Logo Auto-Medienportal.Net

Ford-Chef Mattes will doppelt so viele SUV verkaufen

Das letzte Wochenende vor der IAA 2015 beginnt für Bernhard Mattes, den Vorsitzenden der Geschäftsführung der Ford-Werke GmbH, mit einem Ereignis, das ihn persönlich sichtbar berührt. Nach unserem Interview wird er seinen eigenen Ford Mustang Convertible übernehmen – „graphit-grau und in Vollausstattung“. Doch Mattes nimmt sich vorher viel Zeit für Aussagen über die Modellpalette, die Neuheiten, die IAA, die „Weltautos“ als Ergebnis der „One Ford“-Strategie, die Rolle von Ford-Deutschland und -Europa im Konzern, über den Markt insgesamt und über Russland, neue Technologien, aber auch zu den neuen Herausforderungen wie die Integration von Flüchtlingen. Doch das Gespräch mit dem dienstältesten Top-Manager der Automobilindustrie in Deutschland beginnt mit seinem Mustang:

„Der Mustang erfreut sich wirklich einer sehr guten Nachfrage, eben nicht nur in den USA – da läuft er ohnehin klasse – sondern auch hier in Europa, aber auch in China. Wenn jetzt noch die Rechtslenker-Versionen dazukommen…Wir haben auch so schon ordentliche Auftragsbestände; es läuft also richtig gut.“

Wird Ford denn genug Mustangs für den deutschen Markt haben?

„Es könnten mehr Autos sein. Wir haben in Deutschland einen Auftragsbestand, der fast 3000 Einheiten umfasst und in Europa haben wir bereits mehr als 8000 Einheiten verkauft. Der Kunde, der heute bestellt, könnte im Schnitt in der Tat ein halbes Jahr auf seinen Mustang warten. Man kann daher allen Kunden, die im Frühjahr nächsten Jahres mit einem Mustang Cabrio, also mit einem Convertible, unterwegs sein wollen, nur raten, jetzt zu bestellen. Wir versuchen natürlich auch, an der gesamten Produktions-Allokation das Eine oder Andere noch zu optimieren, aber der Mustang ist es schließlich auch wert, auf ihn eine begrenzte Zeit zu warten.“

Ford ist in diesem Jahr in Deutschland bisher um etwa zwei Prozentpunkte gewachsen, ein bisschen weniger als der Markt. Zufrieden?

„Wir sind wirklich sehr zufrieden, weil wir wissen, dass wir uns aufgrund der Baureihen, die noch in den Markt kommen, steigern können. Wir stehen – letzte KBA-Zahlen – bei einem Pkw-Marktanteil von 6,9 Prozent und einer Steigerung bei den Zulassungszahlen in Deutschland von 2,9 Prozentpunkten gegenüber dem Vorjahr.

Darüber hinaus haben wir in Deutschland ein ganz hervorragendes Nutzfahrzeuggeschäft. So konnten wir im August einen Marktanteil von mehr als 16 Prozent erzielen. Das ist exzellent.

Und wir haben auch einen insgesamt sehr guten Auftragsbestand, der deutlich höher ausfällt als im Vorjahr. Das liegt unter anderem auch daran, dass die Baureihen S-Max und Galaxy erst im Anlauf sind. Hinzu kommen unsere traditionellen Bestseller – angefangen beim Fiesta, der volumenmäßig in Deutschland auf Vorjahresniveau liegt und nach wie vor der meistverkaufte Kleinwagen in Europa ist, dann der Focus, der uns mit seiner jetzigen, frischen Erscheinung viel Freude macht, und nicht zuletzt der Kuga, also ein attraktives SUV, das wir in diesem kräftig expandieren Segment anbieten. Kurzum: Wir sind mit unserem Produktportfolio und der Marktanteilsentwicklung sehr zufrieden.“

Sie sprachen von der Entwicklung des Produktportfolios bei Ford. Was erwartet uns?

„Wir haben schon viele Baureihen oder Varianten in den vergangenen Monaten auf den Markt gebracht. Aber eine ganze Reihe von neuen Produkten sind noch nicht in Kundenhand. Das fängt an bei den großen Fahrzeugen wie der Mondeo Vignale, der S-Max und der Galaxy, die am vergangenen Wochenende ihre offizielle Händlermarkteinführung hatten.

Weiter geht es mit der Ausweitung unseres SUV-Angebots. Erwähnenswert in diesem Zusammenhang ist der sehr tiefgehend außen und innen aufgewertete Ecosport, der nun ohne Reserverad auf der Hecktür bestellbar ist. Der Innenraum wurde ebenfalls deutlich wertiger, nicht zuletzt dank der nun verfügbaren Teilleder-Ausstattung. Ich bin mir sicher, dass diese Lifestyle-SUV nun den Kundenwunsch hier in Europa noch stärker treffen wird.

Mitte 2016 kommt dann der Edge dazu, der unser europäisches SUV-Portfolio nach oben abrundet. Der Edge wird sowohl vom Design, als auch von den Technologien und den Materialien her sehr hohen Kundenerwartungen gerecht werden und so in dem am stärksten wachsenden Segment – nämlich dem SUV-Segment – präsent sein. 2013 haben wir 100 000 SUV in Europa verkauft. Mit unserem erweiterten, sehr attraktiven SUV-Portfolio, bestehend aus Ecosport, Kuga und Edge, wollen wir bis einschließlich 2016 200 000 SUV verkaufen. Wir sind sehr zuversichtlich, dass wir diese Volumen-Verdopplung schaffen.

Damit bin ich aber noch nicht fertig. Ein wichtiger Baustein unserer Produkt-Offensive sind die sogenannten Performance-Fahrzeuge, also sportliche oder sehr sportliche Baureihen. Ich denke in diesem Zusammenhang an Autos wie den Focus ST, den es jetzt erstmals auch als Diesel gibt, oder den 350 PS starken Focus RS, der die Messlatte in Sachen Fahrdynamik neu definierten wird und übrigens – wie alle Ford Focus-Versionen – in Saarlouis gebaut wird. Und dann noch der rund 600 PS starke Super-Sportwagen Ford GT, der auf der IAA seine Deutschland-Premiere feiert. Der GT ist ja nicht nur ein neuer Beweis für unsere über 50-jährige GT-Kompetenz, sondern er ist auch ein Technologieträger, was zum Beispiel Leichtbau-Materialien wie Karbon und Aluminium betrifft. Hinzu kommt: Für den GT haben wir ein optimales Design gefunden, das ohne nennenswertes Spoilerwerk auskommt, weil das Fahrzeug dank der Tropfenform alle Anforderungen an Aerodynamik und Abtrieb erfüllt.“

Wann sehen wir den GT in Deutschland?

„Wir produzieren in 2016 weltweit nur 250 Stück. Es wird daher mit hoher Wahrscheinlichkeit mehr Interessenten als Fahrzeuge geben. Bislang haben wir noch keine Verteilung auf die Regionen vorgenommen. Wir werden voraussichtlich einen spezifischen Orderprozess einführen. Eines der Auswahlkriterien wird möglicherweise sein, ob es Kaufinteressenten gibt, die bereits einen GT haben.“

Der Ford Ecosport in seiner ersten Erscheinung war kein so gut gelungenes Beispiel für die Weltautos innerhalb der Unternehmensstrategie „One Ford“. Es gibt andere Modelle, die innerhalb dieser Strategie sehr erfolgreich gelaufen sind. Der Mustang und der Kuga sind gute Beispiele dafür. Dennoch dazu die Frage: Was sagt Ihr Vertrieb dazu, dass er Autos verkaufen soll, die er für diese Region gar nicht gewollt hätte?

„Was den Ecosport betrifft, so war das für uns eine sehr intensive Diskussion mit einer klaren Entscheidung: Wir wussten, dass sich speziell kompakte SUV einer rasant wachsenden Nachfrage gerade hier in Europa erfreuen. Und wir wussten natürlich auch um die sehr guten Verkaufszahlen des Ecosport in Südamerika. Und dann haben wir uns im Konzern gefragt: Wie können wir in Europa schnellstmöglich von diesem Nachfrage-Boom profitieren? Die Antwort lautete: Wir nehmen den Ecosport – weitgehend so, wie er ist – und homologieren ihn für europäische Verhältnisse. Und das haben wir dann auch getan. Uns war klar, dass wir natürlich einige Kompromisse eingehen müssen. Parallel dazu haben wir dieses Lifestyle-SUV den Kundenwünschen entsprechend weiterentwickelt und aufgewertet. Das aus meiner Sicht sehr gelungene Ergebnis präsentieren wir auf unserem IAA-Stand in der Halle 9.0. Wichtig ist: Das ist die Stärke One-Ford-Strategie. Wir konnten den Ecosport sehr schnell in Europa auf den Markt bringen. In nur zehn Monaten haben wir dieses Fahrzeug für Europa vorbereitet. Wir hätten in dieser Zeit nie eine eigene kompakte SUV-Baureihe entwickeln können.

Beim Edge ist die Situation eine andere. Dieses SUV haben wir einem ausgewählten kleinen Kreis von Händlern und Kunden schon sehr früh vorgestellt und über die dahinterstehende Strategie informiert. Der Edge kommt nun in Europa genau zu dem Zeitpunkt auf den Markt, den wir von Anfang an geplant haben, nämlich Mitte 2016. Und natürlich kam der Edge aufgrund der hohen Nachfrage in Amerika zunächst dort auf den Markt. Demnächst wird er nun auch hier begeistern.“

Der „Go Further“-Ansatz führt auch dazu, dass die Medien Autos sehen und über sie berichten, die erst viel später auf den Markt kommen. Der Ford Edge, den wir 2014 in Barcelona sahen, ist ein Beispiel dafür. Davor lieferte der Fusion als Lincoln-Modell ein weiteres Beispiel, bei denen so der Eindruck entstehen kann, die Autos kommen zu spät nach Europa. Ist das ein Problem fürs Geschäft?

„Wir halten das nicht für ein Problem. Mit ,Go Further' – oder auf Deutsch: ,Eine Idee weiter' – wollen wir nicht nur über eine Strategie reden, sondern auch zeigen, was die Produktsubstanz hinter der Strategie ist. Und eine Strategie geht ja nicht nur über zwölf Monate, sondern über einen wesentlich längeren Zeitraum. Mit dem Edge, den wir erstmals Ende 2014 den Medien vorgestellt haben, wollten wir damals zeigen, dass einer der künftigen produktstrategischen Schwerpunkte für Ford in Europa das Thema SUV sein wird. Das haben wir damals so angekündigt und wir haben damals die entsprechenden Produkte benannt. Nun treten wir den Beweis an, dass wir auch liefern.

Was ich noch erwähnen will, obwohl die IAA keine Nutzfahrzeug-Messe ist: Der Transit ist ebenfalls eine Erfolgsgeschichte, wenn es um weltweite vermarktete Fahrzeuge geht. Der Transit ist in Europa – je nach Monat – die Nummer 1 oder 2, sehr erfolgreich in Asien, besonders in China, und ebenfalls sehr erfolgreich in den USA, wo andere Hersteller lange darüber nachgedacht haben, ob sie mit ihren in Europa erfolgreichen Fahrzeuge in die USA gehen.“

Bleibt Ford in Europa der Experten für die Kleinen und die Kompakten?

„Wir haben hier in Europa nicht nur das Ford-Kompetenzzentrum für die weltweite Entwicklung von kleinen und kompakten Baureihen und für Nutzfahrzeuge, sondern wir sind auch federführend insbesondere bei Dieselmotoren-Technologien. Und mit ,wir' meine ich vor allem unser Ford-Entwicklungszentrum in Köln-Merkenich und unser Ford-Forschungszentrum in Aachen. Darüber hinaus sind wir eingebunden in die großen Zukunftsthemen wie zum Beispiel das autonome Fahren. Wir arbeiten natürlich auch hier sehr eng mit der amerikanischen Konzernmutter zusammen und werden entsprechende Versuchsträger nach Deutschland bekommen. Das Kompetenzzentrum Ford Europa – Herz Deutschland – ist somit für wesentlich mehr Themen zuständig als für die Entwicklung von kleinen und kompakten Baureihen.“

Wie sehen Sie Gegenwart und Zukunft Ihrer Märkte, nachdem wir im Juli ein deutliches Minus bei den Zulassungszahlen in Deutschland gesehen haben?

„Der Juli war ein typischer Ferienmonat. Dafür war der August sehr stark. Wir haben ebenfalls zugelegt und den Marktanteil gesteigert. Ich sehe für Deutschland wie für Europa insgesamt für dieses Jahr eine stabile Marktentwicklung, möglicherweise sogar leichtes Wachstum gegenüber dem Vorjahr. Auch für das nächste Jahr halte ich in Europa eine weitere Nachfrage-Steigerung für möglich. Erfreulich ist, dass die südeuropäischen Länder sich wieder stabilisiert haben und die großen Träger der Nachfrage wie Deutschland und Großbritannien, aber auch die nordeuropäischen Länder sich gut entwickelt haben.

Was wir natürlich auch sehen, ist die nach wie vor von Überkapazitäten getriebene hohe Wettbewerbsintensität. Selbst neue Produkte werden zum Teil sehr schnell mit besonderen Angeboten und Rabatten im Markt platziert, was den Wettbewerb verschärft und die Margen unter Druck setzt.

Und leider zeichnet sich nach wie vor keine positive Entwicklung in Russland ab, was auch unser Ergebnis beeinflusst. Trotzdem setzen wir langfristig weiterhin auf Russland, da wir davon überzeugt sind, dass sich die Nachfrage dort auch wieder erholen wird.“

Sie haben sich bei Ihren Produkten ja auch die „Demokratisierung“ von Fahrer-Assistenzsystemen für Komfort und Sicherheit auf die Fahne geschrieben. Bei den alternativen Antrieben halten Sie sich dagegen zur Zeit zurück. Wie halten Sie es damit?

„Lassen Sie zunächst mich zu den Technologien, insbesondere zu den Fahrer-Assistenzsystemen, etwas sagen. Hier sind wir im Wettbewerbsvergleich ganz vorne mit dabei. Daher ist es auch kein Zufall, dass wir in diesem Jahr in Deutschland als innovationsstärkste Marke ausgezeichnet wurden.

Zur Frage nach den alternativen Antrieben: Die Nachfrage insbesondere nach batterieelektrischen Fahrzeugen ist nach wie vor sehr verhalten – um es vorsichtig auszudrücken. Das hat natürlich mit dem Verkaufspreis und mit der systembedingt begrenzten Reichweite zu tun. Um elektrifizierte Fahrzeuge in der Fläche stärker durchzusetzen, braucht es somit außer guter Produkte auch Anreize, um die aus wirtschaftlicher Sicht erforderlichen Stückzahlen zu erreichen. Das geht meiner Meinung nach am besten über die gewerbliche Nutzung in Fuhrparks. Ich denke dabei zum Beispiel an Sonderabschreibungs-Möglichkeiten, die den Fuhrparkleitern bei der Entscheidung für die Anschaffung solcher Fahrzeuge sicherlich helfen würden. Auch eigene Fahrspuren oder Parkplätze mit Ladestationen würden helfen.

Wir haben in unseren Anstrengungen bei der Entwicklung von Fahrzeugen mit alternativen Antrieben nicht nachgelassen. Wir sind sowohl in der Hybrid- als auch in der Plug in-Technologie ganz weit vorne dabei. Unser Angebot ist hier in Europa zwar kleiner als in Nordamerika, kann sich aber dennoch sehen lassen. Denken Sie an den Mondeo Hybrid, an den C-Max Energi oder an den Focus Electric.

Zum Thema Brennstoffzellenfahrzeuge ist zu sagen: Unser Ziel ist unverändert die serienreife Entwicklung dieser Null-Emissions-Fahrzeuge, weil wir der klaren Überzeugung sind, dass wir diese Alternative als Antwort auf einige Herausforderungen in der Zukunft brauchen werden. Was wird passieren in den Mega-Cities dieser Welt? Was wird regulatorisch passieren? Mit welchem Kraftstoff fahren unsere Autos, wenn das Erdöl knapp wird? Kurzum: Es ist wichtig, dass wir weiter an Alternativen zum Benziner und Diesel bis zur Serienreife forschen.“

Zum Schluss möchte ich noch auf ein Thema zu sprechen kommen, das für uns alle neu ist: die Flüchtlinge, ihre große Anzahl und die Notwendigkeit, sie rasch zu integrieren. Ford engagiert sich traditionell stark für die Bürgergesellschaft und deren Randgruppen. Was kann Ford betragen?

„Wir denken sehr intensiv über Angebote nach. Eine Sofort-Maßnahme könnte sein, jungen Flüchtlingen eine Aus- oder Weiterbildung anzubieten und sie so für den deutschen Arbeitsmarkt fit zu machen – bei uns oder anderswo. Das gleiche gilt auch für Fachkräfte unter den Flüchtlingen. Auch hier geht es darum, diese Menschen für den deutschen Arbeitsmarkt zu qualifizieren. Ich glaube, jetzt ist es erst einmal das Wichtigste, den Flüchtlingen die sprachliche und fachliche Qualifikation für den Arbeitsmarkt zu vermitteln, der ja von einem Fachkräftemangel geprägt ist und somit viele Chancen bietet.“ (ampnet/Sm)

Mehr zum Thema: , , , , , , ,

Teile diesen Artikel:

Bilder zum Artikel
Bernhard Mattes.

Bernhard Mattes.

Foto: Auto-Medienportal.Net/Manfred Zimmermann

Download: