. Da ist es hilfreich, dass sie weniger Werkzeuge mitnehmen müssen – schon alleine wegen des Gewichts.“

Haben die Fahrer Mechaniker-Kenntnisse?

„Sie müssen natürlich wissen, wie sie sich im Ernstfall selbst helfen können. Darum kommen sie regelmäßig zu uns nach Hannover, um zu lernen und selbst am Auto zu arbeiten. So üben sie die Handgriffe, die sie selber am Auto machen können. Auch unter Zeitdruck – die Mechaniker stehen dann gerne mit der Stoppuhr daneben.“

Welche Werkzeuge, welche Elektronik aus der Serienproduktion sind aus der Serienfertigung?

„Wir verwenden in erster Linie Werkzeuge, die man auch bei jedem Volkswagen Händler in der Werkstatt findet. Wir haben natürlich auch ein paar Spezialwerkzeuge für bestimmte Anwendungen, aber das sind nur einige wenige.“
Hinter einem WM-Team steht ein Berg von Logistik. Wie koordinieren Sie die weltweiten Einsätze der 13 WM-Läufe, speziell Mexiko und Argentinien?

„Für die Überseerennen gibt es ein speziell zugeschnittenes Übersee-Set, also ein zusätzlicher Service-Platz inklusive Werkzeug, Energieversorgung und Teilevorräten. Das geht in mehreren Containern im Januar auf die Reise und kommt im November wieder zurück. Zunächst geht das Set aufs Schiff nach Mexiko und von dort weiter nach Argentinien. Die dritte Station ist Australien, bevor es Retour wieder nach Hannover geht.

Wir halten dafür die entsprechenden Teile und auch die Trainings-Fahrzeuge vor. Wir haben die Conatiner so aufgefüllt, dass wir vor Ort schnell und reibungslos die nötige Infrastruktur für unsere Renneinsätze aufbauen können. Natürlich ist der logistische Aufwand relativ groß. Auch für Europa müssen die Lkw zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort eintreffen. Die Fahrzeiten müssen eingehalten werden. Unsere Mechaniker müssen zum richtigen Zeitpunkt vor Ort sein. Dafür müssen wir versuchen, möglichst früh die richtigen Hotels zu buchen. Am besten mit einem kurzen Anfahrtsweg zum Servicepark. Denn die Nächte im Service sind manchmal sehr kurz. Hierfür benötigt man sehr viel Erfahrung. Teilweise haben wir dabei ein Jahr Vorlaufzeit. Soll heißen: Wir buchen die Zimmer bereits bei unserer Abreise neu.“ (ampnet/tw)

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WRC - Rallyesport ist Mannschaftssport: Jost Capito mit Sébestien Ogier.

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Jost Capito.

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Jost Capito.

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Jost Capito.

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WRC - Rallyesport ist Mannschaftssport: Sven Smeets, Joast Capito, Francois Demaison (von links).

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WRC - Rallyesport ist Mannschaftssport.

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WRC - Rallyesport ist Mannschaftssport: Jost Capito (Mitte links) und Jari Latvala.

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