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Hintergrund: Neue Mitspieler prägen das Auto der Zukunft

Alles fließt. Nur der Verkehr nicht. Und doch hatte Heraklit vor 2500 Jahren auch im Hinblick auf die Mobilität von heute recht. Es rumort auf allen Ebenen, in der Gesellschaft und in der Industrie. Dabei geht es weniger um das Auto an sich oder die gerade überwundene Absatzkrise, sondern eher um die Folgen der ständig wachsenden Motorisierung der Welt bei gleichzeitigem Zusammenballen der Menschheit in immer mehr Megacitys. Wird die Automobilindustrie von ihrem eigenen Erfolg gefressen, weil immer mehr Autos auch die größten Städte lahmlegen oder öffnen sich hier tatsächlich ungeahnte Umsatzquellen?

Wer schon einmal in einem der täglichen Megastaus in Moskau, Peking oder Tokio gestanden hat, kommt gar nicht darum herum, sich mit dieser Frage zu beschäftigen. Er hat dort Zeit genug, sich zu fragen, wie die Zukunft aussehen könnte, in der die Menschen so von A nach B kommen, wie sie es wollen und wann sie es wollen und das in einer akzeptablen Zeit und mit einem Aufwand, den sie sich leisten können oder wollen und das in einem Gefährt, das ihnen gefällt.

Bis 2020 werden weltweit und jährlich rund 90 Millionen Autos zusätzlich auf die Straßen drängen. Das sind acht Jahre, in denen sich das Automobil schon wegen der langen Modellzyklen nicht revolutionieren wird. Es wird sich prinzipiell nicht von dem unterscheiden, was wir schon heute auf den Straßen sehen.

Die Zahl der Fahrzeuge mit Hybridantrieb wird wachsen, ebenso die der rein batterieelektrisch angetriebenen Autos und solcher, die ihren klassischen Verbrenner mit alternativen Kraftstoffen wie Alkohol, Biodiesel der zweiten Generation, Erdgas oder Autogas betreiben. Das hilft, den Verbrauch an Öl zu senken und vermindert die Emissionen. In den weltweit immer grüner denkenden Gesellschaften hat das Bedeutung. Selbst, wenn es den Klimawandel nicht beeinflussen sollte, so senkt es immerhin die volkswirtschaftlichen Kosten der Mobilität.

Das Elektroauto verhindert nicht den Verkehrskollaps

Doch der umweltfreundlichere Betrieb nimmt dem Auto nur den Ruch des „politisch Unkorrekten“. Unbeantwortet bleibt deswegen immer noch die Frage nach der Mobilität der Zukunft. Auch ein Elektroauto ist ein Auto, das Fläche einnimmt, Straßen braucht und darüber hinaus auch noch eine neue Versorgungs-Infrastruktur benötigt. Auch der Elektromotor verhindert nicht den Verkehrskollaps in den Megametropolen.

Die große Lösung wird anders aussehen. Vielleicht führt die Denkweise eines Experten anlässlich eines Zukunftskongresses von Audi auf der IAA 2011 weiter. Er formulierte den Ist-Zustand mit dem Satz: Ich fahre mit meinem Auto ins Büro. Dann stellte er die Bestandteile seines Satzes in Frage: Wieso fahre ich? Gibt es nicht Systeme, die mich von A nach B bewegen, ohne, dass ich ans Lenkrad muss? Wieso mit meinem Auto? Wer sagt, dass der Besitz des Fortbewegungsmittels Voraussetzung für die persönliche Mobilität darstellt? Wieso in mein Büro? Werden nicht dank der modernen Kommunikationstechnologien Büros für viele Berufe überflüssig? Die Antworten auf diese Fragen blieb auch dieser Experte schuldig, skizzierte aber ein Modell von Fahrkabinen, die automatisch von A nach B fahren, je nach Wunsch des Bestellers allein oder mit anderen.

Das autonome Fahren rückt näher

Da taucht es auf, das Stichwort „autonomes Fahren“ – für den autobegeisterten Mitteleuropäer, aber erst recht für die mobilitätshungrigen Erstbesitzer von Autos in den anderen Regionen der Welt verbunden mit Lustverzicht. Heute noch scheint es weit entfernt und geeignet für exotische Wettbewerbe unter Universitäten und Forschungsabteilungen der Automobilindustrie. Und doch rückt es näher.

Nehmen wir als Beispiel die neue S-Klasse, die 2013 kommen wird. 25 Sensoren aller Art ermöglichen ihr zum Beispiel das Kolonnenfahren auf mehrspurigen Straßen. Das System fährt heute schon leichte Kurven selbsttätig und achtet darauf, dass die S-Klasse niemanden rechts mit mehr als 80 km/h überholt. Auch lässt das System zu, dass der Fahrer rund zehn Sekunden die Hände vom Lenkrad löst. Und selbstverständlich bremst das Auto autonom, wenn ein Fußgänger oder plötzlich ein Auto im Querverkehr in die eigene Fahrbahn gerät.

Noch werden solche Systeme von dem stereotyp wiederholten Hinweis begleitet, der Fahrer bleibe natürlich in der Verantwortung. Die Systeme handelten erst, wenn der Fahrer auf eine Warnung hin nicht reagiert oder – wie beim überraschenden Querverkehr an einer Kreuzung – gar nicht mehr schnell genug handeln könne. Dennoch wird erkennbar, dass die Technik auch ohne den Hinweis auf die Verantwortung des Fahrers in nicht allzu ferner Zukunft auskommen wird. Allerdings bleibt dann noch die schwierige Frage der Verantwortung, wenn das System nicht funktioniert.

Verkehrsschilder und Straßenbeleuchtung werden verzichtbar

Car2Car-Kommunikation und Car2X-Kommunikation sind die nächsten Schritte auf dem Weg zum autonomen Fahren. Sind diese Technologien durchgesetzt, kann man sich sogar den Verzicht auf Verkehrsschilder und sogar auf die Straßenbeleuchtung vorstellen. Die Autos wissen, wo sie sich bewegen, und jedes Auto hat auch die Fußgänger und Radfahrer im Blick. Der Traum vom Verkehr ohne Unfall wäre wahr geworden – wenn die Systeme das Spiel beherrschen.

Sensorik, Rechnerleistung an Bord und in Verkehrszentralen und die komplette Vernetzung aller Faktoren, die den Verkehr beeinflussen sind die Voraussetzung für diesen Weg. Damit wächst die Komplexität des Produkts Auto noch einmal. Als Folge davon hat der Automobilhersteller sein Produkt nicht mehr komplett in der Hand. Mehr noch als heute wird er auf Kooperation mit anderen Automobilherstellern weltweit angewiesen sein; denn ohne Standards funktioniert das Modell nicht.

Automobiltechnik muss den eigenen Horizont erweitern

Aber man muss gar nicht so weit in die Zukunft greifen, um zu erkennen, dass ein Automobilhersteller kein Auto mehr allein und ganz aus eigener technischer Kompetenz auf die Räder stellen kann. Automobiltechnik heißt heute schon das Erweitern des eigenen Horizonts durch Einbinden von vielen Disziplinen, die mit dem Fahrzeugbau ursprünglich nichts zu tun hatten. Beispiele ergeben sich viele schon mit dem Einzug des Internets ins Auto und mit seiner Fähigkeit, über Mobilfunktechnik mit der Außenwelt zu kommunizieren. Diese Entwicklung kommt noch lange nicht zu einem Ende. Wer sagt denn, dass nicht in der nächsten Fahrzeuggeneration der aufgesteckte (mitgelieferte oder mitgebrachte) Tablet-Computer die bordeigene große Navigation und den Touchscreen ersetzt?

Aber neu an Bord beim Automobilbau sind nicht nur die Chip- und Elektronikhersteller. Auch die Verkehrsinformation in Echtzeit muss irgendwo herkommen. Der Autohersteller hat das ebenso wenig in der Hand wie heute schon die Kartensoftware. Gerade in diesem Bereich kollidieren aber zwei unterschiedliche Kulturen. Der Lebenszyklus eines Autos beträgt etwa sechs Jahre. In dieser Zeit hat die Software sechs neue Versionen hinter sich. Gerade im Bewusstsein technikaffinier Fahrer altert das Auto schneller als bisher, wenn es mit der Entwicklung bei den Informations- und Unterhaltungs-Dienstleistern nicht mithalten kann.

Dieses Problem haben die Topmarken in Deutschland im Griff. Ihre Rechner sind so ausgelegt, dass sie mit der Entwicklung schritthalten können. Doch bei Car2Car- und Car2X-Kommunikation erleben wir gerade die ersten Feldversuche. Vielfach ungelöst ist aber noch die Frage der Zusammenarbeit mit den staatlichen Stellen bei der Verkehrsplanung, der Überwachung, der Vorgabe der optimalen Streckenführung, der notwendigen Infrastruktur für Car2X und so weiter – und das bitte möglichst weltweit und nicht auf einen Geräteanbieter konzentriert.

Welche Schwierigkeiten eine weltweite Regelung in der Praxis mit sich bringen kann, erleben wir gerade beim Kältemittel mit dem Spitznamen „Zwölf-Vierunddreißig“. Die Automobilindustrie hatte sich weltweit darauf geeinigt und arbeitet damit. Jetzt scheren Daimler und Volkswagen plötzlich aus – aus Sicherheitsgründen. Und alle anderen Hersteller haben ein Problem. Die Retourkutsche wird nicht lange auf sich warten lassen.

Zulieferer als Partner für die Nische

Dennoch gilt: Das Auto der Zukunft ist ein gesamtgesellschaftliches, ein disziplinübergreifendes Projekt, das neue Partner ins Spiel bringt. Daneben wird es auch für die alten Partner neue und vertiefte Aufgaben geben. Die Rede ist von den Zulieferern. Kaum eine Innovation in der Automobiltechnik entsteht ohne deren Mitwirkung. Entweder kommt der Hersteller auf den Zulieferer seiner Wahl mit einer Idee zu, die dann gemeinsam umgesetzt wird oder der Zulieferer kommt mit einer Idee zu seinem Kunden. Möge die bessere Innovation umgesetzt werden.

In jedem Auto lassen sich reihenweise Beispiele für diese Arbeitsteilung finden. Automobilhersteller mit einer Fertigungstiefe von mehr als 40 Prozent sind die Ausnahme. Anders wäre auch die Vielzahl der Nischenprodukte gar nicht möglich. Die großen Hersteller wollen jede Nische besetzten und investieren viel Energie in die Entwicklung neuer Nischen und in die Möglichkeit, auch innerhalb der Nischen noch Individualisierung anzubieten. Beides – die Nische und die Individualisierung – eröffnet dem Zulieferer jede Menge Geschäftschancen.

Zulieferer als Quelle der Innovation

Vermehrt sind Innovationen gefragt, die den Automobilherstellern helfen, ihre Ziele umzusetzen. Mehr Leistung, weniger Kosten lautet die Hauptaufgabe. Dabei müssen alle auch heute schon eine wachsende Komplexität bedienen. Die alte Frage, ob Diesel oder Hybridantrieb, ist längt entschieden. Wir werden auf absehbare Zeit Diesel- und Benzinmotoren erleben, natürlich auch Hybridantriebe, Plug in-Hybride, Brennstoffzellen-Fahrzeuge, Batterieautos und dazu noch viele Formen von Energiespeichern und Kraftstoffen.

Neben diesen strategischen Aufgaben bleiben für den Zulieferer aber auch weite Bereiche für Produkte, die dem Marketing des Herstellers helfen. Man mag darüber lächeln, aber es geht zunehmend eben auch darum, etwas fürs Auge zu tun, meistens fürs Auge des Käufers, der viele Gedanken in die Entscheidung investiert, welche Innenraum- oder Außengestaltung sein Auto unverwechselbar oder für ihn selbst liebenswürdig macht.

Die Energie fürs Auto von morgen

Energie für die Mobilität war früher Sache der Mineralöl-Konzerne. Heute überlassen es die Automobilhersteller und ihre Zulieferer nicht mehr allein den Herren über das Öl, allein Energie fürs Auto oder Rohstoffe zu liefern. Da laufen Projekte, wie man aus Windkraft Strom und mit Strom aus Kohlendioxid Methan für Erdgasautos erzeugen kann. Da produzieren in der Wüste von Neumexico genetisch veränderte Bakterien Bio-Alkohol oder Bio-Diesel. In diesen und in vielen anderen Projekten lässt die Automobilindustrie nichts unversucht, die Möglichkeiten auszuloten – und das wiederum mit Partner, oft mit solchen, die bisher mit dem Automobil nicht zu tun hatten. Man wundert sich, an welch zum Teil exotischen Unternehmen sich Automobilhersteller und Zulieferer heute verflechten, nur um nicht eine mögliche Chance zu versäumen. Absicherung nach allen Seiten ist gefragt.

Auf der Suche nach dem richtigen Geschäftsmodell

Vieles ist in Bewegung geraten. Mobilität ist zu einem Musterbeispiel für Vernetzung geworden. Da stellt sich die Frage: Wenn so viele Partner für die Mobilität der Zukunft zusammenarbeiten müssen, was ist dann eigentlich die Rolle des Automobilherstellers? Baut er am Ende des Tages die namenlosen Kabinen aus der Vision von den Kabinen für den Weg von A nach B? Welche Rolle spielt dann noch die Marke?

Den Versuch, auf diese Fragen Antworten zu finden, sieht man bei fast jedem großen Hersteller. Sie alle bemühen sich um Mobilitätskonzepte, bei denen sie noch am Geschäft beteiligt sind. Beispiel Car2go. Mercedes-Benz hat als einer der ersten und inzwischen in großem Umfang international seine Smart als Mietfahrzeuge im Einsatz. Wer Car2go-Mitglied ist, kann einen Smart der Flotte übernehmen und ihn nach seiner Fahrt irgendwo im Car2go-Gebiet der jeweiligen Großstadt wieder abstellen. Junge Kunden In den deutschen Car2go-Städten sehen dieses System häufig schon als als Ersatz fürs eigene Auto. Im Zweifelsfall substituiert ein Car2go-Smart mehrere Autos. Aber man ist immerhin noch im Geschäft.

Bei der Vision von der A-nach-B-Kabine könnte man auch so argumentieren. Einer muss die ja bauen. Doch so weit sind wir ja noch lange nicht. Erst einmal gilt es für die deutschen Hersteller, in den nächsten Jahren am weltweit rasant wachsenden Autogeschäft teilzuhaben. Und dabei spielt die Marke eine wichtige Rolle; denn wer es sich leisten kann, fährt einen Importwagen, gern auch einen deutschen.

Spitzentechnologie oder Billigauto?

Die deutschen Hersteller sind bisher gut damit gefahren, auf Hochtechnologie zu setzen. Was das angeht, darf man sie als weltweit führend betrachten. So setzen sie auch weiter auf ihre Premium-Qualitäten und rechnen mit einer Verdopplung ihres Absatzes in den kommenden acht Jahren.

Doch es gibt auch einen anderen Weg zum Erfolg. Eine nicht kleine Zahl von Experten räumt nur den Herstellern eine Chance ein, die Billigautos anbieten können. Um den indischen Tata für 2500 US-Dollar ist es zwar ruhig geworden. Aber das 5000-US-Dollar-Auto ist immer noch in der Experten-Diskussion. Als Beweis wird für Europa stets der Erfolg der Dacia-Modelle genannt. Die kosten zwar mehr als 5000 US-Dollar, zeigen aber die Richtung auf: ordentliche Fahrzeuge in inzwischen ansehnlichem Design mit einfacher Technik, schlichten Materialien, wenig spektakulären Fahreigenschaften und befriedigender Sicherheit.

Wo liegt die moralische Preisgrenze?

Der Dacia-Erfolg führt zur nächsten Frage: Darf man zum Beispiel auf Sicherheit verzichten, obwohl man die Mittel hat? Es hat lange gedauert, bis ESP bei Dacia-Modellen Einzug gehalten hat. Und beim 5000-Dollar-Auto wird das noch länger dauern. Dort dürfte nicht einmal ein ABS zum Standard zählen. Jeder Hersteller wird bei der Sicherheit für sich eine Preisgrenze finden müssen, die er sich selbst, seinem Image, seinen Aktionären und – erst recht – seinen Kunden gegenüber verantworten kann.

An dieser Stelle kommen wieder die Zulieferer ins Spiel. Sie sind gefordert, Sicherheitssysteme, Techniken und Materialien zu entwickeln, die in den Preisrahmen passen. Viele Zulieferer haben sich darauf eingestellt und werden sicher schon Antworten auf die Fragen ihrer Premium-Kunden parat haben, warum die so viel mehr für scheinbar vergleichbare Systeme bezahlen sollen.

Mobilität als gesamtgesellschaftliches Projekt

So komplex war die Lage der Automobilindustrie noch nie. Sie muss viele Felder beackern, die richtigen Partner fürs disziplinübergreifende Handeln finden, die Innovationskraft ihrer bisherigen Partner stützen, den gesellschaftlichen Konsenz finden, das eigene Geschäft absichern oder schon mal die Augen bei der Suche nach neuen Geschäften weit offen halten. Aber so groß waren die Chancen fürs Geschäft auch noch nie. Der Welt-Automobilmarkt boomt offenbar noch länger.

In Europa lebt Deutschland zur Zeit am besten vom Erfolg seiner Automobilindustrie. Daran sollte sich auch nichts ändern, wenn die Mobilität der Zukunft zusätzliche Teilnehmer oder neue Aufgaben ins Spiel bringt. Für eine ressourcenarme Nation gibt es keinen anderen Weg, als den an die Spitze der Bewegung.

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Shanghai 2012.

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Shanghai: So sieht die Stadtplanung der chinesischen Stadt deren Zukunft.

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Verkehr in London.

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