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Kommentar: Von ideologischen Gräben und Brückenbauern

Es war ein Experiment, aber ein gelungenes. Die Heinrich-Böll-Stiftung als politische Stiftung von Bündnis 90/Die Grünen und der Verbands der Automobilindustrie (VDA) hatten zu einem gemeinsamen Kongress eingeladen, der unter dem Titel „Auto 3.0 – Die Zukunft der Automobilindustrie“ eine Menge Konfliktpotenzial bot. Auf der einen Seite die global aufgestellte, sehr erfolgreiche deutsche Automobilindustrie, auf der anderen Seite der Klimawandel, die Rohstoff-, Energie- und Ressourcen-Situation.

Mitten in Berlin-Mitte, in dem mit viel grünem Glas zielgerichtete Transparenz symbolisierenden Neubau der Heinrich-Böll-Stiftung, waren sich die Stiftungsmitarbeiter einig: Noch kein Fachkongress hatte hier ähnlich viele Teilnehmer auf die Beine gebracht. Der große Saal war bis auf den letzten Stuhl gefüllt; kein sonst bei Kongressen übliches Gewimmel gerade gelangweilter, abgelenkter oder telefonierender Teilnehmer vor dem Saal. Wer sein Mobiltelefon nutzen wollte, musste sowieso vors Haus, denn drinnen gab es keinen Empfang.

Erst Grüner Tee, dann auch Kaffee, vegetarische Verpflegung, mehr Schlips als Pullis prägten das Bild. Da durfte man vermuten, dass es einen harten Kampf über ideologische Gräben hinweg geben musste. Umso mehr überraschte die sachliche Diskussion auf den Podien und die Detailarbeit in den einzelnen Foren.

Dennoch war es kein fröhliches Brückenbauen, sondern eine Auseinandersetzung, bei der sich Meinungen mit Tatsachen maßen. Dabei brachen immer wieder typische Verständnisprobleme auf. Als zum Beispiel Dr. Ulrich Eichhorn, der technische Geschäftsführer des VDA, darauf verwies, dass in acht von neun Fahrzeug-Kategorien deutsche Fahrzeuge die besten Verbrauchs- und Kohlendioxidwerte aufwiesen, kam die Frage: Warum verkauft ihr dann auch andere? Eine auf den ersten Blick berückende grüne Logik, die bei den Automobilisten Verblüffung auf die Gesichter zeichnete. Die Logik der Industrie – Wir können, aber unsere Kunden müssen es wollen – fand im Plenum kein Verständnis.

Die Aussage des VDA-Managers und die Frage aus dem Plenum illustrieren ein Problem, das sich durch den gesamten Kongress zog. Hier der Bürger als Kunde, der seine Entscheidung trifft, und dort die Überzeugung, jeder müsse zu seinem Glück gezwungen werden können.

Auf dem Podium begab sich kein Vertreter von Bündnis 90/Die Grünen in die Gefahr, so einfach mit dem Hinweis auf Bürgerrechte und Demokratie die Realität und den Markt auszuhebeln. Hier überraschte die offene Art, über Ziele zu reden und Machbarkeit im Blick zu behalten; hier war oft von Fordern statt Überfordern die Rede. Beim grünen Führungspersonal war nur eines nicht diskutierbar: Man will den Druck auf die Automobilindustrie aufrechterhalten, bis an die Grenze der Überforderung heran, aber nicht darüber hinaus. Hier legten die grünen Umwelt- und Verkehrspolitiker eine gar nicht mehr so vom Oppositionsdasein geprägte Denkweise an den Tag, obwohl so mancher Automobil-Vertreter nicht mit Provokationen hinter dem Berg hielt.

Zu groß war die Versuchung, ein zu großen Teilen uninformiertes Publikum zu reizen, etwa mit der Aussage, dass jedes moderne Auto die Luft in der Berliner Innenstadt verbessere, weil dessen Abgas sauberer sei als die Luft, die der Motor ansauge. Oder, dass bei Tempo 30 mehr Kraftstoff verbraucht werde als bei Tempo 50. Oder, dass moderne Personenwagen zwischen 80 km/h und 120 km/h denselben Verbrauch haben, eine Geschwindigkeitsbeschränkung also weder beim Verbrauch noch bei den Emissionen etwas bringe. Da standen gleichen drei Aussagen im Widerspruch zur herrschenden Meinung. Und dennoch blieb die Diskussion gelassen, allerdings ohne die Chance, längst geprägte Meinungen zu verändern.

In einem Punkt nutzte die Auto-Faktion ihre Chance, etwas an diesen überkommenen Feindbildern zu ändern. Sie bekannte sich zu ihrer falschen Kommunikationspolitik in der Vergangenheit. Einst hatte sie den Katalysator und später den Feinstaubfilter zu Anschlägen auf ihre Existenz erklärt. Heute bekennt sie die Fehler dieser Politik. Vor diesem Hintergrund möchte der VDA den Fachkongress mit den Grünen als Beweis für die neue Haltung verstanden wissen. Man sucht das Gespräch, weil man die Überforderung vermeiden will, die Forderung aber anerkennt.

Stiftungsvorstand Ralf Fücks schwor mit seinem Schlusswort die auch vom Auto-3.0-Kongress vielleicht immer noch nicht überzeugten Parteimitglieder auf die Einsicht ein, dass ein Überfordern der deutschen Hersteller nichts ändert außer der Zahl der Arbeitslosen: „Es wird auch dann Autos geben, wenn die deutsche Automobilindustrie den Bach runtergeht.“ Fücks formulierte es nicht ganz so schlagworthaft, aber deutlich: Ohne Gewinne der Automobilindustrie wird es keine „grünen“ Autos geben. (ampnet/Sm)


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"Auto 3.0": Klaus Bräunig, VDA-Geschäftsführer, Dr. Bernd Bohr, Vorsitzender des Unternehmensbrereichs Kraftfahrzeugtechnik der Robert Bosch GmbH, Kerstin Andreae, MdB Bündnis 90/Die Grünen, stellvertretende Fraktionsvorsitzende, Jürgen Kerner, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall, Klemens Kindermann, Deutschlandfunk (von links).

"Auto 3.0": Klaus Bräunig, VDA-Geschäftsführer, Dr. Bernd Bohr, Vorsitzender des Unternehmensbrereichs Kraftfahrzeugtechnik der Robert Bosch GmbH, Kerstin Andreae, MdB Bündnis 90/Die Grünen, stellvertretende Fraktionsvorsitzende, Jürgen Kerner, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall, Klemens Kindermann, Deutschlandfunk (von links).

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