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Auch Designer dürfen träumen: „Ein Cabrio wäre eine schöne Übung“

„Wir haben lange für diese großen Räder gekämpft, weil sie das Verhältnis vom Körper zu den Rädern auf das richtige Maß stellen“, bekennt Skodas Chef-Designer Oliver Stefani beim Gespräch mit der Autoren-Union Mobilität (aum). Axel F. Busse sprach aus Anlass der Präsentation des neuen Skoda Fabia mit dem Mann der kristallinen Formen.

Herr Stefani, welchen Anteil hat das Design eines Automobils ihrer Meinung nach an der Kaufentscheidung der Kunden?

„Das ist schwer zu beziffern, aber ich weiß, dass es bei einigen Marken Kaufgrund Nummer eins ist. Für viele Kunden ist es sehr wichtig, dass das Auto zu ihnen passt und auch ihren Lebensstil reflektiert. Auch bei uns ist deshalb der Einfluss des Designs sehr hoch.“

Zu Ihrem Amtsantritt als Chefdesigner hat der damalige Skoda-Chef Bernhard Maier gesagt, dass man mit Ihnen die nächste Entwicklungsstufe zünden werde. Welche Stufe wurde von Ihnen gezündet?

„Wir haben versucht, unsere Autos in der Grundausrichtung stärker zu emotionalisieren. Als Marke sind wir bekannt für unsere funktionalen Werte. Wir Designer haben unseren Produkten einen Schwung mehr Modellierung mitgegeben. Flächen haben mehr Licht und Schatten bekommen, die so genannte Tornadolinie spielt eine wichtige Rolle und wir nutzen Scheinwerfer mehr als Designobjekte.“

Sie sagen, dass Skoda ein kristallines Design auszeichne und ein vergleichbares Gestaltungsprinzip keine andere Marke habe. Womit kann man künftig mit Blick auf die E-Mobilität rechnen?

„Wir sind mitten in einem tiefgreifenden Transformationsprozess und auch im Hinblick auf die Elektrifizierung muss man schauen, welche Elemente man aus der Vergangenheit mitnimmt und wo man neu komponieren muss.“

Sollten sich Elektro-Autos als solche schon im Design identifizieren und anhand bestimmter optischer Signale erkennbar sein?

„Meiner Meinung nach sind Elektrofahrzeuge heute schon eindeutig zu erkennen. Wir haben durch die Lage der Batterie und über die Aerodynamik die Möglichkeit, ganz neue Akzente setzen. Die Proportionen, die weit vorn liegende A-Säule und große Räder sorgen für einen ganz anderen Auftritt als bei herkömmlichen Fahrzeugen.“

VW-Designchef Klaus Zyciora, zu dessen Team Sie lange gehörten, ist der Ansicht, E-Autos geben ihren Designern mehr Freiheiten beim Entwerfen. Welche sind dies aus Ihrer Sicht?

„Mehr Freiheiten gibt es beispielsweise, wenn wir uns die Proportionen ansehen. Wir haben nicht mehr die großen Überhänge. Durch die Batterie im Boden und den daraus resultierenden großen Radstand erzielen wir einen signifikanten Raumgewinn, was unseren Kunden direkt zugutekommt. Weitere Freiheiten ergeben sich auch im Bereich des Interieur-Designs.“

Wie kann man bei der Innenarchitektur dem Ziel «mehr Emotionalität» Geltung verschaffen?

„Für uns ist es wichtig, über die Gestaltung der Stofflichkeit, der Displays und der Konsolen eine gewisse Dynamik in den Innenraum zu bringen. Das Gesamterlebnis für die Insassen muss stimmen. Ein wichtiger Punkt dabei ist die Frage, wie die Schalttafeln und die Anzeigen positioniert werden, denn man kann auch über die Funktionalität und die Bedienung Emotionen erzeugen. Eine einfache Bedienung ist uns dabei sehr wichtig.“

Es hat in den vergangenen Jahren einen erheblichen Zuwachs in der Größe von Displays und Touchscreens gegeben. Welche Rolle spielen bei der Gestaltung Fragen des Information-Overloads und der möglichen Ablenkung des Fahrers?

„Die Fahrer-Ablenkung spielt eine große Rolle in der Gestaltung. Insofern steht eine fahrerfreundliche, einfache Bedienung ganz oben auf unserer Prioritätenliste.“

Als es noch Automessen mit Publikum gab, sahen die Besucher oft hinreißend gestylte Konzeptfahrzeuge, in dem betreffenden Serienauto blieb regelmäßig kaum etwas davon übrig. Woran liegt das?

„Showcar-Modelle sind auch etwas zum Träumen. Sowohl für uns als Designer, als auch für die Kunden. Sie sollen einen Vorgeschmack auf die Zukunft geben, bei Skoda aber auch einen gehörigen Teil Realismus beinhalten.“

Skoda ist zur größten Importmarke in Deutschland aufgestiegen und auch weltweit sehr erfolgreich. Inwieweit beeinflusst das Bemühen um Bewahrung des Erfolgs die Freiheit im Design? Das schönste Auto taugt schließlich nichts, wenn es sich nicht verkauft.

„Ein wichtiger Punkt, das ist richtig. Den Erfolg der Marke müssen wir natürlich in Zukunft bewahren und das hat Einfluss auf unsere tägliche Arbeit. Wer erfolgreich sein möchte, muss aber immer wieder Neues wagen und so lange optimieren und testen, bis wir vom Erfolg des vorliegenden Konzepts überzeugt sind. Wir haben in der jüngsten Vergangenheit schon recht mutige Entwürfe gezeigt und sehen, Mut zahlt sich aus.“

Elektro-Autos haben den Anspruch, umweltverträglicher zu sein als herkömmliche Verbrenner. Inwieweit kann das Design einen solchen Anspruch untermauern?

„Wir untermauern dies zum Beispiel im Bereich der Aerodynamik. Hier versuchen wir alles, um Vorteile bei der Reichweite zu gewinnen. Das fängt beim Stoßfänger an, geht über die Haube, die Scheiben und die Türgriffe bis hin zu Spoilern und Diffusoren. Wir haben schon bei den jüngsten konventionell angetriebenen Fahrzeugen in diesem Bereich sehr gute Werte erzielt.“

„Sollte der Anspruch höherer Umweltverträglichkeit bei E-Autos auch im Innenraum sichtbar sein? Zum Beispiel bei der Materialauswahl mittels Naturfasern oder recyceltem Plastik?

„Wir untersuchen diesen Komplex seit längerem und setzen neue Erkenntnisse auch konsequent um. Zum Beispiel verwenden wir bei den Polstern Leder, das nicht mit herkömmlichen Chemikalien gegerbt ist, sondern nach einem neuen umweltschonenden Verfahren. Prinzipiell versuchen wir, mit natürlichen Materialien zu operieren, sie sozusagen aus dem häuslichen Gebrauch in die Fahrzeuge zu bringen. Connolly-Leder, Chrom-Applikationen oder Klavierlack-Flächen spielen in den Lebenswelten der meisten Menschen eher keine Rolle. Wir wollen in unseren Fahrzeugen eine Wohlfühl-Atmosphäre erzeugen, indem man seine eigene Lebenswelt auch im eigenen Pkw wiederfinden kann. Das „Zu-Hause-Fühlen“ ist ein wichtiges Element an dieser Stelle.“

Was gefällt Ihnen am Enyaq persönlich am besten?

„Das Gesamtpaket ist beim Enyaq iV extrem stimmig und es ist nicht leicht, einzelne Details hervorzuheben. Im Innenraum gefällt mir zum Beispiel die leichte Schalttafel und die Räumlichkeit, die sie erzeugt, besonders gut. Das ist ein Element, das meiner Ansicht nach nicht klassisch automotiv daherkommt. Äußerlich ist es die Dachlinie und die Art, wie das Auto auf seinen Rädern steht. Da haben wir die Vorteile des MEB super genutzt und ein sehr attraktives Fahrzeug gestaltet.“

In seinen Dimensionen erscheint der Enyaq aber doch recht mächtig. Ist das als Statement des Selbstbewusstseins zu verstehen?

„Nein, ein Statement des Selbstbewusstseins ist es nicht. Das Auto ist sehr kompakt. Es hat zwar eine gewisse Höhe, aber es macht keinen übertrieben voluminösen Eindruck. Die großen Räder dienen dazu, gefällige, attraktive Proportionen zu schaffen. Wir haben lange für diese großen Räder gekämpft, weil sie das Verhältnis vom Körper zu den Rädern auf das richtige Maß stellen. Man muss das Fahrzeug einfach draußen auf der Straße erleben. Es ist eine Sache, über Design zu reden, aber eine andere, Design zu sehen.“

Empfinden Sie es als Einschränkung Ihrer künstlerischen Freiheit, dass in den Volumensegmenten seit gewisser Zeit nur noch SUV und Crossover gefragt sind?

„Ich sehe es nicht als Einschränkung, sondern eher als Herausforderung, die Fahrzeuge so zu gestalten, dass sie unterschiedliche Charaktere haben und unterschiedliche Geschichten erzählen. Aus einer bestimmten Situation heraus etwas Neues machen zu können, das spornt uns als Designer an.“

Würden Sie gern mal wieder ein Cabrio zur Serienreife bringen?

"Ein Coupé oder ein Cabrio zu entwerfen wäre eine schöne Übung, das erfreut das Designer-Herz. Flache, sportliche Fahrzeuge mit großen Rädern und kleinen Scheiben zu zeichnen geht leicht von der Hand. Aber wir müssen uns da der Realität stellen und das entwerfen, was der Markt und die Kunden wünschen." (aum/Axel F. Busse)

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