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Ford Sierra wird 30 Jahre alt: Frischer Wind aus Köln

Der Ford Sierra wird 30 Jahre alt. „Toni“, so der inoffizielle Projektname während der rund sechsjährigen Entwicklung, kam im Herbst 1982 auf den Markt. Er war maßgeblich ein Produkt des Windkanals, geprägt von weich fließenden Linien und Rundungen anstatt von Ecken und Kanten. Der Ford Sierra etablierte sich schnell als eines der erfolgreichsten Modelle seines Segments. Zudem war das Modell erfolgreich im Motorsport unterwegs. Nach nur vier Jahren hatten bereits 1,5 Millionen Einheiten einen Käufer gefunden. Schon im zweiten Produktionsjahr stieg der Sierra zum Marktführer seiner Klasse auf. Auf dem Gipfel dieses Erfolgs rollte im Februar 1987 die zweite, komplett überarbeitete Generation in die Erfolgsspur und brachte als Mitgift gleich eine dritte Karosserievariante mit: die Stufenheckversion.

Auf der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) in Frankfurt von 1981 hatte Ford für die Aerodynamikstudie „Probe III“ großen Zuspruch erhalten, da viele Besucher sie als Vorboten des kommenden Sierra interpretierten. Zutreffend war eher das Gegenteil: Der Probe III stellte eher einen Nebenzweig der Entwicklung dar und ging konzeptionell über das hinaus, was für den Sierra sinnvoll und realistisch erschien. Trotzdem war auch der Sierra gelebte Zukunft. Mit einem Luftwiderstandsbeiwert von 0,34 schnitt er um 25 Prozent und damit um Welten besser ab als die meisten europäischen Automobile, die zu jener Zeit im Durchschnitt mit Faktor 0,44 gegen den Fahrtwind ankämpften. Gleichzeitig demonstrierte der windschnittige Kölner, dass er es nicht auf Symbolik und akademische Ehren anlegte: Im praxisrelevanten Produkt aus cW-Wert und Fahrzeugstirnfläche lag er nämlich mit 0,66 m2 um den gleichen Betrag besser als der Rest des Feldes – das Ergebnis aufwändiger Entwicklungsarbeit. Nicht umsonst hatten die Techniker von Ford über ein Vierteljahr mit rund tausend Einzeltestreihen im Windkanal verbracht.

Besondere Bedeutung für einen kontrollierten Luftstrom kam dabei dem speziell geformten „Aeroheck“ zu. Strömungsgünstig integrierte Stoßfänger aus Polykarbonat, mit der Außenhaut bündig verklebte Scheiben sowie integrierte Scheinwerfer und Kühlluftöffnungen zeugten von zusätzlichem Feinschliff. Auch für die Kombiversion stand fest, dass die aerodynamischen Ziele nicht zulasten typischer Funktionalität und Ladekapazität gehen durften. Durch die ungewöhnliche Abrundung des Hecks ließ sich die Windschleppe in einem bisher kaum gekannten Maß reduzieren. Ein nasenförmiges Profil als Abrisskante trug zudem der Tatsache Rechnung, dass die Luft in der Praxis fast nie frontal, sondern auch von der Seite auf das Fahrzeug trifft. Das Resultat war ein cWw-Wert, der identisch war mit dem der Limousine.

Dass sich hinter der angesprochenen Studie „Probe III“ mehr verbarg als eine Fingerübung für innovationsfreudige Ingenieure, bewies die dreitürige Hochleistungsversion Sierra XR4i. Ihr Heckspoiler war nicht nur in seiner Architektur doppelgeschossig angelegt, sondern auch doppelt so wirksam wie eine konventionelle Lösung. Im Zusammenspiel mit diversen Begleitmaßnahmen konnte auf diese Weise der Gesamtauftrieb des XR4i gegenüber der zivieren Sierra-Limousine um nochmals 40 Prozent verringert werden.

Obwohl die Karosseriedimensionen des Sierra gegenüber dem Taunus praktisch unverändert geblieben waren, hatte sich das Raumangebot in Schlüsselmaßen wie Bein- und Kopffreiheit spürbar vergrößert, wie der Pressetext erklärte: „Auch bei ganz nach hinten geschobenen Vordersitzen brauchen normalgroße Fondpassagiere ihre Knie nicht in die Rückenlehnen zu bohren; denn zwischen Kniescheibe und Vordersitzlehne haben sie dann – bei 95 Prozent der Bevölkerung – immer noch mindestens 29 Millimeter Spielraum.“

Das Tankvolumen wuchs um sechs auf 60 Liter, das Gepäckabteil von 392 auf 408 Liter, wobei sich das Fassungsvermögen durch Umklappen der Rücksitzbank fast verdoppeln ließ. Noch mehr Variabilität gab es ab der L-Ausstattung: die Rücksitzbank konnte im Verhältnis 1/3 zu 2/3 geteilt werden. „Bei Wagen mit zweitem Außenspiegel kann man den Sierra auch bis unters Dach vollladen“, so der Pressetext, „dann passen rund 1195 so genannte ,VDA-Briketts‘ hinein.“ Noch besser konnte das natürlich der rund zehn Zentimeter längere Sierra Turnier, der es bei vorgeklappten Fondsitzen und dachhoher Beladung auf 1468 Liter brachte.

Zur Wahl standen sechs Motoren – fünf Benziner und ein Diesel – mit einem Leistungsspektrum von 49 kW / 67 PS beim 2,3-LLiter-Diesel bis zu 110 kW / 150 PS beim 2,8-Liter-V6. Alle Motoren ließen sich auf Wunsch mit einem manuellen Fünfganggetriebe kombinieren, die Dieselversion besaß diese Schaltung serienmäßig. Für besonders „Sparwillige“ führte Ford eine 1,6-Liter-Economy-Version im Programm, bei der unter anderem die ,Black-Box‘, ein Kleincomputer, aus 576 vorgemerkten Positionen stets den optimalen Zündzeitpunkt ermittelt.

Im Unterschied zum Taunus verfügte der Sierra über eine komplett neu konstruierte Einzelradaufhängung vorne und hinten, der Heckantrieb blieb. Das Bremssystem bestand aus Scheibenbremsen vorne (ab 2,0 Liter und beim 2,3-Liter-Diesel innenbelüftet) und Trommelbremsen an der Hinterachse. Die Servolenkung des Sierra wirkte wie im Granada degressiv: Bei höheren Drehzahlen wurde sie straffer, um bei hohen Geschwindigkeiten optimalen Fahrbahnkontakt zu gewährleisten. Die vorderen Bremsbeläge konnten ohne Raddemontage gewechselt werden, die hinteren stellten sich selbst nach.

Die Zwischenbilanz nach zweijähriger Laufzeit konnte sich sehen lassen: Seit der Markteinführung im Herbst 1982 hatten sich weltweit über 800 000 Käufer für den Ford Sierra entschieden – nicht nur in Europa, sondern zum Beispiel auch in Japan, Südafrika, Argentinien und Neuseeland.

Zum Modelljahr 1985 kam das Aushängeschild der Marke in den Genuss einer umfangreichen Modellpflege, die vor allem das Motorenprogramm betraf. So rückte die verbrauchsoptimierte, bisher als optionale Spritsparversion „E-Max“ geführte 1,6-Liter-Variante als alleiniger Basismotor ins Programm. Als Ersatz für den bisherigen 2,0-Liter-V6 mit 90 PS betrat ein 1,8-Liter-Vierzylinder mit identischer Leistung, aber deutlich gemäßigteren Trinksitten die Bühne. Der bereits bekannte, 105 PS starke 2,0-Liter-Vierzylinder ging dank einer umfassenden technischen Revision nun ebenfalls sparsamer mit dem Kraftstoff um. Auch auf der Komfortseite legte Ford nach. Gegen Aufpreise gab es eine Klimaanlage, eine Servolenkung mit degressiver Charakteristik und ein neues Viergang-Automatikgetriebe mit Wandlerüberbrückung und langem „Overdrive“-Schongang. Der 1985er Jahrgang gab sich an zwei neuen Aerodynamik-Details zu erkennen: Eine zusätzliche Frontspoilerlippe und Modifikationen an der C-Säule führten den Luftstrom nun noch präziser ums Auto herum.

Dessen Rolle als sportliche Speerspitze der Modellpalette übernahm ab Herbst der neue XR4x4, der seine Kraft via Allradantrieb auf die Straße brachte – wahlweise als fünftüriges Fließheckmodell oder als Turnier. „Durch eine Kraftverteilung von einem Drittel auf die vordere und zwei Dritteln auf die hintere Achse wird so das Fahrverhalten eines heckgetriebenen Fahrzeugs mit den Vorteilen des Allradantriebs kombiniert. Zwei Viskosperren im zentralen Verteilergetriebe und im Hinterachsdifferenzial verhindern auch bei schwierigen Bodenverhältnissen ein unkontrolliertes Durchdrehen der Räder und leiten die Kraft jeweils zu den Rädern, die noch Traktion besitzen. Diese stets optimal angepasste Kraftverteilung auf jedes Rad macht ein manuelles Zuschalten der Differenzialsperre, wie bei anderen Systemen, überflüssig“, hieß es in der Presse-Information.

Im März 1986 wurde der noch potentere Sierra RS Cosworth präsentiert. Dessen vom englischen Rennsportexperten Cosworth entwickeltes 2,0-Liter-Triebwerk mit Turbolader, Vierventiltechnik und 204 PS verwandelte den Hecktriebler in einen sportlichen Sprinter, der in sieben Sekunden auf Tempo 100 spurten und bis zu 240 km/h schnell war. Er bildete doe Basis für zahlreiche Renn- und Rallye-Erfolge. Die auf 5000 Einheiten limitierte Erstauflage und auch die 500 später gebauten Evolutionsmodelle fanden in kürzester Zeit ihre Liebhaber und besitzen heute Sammlerwert. Am Ende seiner Laufbahn landete er 1987 noch einen beeindruckenden Start-Ziel-Sieg beim 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring und verabschiedete sich 1988 mit dem Gewinn der DTM.

Nach den Erfolgen von Capri und Fiesta in Nordamerika betrat auch der Sierra die internationale Bühne. Er hieß in den Staaten Merkur XR4 Ti und wurde von 1984 bis 1989 über Lincoln- und Mercury-Händler als sportliches europäisches Produkt vertrieben. Die Karosserie entsprach in etwa der des Sierra XR4i, der Motor war allerdings ein Vierzylinder-Turbo, das Schaltgetriebe kam von Getrag. Karmann in Rheine baute das Fahrzeug zusammen.

Bei Ford in Argentinien debütierte der Sierra 1984 und wurde mit Vierzylindermotoren mit 1,6 und 2,3 Litern Hubraum angeboten. Auch Ford in Venezuela nahm den Sierra in sein Produktionsprogramm auf. In Südafrika baute Ford den Sierra mit einem 1,6-Liter-Kent-Motor ebenso wie mit dem aus Europa bekannten 2,0-Liter-Motor. Als Besonderheit gab es einen 3,0-Liter-V6-Essex-Motor, der schon frühere Granada- und Capri-Modelle angetrieben hatte. Mit diesem Aggregat erhielt der Sierra den Namen XR6. Als besonderen Leckerbissen legte Ford sogar eine Kleinserie des XR8 auf, für dessen Vortrieb folgerichtig ein 5,0-Liter-V8 sorgte.

Eine in Deutschland kaum bekannte Karosserievariante war der P100 genannte Pick-up auf der Basis des Sierra – mit einer Nutzlast von etwa einer Tonne und einer über zwei Meter langen Ladefläche war er ein echtes Arbeitstier. In Portugal, Finnland und Österreich fanden sich die meisten Käufer.

Rund 1,5 Millionen Sierra konnte Ford in rund vier Jahren verkaufen. Knapp 17 Prozent der europäischen Neuwagenkäufer entschieden sich in der Mittelklasse für den Kölner, dessen Schöpfer schon im ersten Produktionsjahr 15 bedeutende internationale Auszeichnungen in Empfang nehmen durften. Schon in seinem zweiten Jahr schaffte der Sierra den Aufstieg zum Marktführer seines Segments. Eine Position, die er 1986 erneut innehatte.

Im Februar 1987 erschien die zweite, komplett überarbeitete Generation. Markanteste Neuheit war die Karosserieversion mit Stufenheck.

Außer den beiden 1,6- und 1,8-Liter-Motoren standen für den Sierra drei Versionen des 2,0-Liter-OHC-Vierzylinders bereit: eine 105 PS starke Vergaservariante und zwei Einspritzer. Einer dieser Einspritzer hatte einen lambda-geregelten Katalysator und leistete 100 PS, die konventionelle Ausführung brachte es auf 115 PS. Alternativ zum serienmäßigen Fünfganggetriebe konnten die 1,8- und 2,0-Liter-Benziner mit einer von Ford neu entwickelten Vierstufenautomatik kombiniert werden. Das 150-PS-Kraftpaket 2,8 V6 blieb den allradgetriebenen Topmodellen XR4x4 und Ghia 4x4 Turnier vorbehalten.

Nach Vorbild des größeren und glückloseren Scorpio wurden Teile des Interieurs wie Sitze, Tür- und Seitenverkleidungen neu gestaltet. Das Armaturenbrett erhielt eine Reihe von Verbesserungen wie Analoginstrumente, die ab GL-Ausstattung nachts mit der Augen schonenden „Durchlicht-Methode“ beleuchtet wurden. Kurzwegschalter und Kontrollleuchten für Nebenfunktionen waren nun auf beiden Seiten der Instrumententafel übersichtlich angeordnet. Auf Wunsch stand sogar eine heizbare Frontscheibe zur Wahl. Ebenfalls neu: das verbesserte Austauschsystem für die Innenraumluft, das erstmals den Kofferraum mit einbezog.

Ford hatte auch die Sitzkonstruktionen der zweiten Sierra-Generation nach neuesten Erkenntnissen der Ergonomie und Anatomie optimiert. Der Fahrersitz verfügte jetzt ab Ghia-Ausstattung über eine pneumatische Lendenwirbelstütze, die gründlich überarbeitete Rücksitzbank der Fließheck- und Turnier-Versionen über eine verbesserte Durchladevorrichtung, während die Fließ- beziehungsweise Stufenheckausführungen in GL- und Ghia-Ausstattung eine hochklappbare Mittelarmlehne im Fond erhielten. Das Angebot umfasste auch zahlreiche Radio- und Casettengeräte, darunter auch eine Spitzenanlage mit Equalizer-Verstärker.

Im Januar 1990 erhielt der Sierra eine Modellpflege. Beim Blick auf die Frontpartie fallen die weißen Blinkleuchten auf. Der neu gestaltete Kühlergrill mit dem integrierten Ford-Oval sorgte für verbesserte Belüftung. Rundum getönte Scheiben verbesserten die Wärmedämmung und dunkle Rückleuchten sowie eine schwarze Heckblende verbreitern das Fahrzeug optisch. Neue Bezugsstoffe werteten das Interieur des Sierra auf, die Instrumententafel war farblich darauf abgestimmt worden. Ein Drehzahlmesser gehörte nun in allen Modellvarianten zur Serie. Die erweiterte Radioaussparung bot nun Platz für die Top-Stereoanlage aus dem Ford „Sound 2000“-Programm.

An der Spitze der Modelle stand erneut die Hochleistungsversion Cosworth, dessen Motor eine Überarbeitung erfahren hatte. Dank strömungsoptimierter Ein- und Auslassbereiche, modifiziertem Turbolader und vergrößertem Ladeluftkühler leistete das Triebwerk nun nicht nur 220 PS und entwickelte ein Drehmomentmaximum von 290 Nm. Die Leistung wurde per Allradantrieb auf die Straße gebracht.

Auch die zivilen Motorenvarianten hatte Ford weiterentwickelt. So ersetzte eine turbogeladene Version des 1,8-Liter-Dieselmotors mit 75 PS den bisherigen 2,3-Liter-Sauger, dem er in Effizienz, Verbrauch und Laufkultur überlegen war. Als Basisbenziner fungierte der 1,6-Liter-CVH-Motor mit Zentraleinspritzung und 80 PS, gefolgt von einer 100 PS starken 2,0-Liter-OHC-Ausführung mit obenliegender Nockenwelle und Mehrpunkteinspritzung. Bei der nächsthöheren Leistungsstufe mit 120 PS – erkennbar am Kürzel „DOHC“ – handelte es sich um eine Neuentwicklung, die zugleich einen neuen Abschnitt im Motorenbau von Ford markierte. Beide 2,0-Liter-Versionen standen auf Wunsch mit einem neuen Viergang-Automatikgetriebe zur Verfügung. Als Sechszylinder war ein 145 PS starker 2,9-Liter-Motor im Angebot.

Das das Optionsprogramm den Sierra-Käufern die Möglichkeit, ihr Fahrzeug mit hochwertigen Tuningteilen aus dem Ford RS-Programm optisch zu veredeln. Leichtmetallräder, Heck- und Seitenschürzen, Sport-Lederlenkräder, ein Fahrwerk-Tieferlegungssatz, Front- und Heckspoiler oder Kotflügelverbreiterungen verliehen auf Wunsch einen Hauch von Cosworth. (ampnet/jri)

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Ford Sierra.

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Ford Sierra 2,0i Ghia Turnier (1992).

Ford Sierra 2,0i Ghia Turnier (1992).

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Ford Sierra RS Cosworth (1986)

Ford Sierra RS Cosworth (1986)

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