Nicht nur Kleider machen Leute, auch Autos. Viele wählen ihren Blechanzug, um zu zeigen, wer sie sind – ganz im Keller’schen Sinn. Das meinen wir an dieser Stelle nicht. Uns geht es um den Einfluss, den der Charakter eines Fahrzeugs auf das Verhalten seines Lenkers nimmt. So mancher Flitzer lässt seinen Menschen am Volant zu einem Sebastian Vettel werden. Andere bieten Leistung, auch Luxus und Komfort im Überfluss und geben ihren Besitzern jenes Gefühl von Überlegenheit, das beim Fahren zu Gelassenheit führt. So einer ist der Mercedes-Benz SL.
Seinem Vorgänger hätte man das eher zugetraut, denn dessen Form war glatt, sanft und elegant, fast feminin. Der Neue kommt ganz anders daher. Sein Gesicht strahlt Kraft aus. Es lässt mit seinen markanten, männlichen Zügen erkennen, was in ihm steckt und sucht dabei die Nähe zu seinem Urahnen, dem Mercedes-Benz 300 SL, der seine Karriere als reinrassiger Sportwagen begann. Von ihm blieben der Kühlergrill, die charakteristischen Linien auf der Motorhaube, die Proportionen und die berühmten seitlichen Kiemen. Auch das eher massige Heck zeigt 300 SL-Anklänge. Es strahlt Kraft aus, aber eben nicht so, dass es bedrohlich wirkte, eher selbstbewusst. Das Markante wird sympathisch durch harmonische Linienführung und die vertraute Sportwagen-Silhouette mit langer Motorhaube, weit hinten sitzender Kabine und kurzem Heck.
Die lange Motorhaube ist nicht nur Designelement und Symbol für die Leistungsklasse. Unter ihr findet sich beim Mercedes-Benz SL 500 Blue Efficiency zum Basispreis von 117 096 Euro der Acht-Zylinder-V-Motor mit 4,7 Litern Hubraum und 320 kW / 435 PS. Beim SL 350 Blue Efficiency zum Basispreis von 93 534 Euro steckt dort ein Sechszylinder mit 3,5 Litern Hubraum und 225 kW / 306 PS. Beide erreichen die 250 km/h (abgeregelt). Der SL 350 schafft den Spurt von null auf 100 km/h in 6,8 Sekunden, der SL 500 in 4,6 Sekunden. Beide verbrauchen rund 30 Prozent weniger Kraftstoff als die Vorgänger: 6,8 Liter der SL 350 im Schnitt nach EU-Norm und 9,1 Liter der SL 500.
Mit diesen Werten zeigt sich der Erfolg von viel Feinarbeit an den Motoren aber auch des Leichtbaus. Die Rohkarosse besteht zu rund 90 Prozent aus Aluminium. Deren um 110 Kilogramm reduziertes Gewicht bringt in der Summe mit anderen Maßnahmen ein Minus von 140 kg beim SL 350 und von 120 kg beim SL 500.
Doch mit 1,7 Tonnen oder 1,8 Tonnen Leergewicht sind beide Varianten des SL immer noch keine Federgewichte und auch kein Bruder Leichtfuß. Zwar wundert man sich, mit welcher Verve sich der SL in Kurven stürzt, um sie dann sportlich zu umrunden, geschoben von 1,8 Tonnen, 700 Newtonmetern Drehmoment und dem kräftigen Achtzylinderklang. Die Spitzkehre ist eine Pflicht, die er auf diese Weise mit Bravour meistert. Doch sein eigentlicher Lebensraum liegt anderswo, bei der schnellen Reise nämlich, auch bei der sehr schnellen Reise, aber eben auch bei der bedächtigen Tour.
Es hängt eigentlich nur von Wetter, Landschaft und Zeit ab. Passt alles, zeigt der SL sein anderes wahres Gesicht. Dann lässt man gern das Blechdach verschwinden – was zwar elektrisch und schnell, aber nur bei stehendem Fahrzeug möglich ist – und rollt unter blauem Himmel entspannt dahin, um die Landschaft zu genießen und auch dem Luxus die Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, die er verdient.
Beim Stadtbummel oder beim Promenieren stellt sich ein Gefühl der Gelassenheit ein, wie es nur wenige Autos verbreiten mögen. Man könnte, wenn man wollte. Man will aber nicht. Das ist genau einer der Momente, wo der Charakter des Autos den den Fahrer mitnimmt. Wer dieses Stadium erreicht, der genießt, zum Beispiel auch die neue, aufpreispflichtige Soundanlage von Harman Cardon. Deren große Tieftöner sind dank der neuen Rohkarossen aus den Türen in die Vorderwand gezogen. Dort entwickeln sie so viel Dynamik, das erstens der Klang bemerkenswert intensiv ist und zweitens die Lautstärke so in Grenzen bleibt, dass es beim Offenfahren die anderen Autofahrer nicht mehr von der Spur pustet.
Sich dem anderen nicht einmal akustisch aufzudrängen – auch das könnte man als „typisch SL“ beschreiben, wäre da nicht der satte, sonore Achtzylinder-Klang, wenn man mal den anderen, den sportlichen SL erleben will. Da presst es einen in die vorbildlich komfortablen Sportsitze und zwingt einem das Lächeln in Gesicht, das nur starke Motoren auslösen können. Neigt man dazu, sich dieses Lächeln öfter zu leisten, sollte man sich das Sportfahrwerk mit den verstellbaren Dämpfern gönnen. Den Freunden des ruhigeren Genusses sei das „Active Body Control“-Fahrwerk empfohlen. Das bietet auch in der „Sport“-Stellung viel Komfort.
Nachzutragen bleibt, dass für den SL natürlich auch die lange Liste der serienmäßigen Sicherheitsfeatures gilt und ebenso wie für die S-Klasse alle Hightech-Systeme für Komfort und Sicherheit zur Wahl stehen. Nur die volle iPhone-Integration steht erst ab Herbst zur Verfügung. Hier musste der SL der neuen A-Klasse den Vortritt lassen. Typisch.
Das Kürzel „SL“ stand mal für „Super leicht“. 1954, als die Laufbahn des SL auf der Rennstrecke begann, galt das auch noch. Der Prototyp wog rund 900 Kilogramm. Seit es danach SL gab, wuchs dieser Zweisitzer bei seinen Fähigkeiten und Annehmlichkeiten deutlich schneller als beim Gewicht. Heute müsste man das SL mit „Super Luxus“ oder vielleicht auch mit „Sportlicher Luxus“ übersetzen. Das hängt weniger vom Fahrzeug als vom Fahrer ab. Er kann beides haben oder sich von seinem SL so oder so beeinflussen lassen. Autos machen eben Leute. (ampnet/Sm)
Daten Mercedes-Benz SL 500 Blue Efficiency
Länge x Breite x Höhe (m): 4,61 x 1,88 x 1,32
Motor: V8, 4663 ccm, zwei Turbolader, Direkteinspritzung
Leistung: 320 kW / 435 PS bei 5250 U/min
Max. Drehmoment: 700 Nm zwischen 1800 und 3500 U/min
Verbrauch (nach EU-Norm): 9,1 Liter
CO2-Emissionen: 212 g/km (Euro 5)
Höchstgeschwindigkeit: 250 km/h (abgeregelt)
Beschleunigung von 0 auf 100 km/h: 4,61 Sek.
Leergewicht/Zuladung: 1785 kg / 380 kg
Kofferraumvolumen: 364 bis 504 Liter
Räder / Reifen: vorn 8,5J x18, 255/40 R 18; hinten 9,5J x 18, 285/35 R 18
Wendekreis: 11,04 m
Basispreis: 117 096 Euro
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