Neugier beherrscht die Messe in Detroit, die noch vor zwei Jahren der erste und ein wichtiger Termin im Auto-Kalender darstellte. Doch bei der North American International Auto Show (kurz NAIAS genannt und in Deutschland als Detroit Motor Show bekannt) fehlt in diesem Jahr die Begeisterung, die sonst die Cobo Hall am Ufer des Detroit River ausmachte. Aber selbst das stellt schon eine gewaltige Verbesserung gegenüber dem Vorjahr dar, in dem Heulen und Zähneklappern die Szene beherrschte.
„Bei den Amerikanern ist dieses Jahr Licht an, und auch Standpersonal ist vorhanden“, witzelte ein Kollege nach der ersten Runde durch die eine Halle, die in Detroit alle Aussteller beherbergt. Er hat übertrieben. Ford zeigt einen Auftritt, der sich mit dem der guten Jahre vergleichen lässt, General Motors (GM) samt seinen Marken und auch Chrysler und Konsorten waren in den USA noch nie Meister des Messeauftritts. Also fallen sie auch hier gegen ihre US-Kollegen ab. Doch insgesamt kann man den US-Herstellern attestieren: Sie sind wieder da und sichtbar; die gähnende Leere des Vorjahrs wiederholte sich nicht.
Die Journalisten hat das am Montag, dem ersten Tag, an dem die Presse die Ausstellung betreten durfte, offenbar wenig beeindruckt. Denn die bevölkerten die Stände der deutschen Hersteller, die hier mit besserem Messebau und offenbar auch mit Produkten punkteten. Das Bild kennt man schon von anderen US-Messen: Die US-Journalisten schauen sich bei den Deutschen und den Europäern um und präsentieren ihren Lesern dann doch lieber die Produkte aus heimischen Werken. Das geht auch den Ausländern nicht besser, die in den USA produzieren. Inzwischen stellen rund 25 000 Amerikaner deutsche Autos her und 50 000 von ihnen arbeiten in den USA für deutsche Zulieferer.
So viel „Einäugigkeit“ sei den amerikanischen Journalisten verziehen. Seit Jahrzehnten lebte ihre Autoindustrie im eigenen Saft, im größten Einzelmarkt der Welt. Doch diese Zeiten sind vorbei. Inzwischen verkaufen die Importeure und die sogenannten Neuen Amerikanischen Hersteller in diesem Markt mehr als jedes zweite Auto, und auch die deutschen Hersteller wollen jetzt die Zehn-Prozent-Marke stürmen, indem sie ihre Stärke bei Kleinwagen und beim Diesel herausstellen, mit gutem Design hervorstechen und auch sonst in Sachen Umwelt eine vorbildliche Figur machen.
Einzig auf dem Ford-Stand gewinnt man den Eindruck, dass man mit Kleinwagen ernstmachen will. Nicht umsonst fand die Premiere des neuen Focus in Detroit statt, und auch sonst haben sie so viel zu bieten, dass die Jury nicht umhinkam, Ford die beiden Preise „Car of the Year“ und „Truck of the Year“ zuzusprechen. So hatte man beides mit einander versöhnt: die Umwelt und die Heimatliebe.
Insgesamt hält Detroit mehr als es verspricht. War die Heimat der „Großen“ Drei in der Vergangenheit der Hort der viel versprechenden Studien, so setzt sich bei der NAIAS der Trend fort, den man schon in Tokio beobachten konnte. Der Amerikaner nennt das „down to earth“ und meint damit, dass die Branche auf den Boden der Tatsachen zurückgekehrt ist und nun Angebote präsentiert, die Hand und Fuß haben.
Wer das in der Halle nicht erlebte, konnte vor der Halle sehen, worum es in Detroit auch geht. Die Demonstration war zwar kleiner als im Vorjahr, aber sie war da, was angesichts der Tatsache, dass in Detroit fast jeder Zweite seinen Arbeitsplatz verloren hat, nicht verwundern kann. Natürlich wollen sie wieder an die Arbeit. Dafür wollten die gut drei Dutzend lieber auf die Krankenversicherung verzichten. Um ihr Ziel zu unterstreichen, trugen sie Obama-Fotos, die sie mit einem Hitler-Bärtchen verunstaltet hatten. Die Verzweiflung draußen war also groß, während drinnen eher optimistische Töne zu hören waren. (ampnet/Sm)
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