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Hintergrund und Kommentar: Beratungsresistenz in Brüssel?

Bei Kritik von Fachleuten zum umstrittenen Kältegas R1234yf, das von den meisten deutschen Automobilherstellern wegen seiner Gefährlichkeit boykottiert wird, reagieren seine Produzenten Dupont und Honeywell wie einst Palmström im Gedicht "Die unmögliche Tatsache" von Christian Morgenstern: "Und daraus schließt er messerscharf, dass nicht sein kann, was nicht sein darf."

Was war geschehen? Chemiker der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität (LMU)hatten in umfangreichen Versuchen nachgewiesen, dass bei der Verbrennung von R1234yf nicht nur lebensgefährlicher Fluorwasserstoff entsteht. Außerdem bildet sich gleichzeitig das hochgiftige Carbonylfluorid. „Es war schon länger bekannt, dass R1234yf beim Verbrennen den Giftstoff Fluorwasserstoff freisetzt. Mit unserer Analyse konnten wir nun nachweisen, dass 20 Prozent der Brandgase aus dem noch giftigeren Carbonylfluorid bestehen“, sagt Andreas Kornath, Professor für Anorganische Chemie an der LMU München. Über die Ergebnisse der Analyse berichteten Kornath und seine Kollegen nun aktuell in der "Zeitschrift für Naturforschung".

Die Druckerschwärze im renommierten Wissenschafts-Journal war noch nicht richtig trocken, da kam von einem der R1234yf-Produzenten, dem US-Chemiegiganten Honeywell, schon die Retourkutsche: "Anders als von den Autoren der Studie behauptet, ist Carbonylfluorid (COF2) ein als solches längst bekanntes Abbauprodukt von R1234yf." Weiter heißt es: "COF2 entsteht auch bei der Verbrennung des Kältemittels R134a, das derzeit noch in Hunderten von Millionen von Fahrzeugen eingesetzt wird. Wenn COF2 sich unter entsprechenden Bedingungen bildet, existiert es nur für den Bruchteil einer Sekunde – und damit nicht lange genug, um Passanten, Insassen oder Ersthelfer zu gefährden.“

Quatsch, heißt es in München. Den Vorwurf schlampiger Experimente will Professor Kornath nicht auf sich sitzen lassen: " Ich behaupte ja keinesfalls, dass COF2 unbekannt war. Neu ist aber im Unterschied zu Honeywell: Carbonylfluorid überlebt den Verbrennungsprozess. In den Studien von Honeywell wurde unterstellt, dass COF2 sich innerhalb kürzester Zeit zersetzt. Das wurde aber nicht belegt. Wie unsere Untersuchungen zeigen, ist es auch nicht der Fall. Desweiteren ist R134a nicht brennbar. Erst bei Temperaturen oberhalb von 900°C kommt es zur allmählichen Zersetzung. Solche Temperaturen sind aber beim Autobrand nicht real. Das sagt Honeywell an anderen Stellen selber."

Carbonylfluorid ist ein Abkömmling des Kampfstoffs Phosgen, der im ersten Weltkrieg eingesetzt wurde. Bereits Fluorwasserstoff (Flusssäure) ist stark ätzend und so giftig, dass eine handtellergroße Verätzung zum Tod führen kann. Das Gift bindet das Kalzium im Körper, was Herzversagen auslöst, wenn kein Gegenmittel aufgetragen wird. Carbonylfluorid ist noch toxischer, da es leichter in den Körper eindringen kann. Es reizt die Augen, Haut und Atemwege. Wird Carbonylfluorid eingeatmet, kann es schlimmstenfalls die Lungenbläschen verätzen, in den Blutkreislauf eindringen und zum Tod führen.

Es gab bereits von verschiedenen Institutionen und Autoherstellern Tests, in denen festgestellt wurde, dass sich R1234yf bei Unfällen entzünden kann. "Bisherige Risikoanalysen der Hersteller des neuen Kältemittels haben Carbonylfluorid ignoriert. Angesichts unserer Ergebnisse regen wir an, die Risiken des Kältemittels R1234yf neu zu bewerten“, sagt Kornath, der genau weiß, wovon er spricht: "Ich habe mit allen genannten Chemikalien seit 20 Jahren im Labor zu tun. Ich war selber 1994 in die Entwicklung von Herstellungsprozessen von R134a bei DuPont involviert und weiß, dass man dort weiß wie gefährlich Carbonylfluorid ist."

Ob die EU-Kommission, die auf einer Verwendung von R1234yf in Neuwagen besteht, die Empfehlung der Münchner Chemiker ernst nimmt? Es sind Zweifel angebracht, da sie sich bislang als äußerst beratungsresistent gezeigt hat. (hrr/ampnet)

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Neues Kältemittel - Gefahr bei Feuer für insassen und Rettungskräfte.

Neues Kältemittel - Gefahr bei Feuer für insassen und Rettungskräfte.

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Hans-Robert Richarz.

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