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Energiewende: Droht E-Fahrern der elektrische Lockdown?

Beginnen wir mit einer schlechten Nachricht: „Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) steuert die Energiewende im Hinblick auf die gesetzlichen Ziele einer sicheren und preisgünstigen Versorgung mit Elektrizität weiterhin unzureichend.“ So steht es in schonungsloser Offenheit im Bericht des Bundesrechnungshofes zur Umsetzung der Energiewende im Hinblick auf die Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit von Elektrizität.

Die Forderungen der Prüforganisation: Das BMWi „muss sein Monitoring zur Versorgungssicherheit vervollständigen und dringend Szenarien untersuchen, die aktuelle Entwicklungen und bestehende Risiken zuverlässig abbilden.“ Die von der Bundesregierung geforderten Grundlagen sind dabei noch immer nicht definiert. „Außerdem hat es immer noch nicht festgelegt, was es unter einer preisgünstigen und effizienten Versorgung mit Elektrizität versteht. Angesichts der Entwicklung der Strompreise empfiehlt der Bundesrechnungshof eine grundlegende Reform der staatlich geregelten Energiepreis-Bestandteile“, so der Bundesrechnungshof.

Dabei ist Deutschland auf einem guten Weg, was die Stromerzeugung mit Hilfe von erneuerbaren Energien angeht. 50,5 Prozent der Elektrizität wird vor allem aus Windkraft (27 Prozent), zum Teil auch aus Wasserkraft (3,7 Prozent) erzeugt, Photovoltaik steuert 10,5 Prozent bei, und Biomasse kommt auf einen Anteil von 9,3 Prozent. Strom aus Kohle oder Kernkraft ist auf dem Rückmarsch, Gas konnte leicht zulegen. Soweit, so gut. Allerdings hält der Ausbau nachhaltiger Energiegewinnung nicht mit den zu erwartenden Steigerungen beim Strombedarf mit. Dafür ist vor allem der erhebliche Zuwachs bei der Elektromobilität verantwortlich.

Bis 2030 sollen sieben bis zehn Millionen Elektrofahrzeuge auf unseren Straßen unterwegs sein, und deren Energiehunger bringt das Versorgungskonstrukt erheblich ins Wanken. Auch die Forderung nach preisgünstigen Stromangeboten wird nicht erfüllt. Nirgendwo anders in Europa ist elektrische Energie für private Nutzer so teuer wie in Deutschland. 30,3 Cent zahlt der Kunde im Durchschnitt für eine Kilowattstunde, das EU-Mittel liegt bei 21,3 Cent.

Hohe Strompreise contra günstiger Diesel

Wer sein Elektroauto an eine öffentliche Ladesäule anschließt, wird noch ärger zur Kasse gebeten. Neben einer Grundgebühr für die Ladekarte, in unserem Beispiel liegt sie bei knapp 30 Euro für drei Monate, werden beim Laden mit Wechselstrom je Kilowattstunde 35 Cent, bei schnellen Gleichstrom-Ladesäulen 40 Cent fällig. Roaming-Kunden, die mit einer Fremd- oder Kreditkarte bezahlen, müssen 40 Cent für Wechselstrom und sogar 45 Cent je kWh bei Gleichstrom rechnen. Bei einem Verbrauch von etwa 16 kWh für 100 Kilometer ist ein sparsam gefahrener Diesel fast günstiger, schneller vollgetankt obendrein und vor allem mit einer deutlich größeren Reichweite gesegnet. Zwar wird der Preis für fossile Brennstoffe weiter steigen, das gilt aber auch für die Stromtarife.

Harsche Kritik äußert der Bundesrechnungshof außerdem an der Versorgungssicherheit. Die Bonner Finanzprüfer hegen erhebliche Zweifel, ob die veranschlagten Kosten von rund 530 Milliarden Euro für die Energiewende und den Netzausbau bis 2025 ausreichen werden, um eine uneingeschränkte Versorgung der Endverbraucher zu gewährleisten. In den Bereichen Netzausbau und Speicher, Netzwartung, Netzstörungen und Gewährleistung der Netzstabilität sowie Nachfragespitzen und Versorgungsausfällen sage das Monitoring des BMWi bisher nichts oder kaum etwas aus. „Insoweit ist das Monitoring lückenhaft.“

Die Industrie wird bevorzugt

Für den Verbraucher oder besser, die Nutzer von Elektrofahrzeugen, bedeutet dies im schlimmsten Fall einen elektrischen Lockdown. Denn die Versorgungsregeln sagen, dass systemrelevante Energieabnehmer immer bevorzugt werden. Das sind nicht nur Kliniken oder Behörden, auch die Industrie zählt zu jenen Kunden, denen man den Strom nicht abstellen wird. Gerade energieintensiven Branchen wie der Metallerzeugung und anderen schwerindustriellen Bereichen wird man den Strom nicht abschalten, wenn es eng wird. Wohl aber dem Elektroautofahrer, der den Akku seines Wagens nichtsahnend an der Wallbox in der Garage über Nacht aufladen will. Ihm kann es passieren, dass ihm die Reichweitenanzeige am nächsten Morgen nicht die erwarteten 250 Kilometer, sondern gerade mal die Hälfte der Strecke oder sogar weniger in Aussicht stellt. Die Planungssicherheit bleibt auf der Strecke und damit das Vertrauen in die Elektromobilität.

Dabei ist schnelles Handeln dringend erforderlich, die Auswirkungen des Klimawandels treten immer häufiger und extremer zu Tage. Wetterkatastrophen, Artensterben und dramatische Dürreperioden beeinträchtigen Flora und Fauna zunehmend. Der Meeresspiegel ist seit Beginn der Aufzeichnungen 1880 erheblich gestiegen, allein für die Zeit von 1901 bis 2010 wird er im fünften Sachstandsbericht des Ausschusses für Klimaänderungen der Vereinten Nationen mit 19 Zentimeter (+/-2 Zentimeter) angegeben. Das sind im Durchschnitt 1,7 Millimeter im Jahr. Dumm nur, dass die Sache sich beschleunigt. Im Jahr 2018 kam es zum bisherigen Rekordwert von 3,7 Millimeter.

Klar, dass diese Entwicklung allein mit der Einführung flächendeckender Elektromobilität nicht gestoppt werden kann, selbst wenn die benötigte Energie 100-prozentig nachhaltig erzeugt wird. Die jetzt vom Bundesrechnungshof festgestellten Mängel bei der Umsetzung der Energiewende durch die Ministerien lässt die Zukunft in einem eher düsteren Licht erscheinen. (ampnet/mk)

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