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Kommentar: „Mia san mia“ – wenn der Schwanz mit dem Hund wedelt

„Mia san mia“ ist bayerisch und heißt übersetzt: Wir sind wir. Der Satz bedeutet, dass sich die Menschen südlich des Weißwurst-Äquators in erster Linie als Bayern fühlen, dann kommt lange nichts, und erst viel später empfinden sie sich als Deutsche. Bayern sind stolz, Bayern zu sein. Eine Veranlassung, irgendwelche fremden Regeln oder Bräuche anzuerkennen ist ihnen fremd. Sie wollen auch nicht gemocht werden. Wie Rheinländer und Preußen über sie denken, kümmert sie einen feuchten Kehricht. Hauptsache: „Mia san mia.“ Deshalb stehen diese drei Worte – wenn auch recht klein gestickt – im Nacken auf jedem Trikot von Bayern München. Schließlich muss man den Unterschied zum niederen Fußvolk der restlichen Bundesliga unterstreichen. Womit wir bei Horst Seehofer und seinem treuen Gefolgsmann Alexander Dobrindt angelangt wären.

Beide haben recht viel mit den Kickern aus der Allianz-Arena gemeinsam: Die Fußballer um Philipp Lahm ließen voller Überzeugung bis Ende April keinen Zweifel daran zu, dass sie 2015 das Tripel – bestehend aus Meisterschaft, Pokal und Champions League-Finale für sich entscheiden würden. Dann holten sie sich gegen Dortmund eine blutige Nase, womit der Pokal erst einmal futsch war, und ob sie gegen Barcelona doch noch nächste Woche gewinnen können, glauben sie selbst nicht mehr. Sie werden sich wohl mit der Meisterschafts-Salatschüssel begnügen müssen.

Auch Seehofer und Dobrindt strebten das Tripel an: Maut für alle Autofahrer, als Ausgleich niedrige Kraftfahrzeugsteuer für Inländer und damit Wiedererlangung der Lufthoheit über den bajuwarischen Stammtischen. Da darf zwar nicht mehr geraucht, aber dafür um so heftiger über ausländische Benutzer hiesiger Straßen gewettert werden. Doch was für Bayern München die Borussen aus Dortmund und der FC Barcelona, sind für den Münchener Ministerpräsidenten und den Bundesverkehrsminister Violeta Bulc und die EU-Kommission.

Während der Bundesrat in Berlin frustriert aus Sorge um den Koalitionsfrieden (den Seehofer noch in letzter Sekunde als Argument ins Feld führte) grünes Licht für die Infrastrukturabgabe (vulgo: Maut) gab, war gleichzeitig in der Tageszeitung „Die Welt“ zu lesen: „Was Dobrindt 2016 in Kraft setzen will, hat keine Zukunft – wegen der Eins-zu-eins-Entlastung (der Deutschen) und wegen der Jahrespauschalvignetten, die mit dem Prinzip der streckenbezogenen Mautsysteme unvereinbar sind. Das heißt, dass Deutschlands neue Maut bereits jetzt ein Auslaufmodell ist.“ Das Blatt hatte in Brüssel erfahren, „dass Verkehrskommissarin Bulc grundlegend andere Vorstellungen von einem europäischen Mautsystem hat als Dobrindt“. Sie favorisiert „elektronische entfernungsabhängige Straßenbenutzungsgebühren“. Vignetten wie die der deutschen Pkw-Maut hätten einen „diskriminierenden Charakter“, weil sie gelegentliche Nutzer, zumal ausländische Autofahrer, in eine „unvorteilhafte Lage“ brächten. Darüber hinaus wollen einige Nachbarstaaten wie zum Beispiel Österreich gegen die deutsche Maut vor dem Europäischen Gerichtshof klagen.

Alle haben wir noch die Worte von Kanzlerin Merkel im Ohr „Mit mir wird es keine Maut geben“. Ähnlich hatte sich Sigmar Gabriel geäußert. Aber was kümmert die beiden ihr Geschwätz von gestern, wenn es um den Koalitionsfrieden geht? Zur Erinnerung: Bei der letzten Wahl kam die CDU auf 34,1 Prozent, die SPD auf 25,7 Prozent und die CSU auf 7,4 Prozent. Und dennoch beugten sich die beiden Großen dem Willen der Splitterpartei aus dem „Mia san mia“-Land, der Schwanz wedelte also wieder einmal – wie so oft in der Berliner Politik – mit dem Hund. Und was wird am Ende hinten heraus kommen? Die Maut für alle. Wetten, dass? (ampnet/hrr)

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Hans-Robert Richarz.

Hans-Robert Richarz.

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