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Hintergrund Kältemittel für Klimaanlagen: Schall und Rauch

Noch niemals war der Umgang mit Kältemitteln für Klimaanlagen so schwierig wie heute, so hat es den Anschein. Das neue Kältemittel, das per EU-Gesetz als Fortschritt im Dienst der Umwelt ab Neujahr 2013 zwingend eingeführt werden soll, entpuppt sich als Brandbeschleuniger von überraschender Brisanz.

Ohne gehobenes Fachwissen ist man rasch verloren auf diesem Feld. Dabei schienen Klimaanlagen über Jahrzehnte ein sicheres Feld gut beherrschbarer Technik zu sein. Kältemittel, also die gängigen Gase auf Basis der Kohlewasserstoff-Chemie, wurden im Serviceprogramm zu Portionen von etwa 600 Gramm pro Fahrzeug zyklisch ausgetauscht und verursachten soweit keine weiteren Probleme.

Allein bei undichten Anlagen drohte Ärger, doch der war übersehbar: Das Mittel entfleucht, die Werkstatt tritt zur Lecksuche an. Und spätestens wenn eine zweite oder dritte Füllung von Kältemittel plus Kontrastmittel eingefüllt ist, kann man auch sehr kleine Lecks in der Anlage identifizieren, aus denen sich die Gasfüllung unter maximal 30 bar verflüchtigt. Und abgesehen vom Kunden, der immer wieder durch die Erkenntnis erschüttert wird, dass ein Kondensor für eine Klimaanlage zwar ganz ähnlich aussieht wie ein Wasserkühler, aber wegen seines hohen Betriebsdrucks von mehr als 30 bar gut und gerne vier bis fünfmal so viel kosten kann, herrscht eigentlich Ruhe im Schiff.

Allerdings war klar, dass die gängigen Kohlewasserstoff-Gase, sobald sie die Klimaanlage des Autos einmal verlassen haben, in die Atmosphäre aufsteigen. Dort haben sie wegen ihrer hohen chemischen Stabilität eine beträchtliche Verweildauer. Elf Jahre sind etwa der typische Wert für das heute noch gängige Kältemittel R134a. Die Gasmengen, die bei einem Bestand von knapp zwei Milliarden Fahrzeugen mit Klimaanlage weltweit zusammenkommen können, scheinen beträchtlich. Die Schädigung des Weltklimas gleichfalls, vor allem wenn man bedenkt, dass Billionen Kühlschränke und Kälteanlagen den Effekt verstärken, sobald ihre Gasmenge im Kühlsystem auf dem Weg zum Schrottplatz nicht fachgerecht abgesaugt wird.

Der Feind der Umwelt sitzt dabei weniger in der Autowerkstatt in Zentraleuropa. Dort wird die Füllung der Klimaanlage geordnet abgesaugt, aufgehoben und über den geschlossenen Kreislauf der chemischen Industrie weitgehend verlustfrei entsorgt beziehungsweise recycelt. Wo es in Sachen geordneten Kreislaufs lässiger zugeht, etwa im nahe bis fernen Osten oder im afrikanischen Service-System, da entfleucht schon einiges in die Atmosphäre.

Jedenfalls sollte für die ganze Welt ein anderes Mittel für die Klimaanlagen aller Autohersteller her. Die Auswahl an verfügbaren Mitteln ist dem versierten Chemiker geläufig: ein paar Dutzend Gase nur kommen als Kältemittel in Frage. Manche davon, etwa Propan oder Butan (Erdgas), kommen für Autos wegen ihrer Brennbarkeit rein anschaulich nicht in Frage. Schlachthöfe oder Lebensmittelgeschäfte verwenden solche Anlagen ganz routiniert. Zudem laufen in Australien bereits ein paar Millionen Fahrzeuge mit Propan als Kältemittel im Verkehr.

Kohlendioxid (CO2) scheint auch im Hinblick auf anspruchsvolle Crashtests gut für Fahrzeuge geeignet. Das Gas wird im Mineralwasser als aufsteigende Kette von Gasperlen sichtbar und gilt im Allgemeinen als verträglich für den Menschen, obwohl das Gas beim Entweichen innerhalb eines fahrenden Autos zu Ohnmacht und Erstickung führen könnte, sobald die Konzentration im Fahrzeug hinreichend ansteigt.

Eine Industrie, die das Duftmittel Chanel No. 5 herzustellen vermag, wird hierzu mit Sicherheit einen Beitrag leisten können, die jeden Fahrer zwingt, in so einem Fall schlagartig alle Fenster aufzureißen, sobald ein Defekt auftritt. Die Note „Windsor Turf“ für Freunde des Gestanks hinter dem Pferdestall ist ebenso diskutabel wie „Carnival in Rio“ für die ambitioniert gestaltete Stinkbombe mit Samba-Appeal.

Der Logik folgend konzentrierten sich die Forscher der Autohersteller weltweit zunächst auf CO2 als bestes Entwicklungsziel. Allein die Tatsache, dass für CO2-befüllte Klimaanlagen praktisch alle Komponenten vom Kompresser bis zum Diffusor neu entwickelt werden müssten, weil sie mit einem Innendruck von bis zu 180 bar teilweise zehnfach höher belastet würden, ließ manche Entwicklungspartner nachdenklich werden.

Nur mit weitgehend baugleichen Komponenten für alle Autos weltweit ließe sich das Preisniveau von heute ohne Änderung einhalten, das war von Anfang an klar. Die problematische Situation der beiden größten Hersteller weltweit (GM und Ford) hat im Jahr der Entscheidung anno 2006 dazu geführt, dass aus Kostengründen ein anderes, nämlich besser Anlagen-kompatibles Kältemittel energisch gefordert wurde. Beide US-Hersteller können sich allerdings heute an ihr entschiedenes Veto von damals kaum noch erinnern.

Industrie-Gigant Honeywell-Bull und Partner Dupont boten spontan die Entwicklung eines Mittels an, das bei ähnlicher chemischer Zusammensetzung wie R 134a weniger Beständigkeit in der Atmosphäre bieten sollte. Das neue Produkt, R1234yf oder mit Handlungsnamen „Solstice“ vereinigte alle Vorteile: Es konnte sofort in den gleichen Klimaanlagen verwendet werden, sobald die Lieferkapazitäten aufgebaut waren. Dass über den Vorbereitungen ein paar schwerwiegende Anklagen zur illegalen Ausnutzung von Monopol-Regulierungen lagen, hat die Reibungslosigkeit ebenso eingebremst wie die Tatsache, dass der Kilopreis von ursprünglich acht Dollar rasch auf 80 US-Dollar gestiegen ist.

Was gebildete Chemiker von Anfang an wussten, der Rest der Welt jedoch nur zögerlich zur Kenntnis nehmen konnte: Jedes Mittel aus der üblichen Fluor-Wasserstoffgruppe, das weniger stabil als R 134a ausfallen soll, fällt ganz automatisch in höherem Maß entzündlich aus. Zusammen mit der Forderung für eine bessere Umweltverträglichkeit war also gleichzeitig die Eigenschaft gefordert, ein riskanteres Mittel einzusetzen.

Wie brennbar R1234yf nun wirklich ist, darüber haben sich Dutzende von klugen Forschungsingenieuren in renommierten Instituten Jahrelang den Kopf zerbrochen. Ergebnis nach sechs Jahren weltweiter Untersuchung, und zwar einhellig: Es geht. Das neue Kältemittel könne zwar brennen, tut es aber augenscheinlich nicht. Ausführliche Versuchsreihen schienen das zu beweisen, auch Öl-Hersteller, die mit ihren Mitteln die neuen Klimaanlagen ebenso zuverlässig schmieren müssen wie die alten, kamen zum Ergebnis, dass die Brennbarkeit eigentlich kein Thema ist. Wenn doch mal was brannte, Öl oder Kältemittel, dann ging das Feuer scheinbar ziemlich rasch wieder aus.

Dass das neue Kältemittel dennoch lichterloh brennen kann, wollte eigentlich nur eine kleine Umwelt-Organisation in Deutschland nachweisen. Sie produzierte ein paar laienhafte Videos, die dies beweisen sollten, fand aber nur wenig Gehör für ihre bizarr erscheinende Botschaft.
Die Automobilindustrie und der Kopf-Verband des VDA (Verband der Automobilindustrie) versuchten derweil, Klarheit in die vorliegende Informations-Wirrnis zu bringen. Erstes Ergebnis: die Prüfberichte zur Tauglichkeit von R1234yf schienen wasserdicht. Auch der TÜV fand bei geordnetem Vorgehen in umfangreicher Grundlagenforschung keine Widersprüche. Es blieb also kurz vor dem Start in die weltweite Serienfertigung nur noch ein einziger Schritt, um die allerletzte Klarheit zu liefern: Autos anzuzünden.

Das Ergebnis machte zunächst einmal allen Beteiligten Kopfzerbrechen, denn das umfangreich für harmlos getestete Kältemittel R1234yf (chemiche Bezeichnung Tetrafluorpropen) brannte auf einmal doch. Irgendwie hält sich das ausströmende Fluorgas nicht an die Testergebnisse aller bereits vorliegenden Prüfberichte. Es entfacht unter den Motorhauben mehrerer Testreihen von verschiedenen Automarken aus verschiedenen Erdteilen heftige Brandherde mit hoher Intensität. Wird der Brand nicht spontan gelöscht, so entstehen umfangreiche Feuer im Motorraum, die intakte Autos binnen Minuten zu Schrott werden lassen. Verätzte Frontscheiben unterstreichen den Verdacht auf das Auftreten von extrem schädlicher Flusssäure, die zuvor niemals in diesem Maß beobachtet wurde.

Das Ergebnis war zunächst so überraschend, dass der Fachwelt spontan die Spucke wegblieb. Chemiegigant Honeywell versuchte zunächst, Mercedes als dem Ausführenden dieser Brandtests die Schuld in die Schuhe zu schieben: Die Entwickler in Stuttgart hätten ja wohl das Geschehen unter den Motorhauben der eigenen Marke nicht so richtig im Griff, so der spontan geäußerte Vorwurf.

Inzwischen steht fest, dass Autos ohne Stern ihren Rechnungswert ebenso zügig in Rauch auflösen können wie andere Marken mit und ohne Turbo, Diesel oder Benziner unter der Haube, sobald R1234yf im Motorraum auf heisse Flächen am Auspuff gelangt.

Die Geschichte der Klimamittel muss offensichtlich neu geschrieben werden. Die Rolle der klugen Köpfe wird neu verteilt. Toyota beschließt aktuell die Umstellung auf das alte Kältemittel R 134a ebenso wie Mercedes-Benz, obwohl dieses Mittel eigentlich seit 1. 1. 2013 per EU-Gesetz nicht mehr erlaubt ist. Der VW-Konzern blieb zunächst auch beim alten Mittel und hatte auch eine Umstellung vor 2016 niemals geplant. Während Kommunikations-Experten weltweit um Formulierungen ringen, die scharfe Wortgefechte mühsam verhindern sollen, spricht der VW-Vorstandsvorsitzende Ferdinand Piëch gelassen aus, was er für richtig hält: „CO2 ist das richtige Kältemittel für die Zukunft. Denn es brennt garantiert nicht.

Außerhalb des Honeywell-Konzerns hat man damit begonnen, ihm für diese Erkenntnis zunehmend dankbar zu sein. Ob und wie der Rest der Welt folgen mag, zeigt sich jüngst auf dem Genfer Salon: Mercedes vergab den Entwicklungsauftrag für eine Klimaanlage, die nur und ausschließlich mit C02 betrieben wird. Daimler-Vorstand Thomas Weber: "Es freut uns sehr, dass wir uns darauf verständigen konnten, diese nachhaltige und sichere Lösung gemeinsam mit Audi, BMW, Porsche und Volkswagen mit Einbindung des VDA voranzutreiben."

Allein der Hersteller des Kältemittels R-1234yf, Honeywell, kritisierte die Ankündigung in einer Unternehmensmitteilung: "Die jüngsten Aussagen von Daimler sind ein weiterer verzweifelter Versuch, die Anwendung der EU-Richtlinie für mobile Klimaanlagen hinauszuzögern." Die säuerliche Tonart seitens der Chemie-Unternehmen ist durchsichtig, geht dem Konzern doch eine beinahe Monopol-artige abgesicherte Geschäftsformel für den weltweit aufgestellten Business durch die Lappen. (ampnet/MiK)


Kasten: Was wird mit dem Klimaservice?

Das scheint derzeit unsicher. In den USA, wo seitens General Motors, Honda und Toyota mehrere Millionen Fahrzeuge mit dem neuen Kältemittel R1234yf im Verkehr sind, ist ein verlässliches Service-Programm auch für das neue Mittel unerlässlich. In Europa, wo abgesehen von ein paar Nischenmodellen von Subaru eher Unsicherheit herrscht, lässt sich derzeit durch Abwarten sicher mehr Planungssicherheit herstellen. Details zur jeweils aktuellsten Situation finden Sie unter http://www.autoservicepraxis.de/fm/3478/Kaeltemittel_uebersicht_asp6_12.gif.
(ampnet/MiK)

Kasten: Die Umfrage des Kraftfahrt-Bundesamtes

Die Kontrollbehörde zur Überwachung geltender Vorschriften in Deutschland ist das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA). Es genießt neben der strikten Überwachung der jeweils neusten Abgas-Zertifzierungen moderner Autos auch durch das Punktekonto-Register für alle Bundesdeutschen Führerscheine einige Berühmtheit.
Das KBA wartet auf Antwort der verschiedenen Fahrzeughersteller auf seine fragenden Brief. Immerhin ist bereits die Anfrage des Amtes von der Sorge getragen, wonach die Unfallsicherheit durch zwangsläufigen Einsatz des neuen Mittels geschmälert sein könnte.

Zitat aus dem KBA-Schreiben: „In den durchgeführten Tests wurde die Selbstentflammung des Kältemittels R1234yf sowie die Bildung von Flusssäure bei einem betriebswarmen Motor reproduzierbar ausgelöst. Nach Einschätzung des KBA simuliert der durchgeführte Test eine alltägliche Unfallsituation beispielsweise nach einem Auffahrunfall, der bei Fahrzeugen mit bisherigem Kältemittel in der Regel ohne Brandentstehung verläuft.

Der in dieser Situation durch das austretende Kältemittel initiierte Brand mit der Folge eines schnellen Fahrzeugvollbrandes und einer deutlichen Flusssäure-Exposition stellt nach Überzeugung des KBA eine ernste Gefährdung von Verkehrsteilnehmern insbesondere den Fahrzeuginsassen und Dritten (zum Beispiel Ersthelfern) dar. Die in den betrachteten Fällen getroffenen Vorkehrungen sind demnach nicht hinreichend, um einen Fahrzeugbrand durch austretendes Kältemittel im Falle eines entsprechenden Frontalaufpralls zu vermeiden.“

Das KBA-Schreiben weiter: „Aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse bewertet das KBA als zuständige Produktsicherheitsbehörde die betroffenen Fahrzeuge des in Rede stehenden Herstellers als „nicht sicher" im Sinne des Produktsicherheitsgesetzes (ProdSG).

Als zuständige Behörde für die Produktsicherheit für Straßenfahrzeuge muss das KBA im öffentlichen Interesse ermitteln, ob es übertragbare Fälle gibt und ob Fahrzeuge, in denen die Klimaanlagen mit dem Kältemittel R1234yf betrieben werden, ebenfalls ein ernstes Risiko für die Sicherheit und Gesundheit von Personen darstellen könnten.“ (Zitat Ende).

Die Antworten der Autohersteller auf dieses Schreiben bleiben abzuwarten.
Sollte das Bundesamt seine Befürchtungen weiterhin bestätigt finden, so wird es die geltende EU-Reglementierung zur Ausführung ablehnen müssen. Der Aufschlag ginge dann möglicherweise volley zurück nach Brüssel, wo die Stellung zu geltenden Vorschriften neu überdacht werden müsste. Ein Vorschlag zur Güte: Den reichlich sinnfreien Entwurf zur Kraftstoffsorte E10 könnte man ebenso auf seinen Gehalt überprüfen wie die anstehende Regelung für Kältemittel.

Die Situation liegt weiterhin unübersichtlich. ´Auch von der aktuellen Hymne der Toten Hosen „An Tagen wie diesen“ passt im vorliegenden Fall augenscheinlich nur die letzte Zeile: „Kein Ende in Sicht.“ (ampnet/MiK)

Kasten: Klimawirksamkeit und Ozonschichtschädigung vom Kältemitteln

Kältemitte R 12: GWP* 10890 OPD* ja
Kältemittel R 134a: GWP* 1430 OPD* nein
Kältemittel R 1234yf GWP* 4 OPD* nein
Kältemittel R 711 (CO2) GWP* 1 OPD* nein

GWP*: Global Warming Potential
OPD*: Ozon Depletion Potential

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