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Brief aus New York: Elektro im Quergang, Cadillac hat Porsche im Blick und Tempo 40 in New York

Die Elektromobilität in den USA bewegt sich seitwärts: Von Januar bis einschließlich Oktober 2014 wurden auf dem größten Elektromarkt der Welt laut dem Branchendienst "Inside EV" 97 299 reine Elektromodelle, Elektrofahrzeuge mit "Range-Extender" und Plug-in-Hybride abgesetzt. Verkaufsstärkstes E-Mobil ist der schon etwas angejahrte Nissan Leaf, von dem im gleichen Zeitraum immerhin 24 411 Stück an die Kundschaft gebracht werden konnten. Dahinter folgt mit deutlichem Abstand der ebenso betagte Chevrolet Volt mit 15 979 Einheiten.

Aufregung gab es um die Verkaufszahlen der elektrischen Fließheck-Limousine Tesla Model S. Tesla gibt keine exakten Zahlen bekannt, und der Merrill-Lynch-Analyst John Lovallo hat die Einschätzung geäußert, dass die Firma auf rund 3000 unverkauften Fahrzeugen sitze. Tatsache ist, dass Tesla die Leasingraten für den Model S beträchtlich gesenkt hat; das Einstiegsmodell ist nun um 16,6 Prozent billiger zu haben als zuvor. Zudem können die Autos nach 90 Tagen zurückgegeben werden, ohne dass eine Vertragsstrafe fällig wird. Derartige Maßnahmen sind gewöhnlich kein Indikator für reißenden Absatz.

Lustiges Ratespiel

Schätzungen über Verkaufszahlen haben es übrigens in sich. Vor wenigen Tagen lüftete das "Manager Magazin" ein sorgfältig gehütetes Geheimnis: Der Mercedes-Benz SLS AMG Electric Drive würde in einer Auflage von 416 Einheiten gebaut. Wirklich? Ohne die exakten Zahlen preiszugeben: Das "Portal der Wirtschaft für die aktuellen und zukünftigen Top-Entscheider" (Eigenwerbung) dürfte sich ungefähr um den Faktor 10 verschätzt haben.

Die mutmaßlich stockenden Tesla-Verkäufe jedenfalls kommen zur Unzeit, denn der Crossover Model X wurde jüngst erneut verschoben und dürfte nun frühestens 2016 bei den Händlern stehen. Ein angekündigtes drittes Modell befindet sich noch in der Projektphase.

Auch deshalb setzt Tesla-Chef Elon Musk seine Charme-Offensive fort. In einem Gespräch mit dem "Spiegel" verrät "St. Elon", wie ihn der einflussreiche US-Blogger Peter DeLorenzo augenzwinkernd nennt, dass er mit BMW nicht nur über Batterietechnik und Ladestationen, sondern sogar über Kohlefaser-Verbundstoffe verhandele. In München wird man diese Klänge mit Wohlgefallen hören, wurden doch in jeden dieser Bereiche immense Summen gesteckt, für die sich der Vorstand rechtfertigen muss. Und Musk hat auch schon anders über BMW geredet.

Deutsche Perspektiven

Der Industrielle deutet sogar an, dass Tesla in Zukunft in Deutschland Batterien fertigen werde. Und wünscht sich: "Die deutsche Autoindustrie sollte viel mehr Energie in die Entwicklung von Batterien stecken". Vielleicht warten die Deutschen jedoch zunächst ab, welche Erfahrungen Musk mit seiner "Gigafactory" im US-Staat Nevada sammelt.

Während Tesla zur E-Mobilität rät, kommen aus dem Toyota-Konzern andere Signale. Lexus USA hat gerade einen viralen Clip lanciert, mit dem der BMW i3 aufs Korn genommen wird. Die Fahrt einer Gruppe von Freunden von Los Angeles nach Las Vegas wird mit dem i3 zum Geduldsspiel, weil mehrfach stundenlang nachgeladen werden muss. Der andere Teil der Männergesellschaft, unterwegs in einem Lexus CT200h, vergnügt sich derweil in der Kasino-Metropole...

Cadillac gibt Gas

Unter der Führung von Markenchef Johann de Nysschen und seinem Marketingchef Uwe Ellinghaus gefällt sich Cadillac in der Provokation. Auf der Automesse in Los Angeles bestätigte de Nysschen Dieselmotoren für das Jahr 2019 – vermutlich Vier- und Sechszylinder. Porsche darf sich bereits auf Konkurrent gefasst machen: "Wäre es nicht schön, den Cayenne Turbo zu verprügeln?" fragt er rhetorisch im Gespräch mit "Car and Driver". Es läuft auf eine V-Variante eines der kommenden SUV-Modelle hinaus. Und es wird auch einen echten Sportwagen geben, der sich – wie der Audi R8 und der Mercedes-AMG GT – am Porsche 911 abarbeiten wird. Der Serieneinsatz könnte in fünf bis sechs Jahren erfolgen, deutet der Manager an.

Cadillac-Marketingchef Uwe Ellinghaus hat lange für BMW gearbeitet - und er kennt die Stärken und Schwächen seines früheren Arbeitgebers. BMW – wie auch Mercedes-Benz und Audi – müssen sich politisch korrekt geben, strikte Verbrauchsvorgaben erfüllen. Bei GM sind dafür die anderen Marken - und deshalb darf Cadillac deutlich provokativer und extremer auftreten. Der Hinterradantrieb bleibt Markenzeichen. Und günstige Verbrauchswerte genießen – zumindest bei den Topmodellen – nicht die oberste Priorität. Die alte PS-Herrlichkeit ist wieder in den USA angekommen, aber jetzt wird die Kraft auch angemessen auf die Straße gebracht.

Noch heftiger als Cadillac treiben es allerdings Dodge und Tesla. Die Dodge-Modelle Charger und Challenger sowie der Tesla Model S bringen es in ihren Spitzenversionen auf 700 PS. Dem Reiz der Maßlosigkeit kann sich in den USA derzeit keiner entziehen.

New York tritt auf die Bremse

Während die US-Hersteller ihre Leistungsexzesse zelebrieren, stöhnt New York unter dem drakonischen Tempolimit von 40 km/h, dass Bürgermeister De Blasio Anfang des Monats dekretiert hat. Zuvor hat er sich auf eine Werbetour durch die Distrikte begeben - nicht ohne sich mit seinem Konvoi aus schwarzen Geländewagen souverän über jegliche Vorschriften hinwegzusetzen, wie eine aufmerksame CBS-Journalistin notierte.

Der linksliberale "New Yorker" rümpft die Nase: "Eine Stadt, die sich als schlaflos und blitzschnell definiert, wird zum Tritt auf die Bremse verdonnert. Slow food, slow money und jetzt slow cars – die (sprichwörtliche) 'New Yorker Minute' dauert jetzt sechzig lange Sekunden." Das Blatt, bislang noch keiner übermäßigen Sympathien für die Autolobby geziehen, zitiert resümierend einen professionellen Fahrer: "Der Herr (De Blasio) glaubt, Tempo sei das Problem? Die ahnungslosen Leute mit dem aufgesetzten Kopfhörer sind das Problem. Sie laufen in Baustellen, fallen in Schlaglöcher und stolpern über Bordsteine. Es wäre an der Zeit, die Stadt den Autos zurückzugeben." (ampnet/jm)

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Jens Meiners.

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Cadillac ATS.

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