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Kommentar: Stichwort Rückrufe

Jetzt wird sie wieder aktiviert, die automatische Suchmachine im Kopf so manches Nachrichten- und Wirtschaftsredakteurs. Jeden Morgen „googelt“ sie die Nachrichtenwelt nach einem neuen Rückruf ab. Der findet dann sogar den Weg in die Börsennachrichten des Fernsehens, einerlei, ob er groß oder klein, wichtig für die Sicherheit oder wegen einer Lapalie ausgesprochen wird. Schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten, selbst wenn sie für den Empfänger gänzlich irrelevant sein sollten.

Wir kennen das auch von vielen anderen Stichworten. „Brennende Busse“ war so eins nach dem verheerenden Unfall auf der A2 bei Hannover. Und prompt schaffte es jeder noch so kleine Busunfall wochenlang auf die Seite eins, obwohl der Bus zu den sichersten Verkehrsmitteln zählt. Wem nutzt das?

Gut, Toyota mit seinem klemmenden Gaspedal hat sich blamiert. Der Qualitätsweltmeister muss erleben, dass der Slogan „Nichts ist unmöglich“ auch negativ gedeutet werden kann. Doch scheint das klemmende Bremspedal wohl eher ein Kommunikations- und Marketing-Desaster als ein unfallträchtiges Thema zu sein. Mein Fahrlehrer hat mir jedenfalls beigebracht, dass man ein Auto am besten mit der Bremse zum Stehen bringt. Der Motor, der mehr Leistung als die Bremse bringt, ist nicht auf dem Markt.

Auch General Motors hatte das erkannt. Für ein US-Modell verwenden die Amerikaner dasselbe Gaspedal. Da hielten sie es für besser, ihren Kunden mitzuteilen, dass Bremsen auch dieses Fahrzeug zum Stehen bringt.

Toyotas Fehler liegt darin, ein längst bekanntes Problem nicht im Rahmen von normalen Werkstattaufenthalten geregelt zu haben. Außerdem haben sich die Japaner in den USA mit der Verkehrssicherheitsbehörde angelegt. Damit war ihnen die große Aufmerksamkeit gewiss, die sie jetzt ein gehöriges Stück Marktanteil in den USA und anderswo kostet. Sie werden abgestraft wie einst Audi mit dem Audi 5000, bei dem zwar kein technisches Problem vorlag, den aber dennoch einige durch ihre Garagenwand gejagt hatten. Das hat Audi einen lang anhaltenden Markteinbruch in den USA eingebracht.

So einen Sturm der Entrüstung hat nun auch Toyota ausgelöst. In dessen Windschatten können nun auch andere ihre kleinen und großen Sünden bekennen. Honda war das zweite japanische Unternehmen. Es meldet Airbag-Probleme bei mehreren älteren Modellen jenseits des Atlantiks. Trifft das zu, wäre dieser Rückruf entschieden relevanter – für die Amerikaner, nicht für die Europäer. Wenn ein Airbag nicht arbeitet, dann merkt man das zu spät. Da ist ein Rückruf fällig.

Dann kam Volkswagen mit einem Rückruf für Südamerika. Möglicherweise sind dort Radlager nicht genügend gefettet eingebaut worden. Ob das ein Rückruf sein muss oder als Serviceaktion ausgeräumt werden muss, entscheiden die Behörden und das Unternehmen.

In den vergangenen Jahren haben die Automobilhersteller in Europa viel dazugelernt. Sie haben begriffen, dass sie mit Qualitäts- und Sicherheitsmängeln offensiv umgehen müssen; denn trotz aller Erprobungen kann immer mal ein Problem auftauchen, mit dem man nicht gerechnet hat: ein neuer Zulieferer, ein Betriebszustand, der so noch nie aufgetreten war, zu rasch vorgenommene Modellpflege-Maßnahmen und so weiter.

In der Diskussion der Gründe tauchte auch der Begriff „Gleichteilestrategie“ auf. Gemeint war wohl die Tatsache, dass alle betroffenen Toyota-Gaspedale von einem Zulieferer stammten. Doch dieser Hinweis trifft nicht. Wenn in vielen Modellen gleiche Teile eingesetzt werden, dann ist das eher ein Weg zu besserer Qualität. Was im Fall Toyota verwundert, ist die Tatsache, dass es nur einen Lieferanten gab. So ist man jetzt auf den auch bei der Krisenbewältigung auf diesen Zulieferer angewiesen.

Der ADAC nutzte die Gelegenheit, von den Herstellern sorgfältigere Arbeit zu verlangen. Die Industrie schneide sich mit unausgereiften Produkten ins eigene Fleisch, wenn sie nicht sorgfältig genug entwickle. Seit 1998 habe sich die Zahl der Rückrufe verdreifacht. Recht hat der Club. Doch stehen hinter dieser Entwicklung auch eine größere Typenvielfalt, ein bewusstes Bekenntnis der Hersteller zu Fehlern, aufmerksame Behörden, Medien und Verbraucherverbände sowie auch der anspruchsvollere Autokäufer, der den Finger hebt, wenn ihm etwas nicht passt.

Wir stecken mitten in einer guten Entwicklung auf beiden Seiten: Fehler bleiben dem Kunden nicht mehr verborgen. Und doch sinken die Gewährleistungskosten der Industrie im Verhältnis zum Umsatz: Beide Seiten ziehen also ihren Nutzen aus der Transparenz rund um Qualitäts- und Sicherheitsmängel. wohl nur nicht Toyota. Bleibt nur noch der Appell an die Sachkundigen in den Medien, die Bedeutung eines Rückrufs für Zuschauer und Leser zu gewichten. Den deutschen Zuschauer oder Leser interessiert nicht, wenn die Südamerikaner zu wenig Fett in der Buchse haben. (ampnet/Sm)


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Peter Schwerdtmann

Peter Schwerdtmann

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