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Kommentar: Liebe Caravan-Branche

Liebe Reisemobil- und Wohnwagen-Hersteller, ab heute zeigt ihr wieder auf dem Caravan-Salon in Düsseldorf die Neuheiten des kommenden Modelljahres. Es kriselt – wieder einmal – im Camping- und Caravaning-Markt. Das betrifft zwar nicht den Verkauf in Deutschland, hier ist immer noch ein leichtes Wachstum und ein Plus im Absatz zu verzeichnen. Aber im europäischen Ausland schaut es, vor allem in den Hauptabsatzmärkten wie Großbritannien, den Niederlanden, Frankreich und Italien nicht gerade rosig aus.

Für die deutschen Hersteller, deren Neufahrzeuge zu mehr als 50 Prozent in den Export gehen, ist das alles andere als eine schöne Situation. Kein Wunder also, wenn die ersten Unternehmen sogar bereits öffentlich über Möglichkeiten zum Abbau des Personals und damit über Kostenreduktion nachdenken. In der ein oder anderen Firma dürfte hinter den Kulissen ganz schön die Luft brennen, auch wenn die Branche insgesamt nach außen hin immer noch auf Zweck-Optimismus setzt – und auf wieder steigende Absatzzahlen.

Zugegeben, ein guter Teil des Verkaufrückgangs geht sicherlich auf die Nachwirkungen der Euro- und Bankenkrise zurück. Die Menschen halten ihr Geld zusammen, speziell in den südlichen Ländern Europas. Es gibt für viele Menschen aktuell sicherlich auch wichtigere Investitionen als ein neues Reisemobil oder einen neuen Wohnwagen. Aber möglicherweise sind ein paar Probleme der Brancheauch hausgemacht.

Seit ich den Führerschein habe, also seit mittlerweile gut dreieinhalb Jahrzehnten, bin ich mit Reisemobilen und Caravans unterwegs, seit rund drei Jahrzehnten auch beruflich. In all diesen Jahren haben sich die Reisemobile stetig weiter entwickelt. Sie wurden stärker, sparsamer, schneller und sicherer, sie bieten mittlerweile Airbags, ABS, ESP und Assistenz- und Sicherheitssysteme der unterschiedlichsten Art. Das ist allerdings kein Verdienst der Reisemobil-Branche, sondern schlicht dem Umstand geschuldet, dass die Basisfahrzeuge – also Transporter aller Größen – nun mal im Laufe der Jahre von ihren Herstellern stetig weiterentwickelt wurden. Sie verfügen heute schlicht über all diese nützlichen Ausstattungs- und Sicherheitsmerkmale.

Einzug gehalten haben in Wohnmobil und Caravan auch diverse elektronische Produkte der Unterhaltungstechnik wie Flachbildschirm-Fernseher, Sat-Anlagen, Tablets und Computer, Navigationsgeräte, Rückfahr-Kameras, per Touchscreen bedienbare Kontroll- und Anzeigeboards, Strom sparende LED-Beleuchtung und per Knopfdruck und Fernbedienung steuerbare Licht- und Ambiente-Welten. Auch diese Errungenschaften kann sich die Caravaning-Branche, wenn überhaupt, nur bedingt auf die Fahne schreiben.

In all den klassischen Funktionsbereichen wie Kochen, Wohnen, Schlafen und im Sanitärbereich ist vieles hingegen auch heute noch wie vor 30 Jahren. Und einiges ist gar noch schlimmer als damals. Seinerzeit wurde noch nicht auf Teufel komm raus versucht, in jeden kompakten Kastenwagen ein Raum-Bad mit WC zu zaubern. Heute sind in beinahe jedem Kastenwagen Dusche und WC zu finden, was ja an und für sich nichts schlechtes ist, im Gegenteil. Wenn allerdings ein durchschnittlich gebauter Mitteleuropäer das WC nicht nutzen kann, ohne sich massiv zu verrenken und die Beine bis über die Ohren anzuziehen, weil ganz simpel der Platz nicht ausreicht, dann läuft da irgendetwas schief. Ergänzt sei, dass dieses Problem mit dem stillen Örtchen beileibe nicht nur ausgebaute Kastenwagen betrifft.

Dass es nicht ganz einfach ist, ein Möbel zu konstruieren, auf dem man gut sitzen und bei Bedarf und nach einem Umbau auch ebenso gut schlafen kann, erleben viele, die mit einer Sitzgruppe in einem Reisemobil Bekanntschaft machen. Da sind die Sitzflächen in der Tiefe schon mal zu knapp bemessen, da stehen die Rückenlehnen schon mal ausgesprochen steil. Die geplante gemütliche abendliche Runde bei einem Glas Bier oder Wein kann dann recht unbequem ausfallen. Klar, dass sich auch während der Fahrt keine Bequemlichkeit einstellen kann. Vor den geruhsamen Schlaf haben die Götter – und die Konstrukteure der Reisemobile – dann den Umbau der Sitzgruppe gestellt. Der kann sich, je nach Modell, unterschiedlich lange hinziehen. Da muss man hier mal drücken, dort mal klappen, drüben ein wenig zerren, Polsterstücke wie bei einem Puzzle passend anordnen, um dann in der Nacht festzustellen, dass der verlängerte Rücken irgendwie immer in eine Ritze der zahlreichen Polsterstücke rutscht. Da ist jedem hinreichend klar, dass sowas die Freude an der Nachtruhe nicht unbedingt steigert. Nur den Konstrukteuren der Reisemobile eben leider nicht.

Ein anderes Beispiel. Schon seit ewig und drei Tagen werden ausgebaute Kastenwagen in der Regel mit einem fest installierten, zweiflammigen Gaskocher ausgestattet, plus dazu gehöriger Gasanlage, die aus ein oder zwei Gasflaschen auch den Kühlschrank und die Heizung mit Brennstoff versorgen. Nun ist der Lebensraum in einem Kastenwagen eher begrenzt, in der sommerlichen Hauptreisezeit spielt sich das Leben daher häufig draußen, vor dem Fahrzeug, ab. Dumm für den kochenden Part der Reisemobil-Besatzung, denn der steht drinnen, bei (hoch-)sommerlichen Temperaturen und bruzelt vor sich hin. Vom Geruch von gebratenem Fisch oder Fleisch hat man dann etwas länger, denn der hält sich locker auch noch über Nacht. Dabei gibt es durchaus brauchbare transportabele ein- oder zweiflammige Kocher, die mit Spiritus oder Gaskartuschen betrieben im Fahrzeug und auch outdoor genutzt werden könnten. Aus dem Hause eines großen, renommierten deutschen Herstellers hieß es lapidar, „die Kunden wollen es so“. Auf die Frage, ob man die Kunden des Unternehmens denn mal zu ihren Wünschen befragt oder ihnen eine Alternative zum traditionellen Festeinbau-Kocher angeboten habe, kam vielsagendes Schweigen als Antwort.

Nicht so ganz klar ist auch, warum immer noch Platz raubende und relativ schwere Gasanlagen überhaupt in Kompakt-Mobilen verbaut werden müssen, wo es oft auf jedes Kilo und jeden Zentimeter ankommt. Ein Kompressor-Kühlschrank kann, eine ausreichend dimensionierte Bordbatterie und eine (meist eh vorhandene) Solaranlage vorausgesetzt, relativ problemlos mit Bordstrom betrieben werden. Und die Heizung könnte aus dem Kraftstofftank versorgt werden, ohne jegliche Nachschubprobleme. Denn Tankstellen gibt es in erheblich größerer Zahl als Möglichkeiten, mal fix eine leere Gasflasche gegen eine volle zu tauschen. Am Preis der gaslosen Technik alleine kann es nicht liegen, schließlich kostet ein ausgebautes Kasten-Mobil locker seine 60 000 Euro (und Exemplare zum sechsstelligen Preis sind beileibe keine Seltenheit).

Womit wir beim nächsten Punkt angelangt wären. Im Schnitt dürfte ein neues Reisemobil, je nach Bauart, so zwischen 60 000 und 80 000 Euro kosten. Für jüngere Menschen (wobei „jünger“ hier die Altersklasse unter 50 Jahren meint) ist das ein ganz gehöriger Batzen. Immerhin müssen in jüngeren Jahren oft noch das Haus oder die Eigentumswohnung abbezahlt werden, und auch die Zahl der jährlichen Urlaubstage ist für berufstätige Zeitgenossen ja überschaubar. Da rechnet sich ein Reisemobil nur dann, wenn es auch alltagstauglich ist und zur Fahrt ins Büro und zum Supermarkt genutzt werden kann. Wenn das Fahrzeug dann nebenbei auch noch multifunktional konzipiert ist, ein wenig pfiffig designt, und vor allem bezahlbar bleibt, dann könnte das für mache Campinginteressierte durchaus eine Überlegung Wert sein.

Das Angebot an solchen Mobilen ist allerdings überschaubar. Klar gibt es kompakte, sparsame Fahrzeuge wie etwa den California von VW, den neuen Marco Polo von Mercedes oder den Nugget von Ford. Wenn da nicht das KO-Kriterium „bezahlbar“ wäre. Man könnte glatt den Eindruck bekommen, dass die Branche nach wie vor voll und fast ausschließlich auf ihre Kern-Zielgruppe setzt: Paare jenseits der 50 Geburtstags, finanziell eher besser ausgestattet als der Durchschnittsbürger und aus dem Gröbsten (und häufig auch bereits aus dem Erwerbsleben) raus, mit reichlich Zeit zum Reisen. Wäre schade, wenn die Branche darüber den „Camper-Nachwuchs“ mit schmalerem Geldbeutel völlig vergessen würde. Denn der ist es ja, der künftig die rollenden Urlaubsdomizile kaufen soll.

Ach ja, ihr lieben Leute in den Konstruktionsabteilungen: Wie wäre es, wenn ihr den Duschwannen endlich einmal mehr als nur den Ablauf in einer Ecke spendieren würdet. Denn der Teufel ist bekanntermaßen ein Eichhörnchen – und deswegen steht das Fahrzeug garantiert immer so, dass der Ablauf höher liegt als der Rest der Wanne und das Duschwasser nicht vollständig abläuft. So eine von allen Seiten leicht geneigte Duschwanne mit mittig angeordnetem Ablauf sollte doch realisierbar sein, oder?

Vielleicht stehen sie ja heuer in Düsseldorf, die praktischen, pfiffigen und multifunktionalen Caravans und Reisemobile, flott gestylt und zu bezahlbaren Preisen. Oder wenigstens ein paar Mobile mit mittig angeordnetem Ablauf in der Duschwanne. Man soll die Hoffnung ja nie aufgeben. (ampnet/gp)

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Gerhard Prien.

Gerhard Prien.

Foto: Auto-Medienportal.Net/Krupp

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