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Autokonjunktur: Genosse Trend zeigt nach unten

Zunächst die gute Nachricht: Bei den 254 651 neuen Autos, die im vergangenen November von den Zulassungsbehörden zum ersten Mal ein Nummernschild zugeteilt bekamen, lag der durchschnittliche Kohlendioxid-Ausstoß bei 134,4 Gramm pro Kilometer und damit um 3,1 Prozent unter dem Wert des Vorjahres. Das lag insbesondere an der vergleichsweise hohen Zahl an Fahrzeugen mit alternativen Antriebsarten (neben 2159 Autos mit Hybridantrieb, 757 Elektroautos und ein Plus von 67,2 bei erdgasbetriebenen Pkw) sowie den deutlichen Zugewinnen bei den Kleinwagen wie Smart und Konsorten und der Kompaktklasse. Und jetzt die schlechte: Der Rest der Zahlen ist mau.

Allein die Mittelklasse verzeichnete im Vergleich zum Vorjahresmonat ein Minus von 17,8 Prozent, die Premium-Marken Audi, BMW und Mercedes beklagten einen Rückgang im zweistelligen Prozentbereich. Insgesamt gab es im November ein Minus von zwei Prozent gegenüber dem November 2012, die Jahresbilanz zeigt einen Monat vor Silvester einen Rückgang des Neuwagenverkaufs von 4,9 Prozent aus.

Das gilt für Deutschland. Im übrigen Europa sieht es nicht viel besser aus. Im Gegenteil. Vor allem die südeuropäischen, von der Finanzkrise besonders gebeutelten Staaten halten sich in punkto Neuwagenkauf überwiegend bedeckt. „Die Lage auf dem westeuropäischen Markt ist weiterhin schwierig“, bestätigte BMW-Vorstandsvorsitzender Dr. Norbert Reithofer im Juli im Interview mit der Börsen-Zeitung. Das werde mindestens bis Mitte 2014, eventuell auch länger so bleiben.

Der Verdacht liegt nahe, dass sich aber inzwischen nicht nur hier zu Lande ein Trend abzeichnet, den namhafte Wirtschaftsforschungs-Institute seit einiger Zeit in einer Vielzahl von Prognosen so beschreiben: In einer älter werdenden Gesellschaft nimmt die Zahl potenzieller Neuwagenkäufer immer mehr ab. Dieser, zur Jahrtausendwende im Teenager-Alter befindlichen Käuferschicht, die Ford „Millennials“ nennt, sind große Limousinen und Sportwagen von BMW oder Mercedes-Benz oder ein aufgemotzter VW Golf, gestern noch Statussymbole in Deutschland, eher Wurscht. Sie hat andere Konsumgewohnheiten und Werte als ihre Eltern und Großeltern. Freiwillig verzichtet sie auf Status, Bequemlichkeit und Konsum. Ihr sind Nachhaltigkeit und Selbstverwirklichung wichtiger.

Was das für die Automobilindustrie bedeutet, versuchte Ford in Köln durch das Marktforschungsunternehmen PSB Research in einer Umfrage bei über 2000 Konsumenten in Deutschland (darunter über 1000 Millennials) zum Thema Automobil und Mobilität herauszufinden. Wesentliche Erkenntnis: „Die automobile Begeisterung junger Menschen ist ungebrochen. Für immerhin 73 Prozent der Befragten ist das eigene Auto ein Meilenstein auf dem Weg ins Erwachsenenleben. Es verkörpert Freiheit, gewährt Unabhängigkeit und erlaubt die Flucht aus dem Alltag. Für die Millennials zählt es damit eindeutig zur Kategorie ‚Must-have‘“, freute sich Wolfgang Kopplin, Managing Director Marketing und Vertrieb bei Ford Deutschland.
Trotzdem: Nur noch 58 Prozent der jungen Leute benötigen ihren fahrbaren Untersatz als Statussymbol, 37 Prozent würden auf das eigene Auto liebend gern zugunsten eines gut funktionierenden Carsharing-Systems verzichten und wichtiger als eine Vielzahl von Fahrerassistenz-Einrichtungen wie Tempomat oder Einparkhilfe sind ihnen die Vernetzung mit Smartphone oder iPod.

Die Autoindustrie findet nicht erst seit heute reichlichen Ausgleich für die automobile Abstinenz in Deutschland und Europa in Asien sowie Nord- und Südamerika. Ein solches Schlupfloch gibt es für den deutschen Autohandel aber nicht. Weniger mögliche Autokäufer, ein sich allmählich von der Emotion zur Nüchternheit wandelndes Verhältnis zum Auto und damit zum Kaufentscheid, alternative Mobilität durch Carsharing und veränderte Vertriebswege wie Direktverkauf via Internet werden den herkömmlichen Autohäusern schwer zu schaffen machen, glaubt die Unternehmensberatungsgesellschaft PwC, eines der namhaftesten Unternehmen seiner Branche weltweit. In der Studie „Automotive Retail - Die Zukunft beginnt jetzt!“ heißt es, dass von den zurzeit in Deutschland 7800 Betrieben, die mit Neuwagen handeln, bis zum Ende des Jahrzehnts 3300 das Zeitliche segnen werden, weil sie in punkto Unternehmensgröße und den damit erforderlichen Investitionen nicht mithalten können.

„Händler werden sich entscheiden müssen, in welchen Geschäftsmodellen sie ihre Kernkompetenzen sehen“, sagt PwC-Experte Felix Kuhnert. Seiner Meinung nach sorgt allein der demographische Wandel dafür, dass es zu Beginn des kommenden Jahrzehnts rund 1,5 Millionen Autokäufer weniger geben wird als heute. Zudem leben immer mehr Menschen in Single-Haushalten und urbanen Ballungszentren, wo es einen gut ausgebauten öffentlichen Nahverkehr gibt, sich das Fahrrad oder die eigenen Füße sich für kurze Wege anbieten. „Wer in der Stadt lebt und alleine wohnt, braucht seltener ein Auto – und kaum einmal ein großes“, sagt Kuhnert.

Trost für seine Mitglieder in diesem Zusammenhang hält der Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe bereit, der den Wandel etwas weniger dramatisch einschätzt, die Auswirkungen durch eine sinkende Bevölkerungszahl aber nicht übersieht. Dennoch: „Trotz dieser Veränderungen werden der stationäre Autohandel und die Werkstätten ihren unverändert hohen Stellenwert zur Aufrechterhaltung der individuellen Mobilität auch in Zukunft behalten“, heißt es in der Pressestelle.
Ob das alles wirklich eintrifft, weiß niemand. Denn bereits der dänische Kernphysiker und Nobelpreisträger Niels Bohr gab einst zu bedenken: „Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen.“ (ampnet/hrr)

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