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Silvretta 2012: Jetzt stinkt’s mir

Vor mir steht ein Fiat 600 Tipo von 1956 und hinter mir ein Mercedes-Benz 300 SL aus demselben Jahr – der eine Kindheitserinnerung von vielen Ausflügen mit vier Erwachsenen und zwei Kindern samt Picknick-Korb an die Weser, der andere mein Traum aus Kindertagen. Wie gern habe ich deren Duft genossen. Jetzt stinkt’s mir. Es hängt eben alles von der eigenen Perspektive ab. Denn heute sitze ich in einer Mercedes-Benz A-Klasse E-Cell mit batterieelektrischem Antrieb mit der Startnummer 206 und warte auf den Start zur 15. Silvretta, die Klassiker und Elektroautos aller Genres zusammenbrachte.

Der erste Tag war für uns ein Reinfall, was nicht am Auto lag, sondern nur am Beifahrer, an mir, der ich dem Fahrer nicht nur das Roadbook aufzusagen hatte. Wir scheiterten nicht an der Navigation, aber so scheinbar einfachen Sonderprüfungen wie 100 Meter in exakt 15 Sekunden zu fahren oder den Wagen im Leerlauf 150 Meter nach einer scharfen Rechtskurve in ebenfalls 15 Sekunden nach 150 Metern durch die Lichtschranke zu bringen. Schwamm drüber, abhaken: Wir schafften nur den Rang 21 unter den E-Mobilen.

Die alten Hasen hatten uns gewarnt: Seid nicht zu ehrgeizig, genießt lieber das Panorama der Silvretta-Hochalpenstraße. Doch Stoppuhren und Roadbook waren uns doch wichtiger. Am Ende des Tages standen wir vor den Ergebnislisten. Acht andere Elektroautos hatten wir als nicht eingespieltes Team mit mir als Neuling bei Rallyes dieser Art hinter uns gelassen und waren doch enttäuscht, sogar unzufrieden mit dem Ergebnis. Mein Fahrer trug es mit mehr Fassung als ich.

Neuer Tag, neues Glück. Dieses Mal mit dem neuen Smart Fortwo Electric Drive und nicht inmitten der Oldtimer. Die Elektriker blieben unter sich. Und dieses Mal saß ich am Steuer in einem Auto, das wie für den Stadtverkehr geschaffen zu sein scheint. Doch wie macht er sich auf der Strecke?

Wir stehen wieder am Start. Gut 112 Kilometer durch die Berge des Montafon liegen vor uns. Wieder drohen Wertungsprüfungen. Doch an diesem Tag geht es auch um die Energieeffizienz. Die Veranstalter von „Auto, Motor und Sport“ und die Techniker haben einen komplizierten Weg erdacht, um die teilnehmenden Antriebskonzepte vergleichen zu können. Batterieelektrisch betriebene Fahrzeuge wie unser Smart Electric Drive, die Mercedes-Benz A-Klasse E-Cell oder die B-Klasse F-Cell mit Brennstoffzelle, der Volvo C30 Electric, der Volkswagen Golf Blue-e-Motion und der Citroen C-Zero messen sich mit Hybridfahrzeugen wie dem Toyota Prius und Prius Plug-in, die mit voller Batterie starten sowie mit den Range-Extender-Auto Opel Ampera und so manchem Exoten. Da ist viel ausgleichende Gerechtigkeit gefragt.

Unser kleiner Zweisitzer erweist sich mit seinem 55 kW / 74 PS-Motor als flotter Flitzer. 125 km/h Spitzengeschwindigkeit erreicht er, und seine Reichweite wird mit 145 Kilometer angegeben. Doch werden wir an diesem Tag bestimmt nicht seine Höchstgeschwindigkeit oder die maximale Beschleunigung austesten. Wir achten mehr auf das Powermeter, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie viel Energie unsere Fahrweise kostet. An Bord wird Genugtuung laut, als der Eco-Anzeiger zum ersten Mal verkündet, dass wir auf unserer Tour die 100 Prozent für die ökonomischste Fahrweise angezeigt bekommen.

Doch bei einer vom Sturzregen überfluteten engen Serpentinenstrecke fehlt mir der Mut, aufs Bremsen zu verzichten. Der Anzeiger fällt auf 99 Prozent ab. Was immer wir danach unternehmen: Es bleibt bei 99. Das frustriert, wenn auch auf hohem Niveau. Das Ziel erreichen wir genau in der vorgegebenen Zeit. Die Batterie meldet noch eine Restreichweite von 31 Kilometern. Aber ein Kollege hat noch 39 Kilometer auf der Uhr. Und die Wertungsprüfungen? Na ja, besser als gestern. Aber nicht gut genug. Doch abgerechnet wird zum Schluss, nach dem dritten Tag.

Am Sonnabend steigen wir wieder in eine Mercedes-Benz A-Klasse E-Cell, noch das batteriegespeiste alte Modell mit 70 kW / 95 PS mit einer Nennreichweite von 200 km. Weder die Strecke noch die Aufgaben verlangen von uns, sparsam mit der Energie umzugehen. Die Wertungsprüfungen werden immer komplizierter und doch gelingen sie besser als bisher. Wir liegen nur noch um Zehntelsekunden daneben. Aber die Profis kämpfen um Hundertstel.

Am zweiten Tag schafften es zwei Elektro-Golf mit einer Zeitdifferenz von 0,0 Sekunden durch die Lichtschranke. Die hatten allerdings eine Menge Rallyetechnik an Bord, gegen die unsere beiden Stoppuhren sich wie Sanduhren ausnahmen. Wie hatte ich annehmen können, als Rookie ohne jegliche Vorerfahrung und ohne diese Technik mit den Profis mithalten zu können? Es weiß doch jeder: Übung macht den Meister. Und dennoch stinkt’s mir.

So wird die Zieldurchfahrt in Vandans zu Balsam für meine gequälte Seele. Und schon wieder ändert die Perspektive die Ansichten. Am Rande des Zielpodests genieße ich die Nähe zu den Oldtimern, freue mich am Aussehen, ihrem Klang und den ganz besonderen Duft der Vergangenheit. Was ist dagegen schon der schreiend gelbe Mercedes-Benz SLS AMG E-Cell? Er ist schnell, aber leise. Mal sehen, was man empfinden wird, wenn dieses Stück greifbare Zukunft eines Tages selbst ein H-Kennzeichen trägt und unter den Oldtimern zum Start antritt. Jetzt kann bei mir auch das Wissen um seine fortschrittliche Technik und die 430 PS die Freunde am Alten nicht verdrängen. Anderen um mich herum geht es nicht anders. Sie bewundern den gelben Renner, aber lieben die Oldtimer.

Übrigens: Am Sonnabend haben wir eine Zeitkontrolle mit zwei Zehntel Differenz durchfahren. Wahrscheinlich nicht nur Zufall. Aber am Ende des Tages lassen wir 13 andere Elektroautos hinter uns, immerhin. Aber ob Elektroauto oder Oldtimer – die Silvretta hat mich Respekt gelehrt vor der Leistung der Könner, besonders derer, die ihre Dreitonner mit indirekter und ungenauer Lenkung und mit vergleichsweise schwachen Bremsen durch die Serpentinen schwingen und am Ende nicht nur ohne Schaden durchs Ziel rollen, sondern über die drei Tage und mehr als 300 Kilometer im Montafon auch noch hervorragende Ergebnisse einfahren. (ampnet/Sm)

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Silvretta 2012: Kampf gegen Strafpunkte.

Silvretta 2012: Kampf gegen Strafpunkte.

Foto: Auto-Medienportal.Net/Philipp Deppe

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Silvretta 2012: Smart Fortwo Electric Drive

Silvretta 2012: Smart Fortwo Electric Drive

Foto: Auto-Medienportal.Net/Philipp Deppe

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Silvretta 2012.

Silvretta 2012.

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Silvretta 2012.

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Silvretta 2012.

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Silvretta 2012: Ruhe nach dem Ziel.

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Silvretta 2012; Ruhe nach dem Ziel.

Silvretta 2012; Ruhe nach dem Ziel.

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Silvretta 2012: Mercedes-Benz SLS AMG E-Cell vor demStart.

Silvretta 2012: Mercedes-Benz SLS AMG E-Cell vor demStart.

Foto: Auto-Medienportal.Net/Philipp Deppe

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Silvretta 2012: Mercedes-Benz SLS AMG Coupé Electric Drive.

Silvretta 2012: Mercedes-Benz SLS AMG Coupé Electric Drive.

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Silvretta 2012.

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Silvretta 2012.

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Silvretta 2012.

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