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Kommentar zu R1234yf: Ein entschiedenes „Jein“ aus Flensburg

„Du wirst ein großes Reich zerstören.“ So oder so ähnlich lautete angeblich die Auskunft, die Krösus der Sage nach vom Orakel von Delphi zu hören bekam, bevor er sich daran machte, gegen die Perser in den Krieg zu ziehen. Dass die Prophezeiung das eigene Reich meinte und nicht das der Perser, kam dem optimistischen König Lydiens – heute wäre sein Herrschaftsgebiet etwa der asiatische Teil der Türkei – nicht in den Sinn. Und prompt holte er sich eine blutige Nase.

Denn jede Auskunft hat bekanntlich zwei Seiten. Es kommt halt immer auf die persönliche Interpretation an, welchen Schluss man zieht. Das gilt ganz offensichtlich auch für die vorläufige Beurteilung durch das Kraftfahrtbundesamt (KBA) in Flensburg zum Gefahrenpotenzial des Kältemittels R1234yf für Klimaanlagen. Seit Monaten tobt eine erbittert geführte Schlacht um den Stoff, an deren Front sich Mercedes-Benz und die komplette deutsche Autoindustrie sowie die EU-Kommission, Frankreich und die Hersteller von R1234yf, die US-Chemiegiganten Honeywell und Dupont, gegenüberstehen.

Jetzt meldete das KBA: „Im Ergebnis haben sich bei den Versuchen keine hinreichenden Nachweise einer ernsten Gefahr im Sinne des Produktsicherheitsgesetzes bei den getesteten und auf dem Markt befindlichen Fahrzeugtypen ergeben. Daher erhebt das KBA vorerst keinerlei Einwände gegen R1234yf.“ Doch im gleichen Atemzug hieß es: „Um sicherzustellen, dass das betrachtete Testspektrum nicht zu eng gewählt war, hat sich das KBA zum Zwecke der Ergebnisabsicherung über das empirisch nachgewiesene Schadensbild hinaus für ergänzende Versuche entschieden, um abzuprüfen, ob etwa bei verschärften Versuchsbedingungen Gefahrfälle zu erwarten wären.“ Ja, was denn nun?

Kein Wunder, dass es unmittelbar danach je nach Interessenlage gegensätzlichen Jubel gab. Honeywell zum Beispiel verlautbarte: „Die Tests des KBA zeigen erneut, dass die Nutzung von HFO-1234yf kein zusätzliches Risiko bedeutet, weshalb die Behörde keine Maßnahmen im Sinne des Produktsicherheitsgesetzes (ProdSG) ergreifen wird. Mit Ausnahme von Daimler, gibt es eine weitreichende Übereinstimmung dazu, dass HFO-1234yf in Fahrzeugen kein größeres Risiko darstellt als HFC-134a.“

Auf der anderen Seite meldeten sich Greenpeace und der ökologische Verkehrsclub Deutschland (VCD) zu Wort. „Es darf nicht sein, dass erst gehandelt wird, wenn Menschen zu Schaden kommen. Wenn selbst das KBA, das lange gar nichts tat, nun nach seinen jetzt halbherzig durchgeführten Versuchen, dem neuen Kältemittel R1234yf ein schlechteres Sicherheitsniveau konstatiert, muss eingegriffen werden“, meinte VCD-Pressechef Gregor Kolbe.
Besonders barsch kanzelte Greenpeace-Verkehrsexperte Wolfgang Lohbeck die Versuchsergebnisse des KBA ab: „Das nichtssagende Zeug ist das Ergebnis der höheren Politik.“

Eine ganz andere Frage bleibt bei dem ganzen Dilemma aber immer noch unbeantwortet: Wie kann es sein, dass ein Land, dessen Ingenieure das Auto erfunden und den Amerikanern entscheidend dabei geholfen haben, zum Mond zufliegen, es mit seinen Experten offensichtlich nicht schafft, hieb- und stichfest auf der Basis naturwissenschaftlicher Gesetzmäßigkeiten nachzuweisen, ob R1234yf nun lebensgefährlich oder ganz harmlos ist. (ampnet/hrr)

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Hans-Robert Richarz.

Hans-Robert Richarz.

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