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130 Jahre Automobil (4): Der Siegeszug

Am 29. Januar 2016 feiert das Automobil offiziell seinen 130. Geburtstag. Der Mannheimer Ingenieur und Erfinder Carl Benz meldete am 29. Januar 1886 seinen „Patent Motorwagen Nummer 1“ als Deutsches Reichspatent mit der Nummer 37435 zum Patent an. Das erste fahrtaugliche Auto unternahm am 3. Juli 1886 seine erste Probefahrt und erhielt am 2. November des gleichen Jahres offiziell sein Patent. Neben dem Buchdruck, der Dampfmaschine und dem Computer gilt das Auto als diejenige technische Errungenschaft der Neuzeit, die die Geschichte der Menschheit am nachdrücklichsten beeinflusst hat.

Der 8. Mai 1945 markierte die Stunde Null in Deutschland. Die totale Niederlage nach einem totalen Krieg hinterließ ein verwüstetes Land, das Millionen von Toten betrauerte, und 21 Millionen Flüchtlinge zählte, die über den europäischen Kontinent irrten. Ebenso prägten eine zerstörte Infrastruktur und eine Wirtschaft, die aufgehört hatte zu existieren, das Bild. Als kriegswichtige Industrie waren vor allem die Autohersteller betroffen. Die Werke von BMW, Mercedes, Opel und Ford lagen komplett in Trümmern. Die Produktionsstätten der Auto Union, sofern noch nutzbar, befanden sich zum überwiegenden Teil auf dem Gebiet der Sowjetischen Besatzungszone.

Auch das riesige VW-Werk und die ehemalige „Stadt des KdF-Wagens“ war von Zerstörungen geprägt. Doch ein historischer Glücksfall bewahrte den Standort vor der totalen Zerstörung der „riesigen Nazi-Fabrik“, wie sie die Amerikaner bezeichneten und bereits im Frühjahr 1945 oben auf die Agenda ihrer Sprengkommandos gesetzt hatten. Doch der nunmehr Wolfsburg benannte Ort lag in der englischen Besatzungszone und die Royal Army kommandierte im Sommer 1945 einen 29-jährigen Offizier ab, der sich um das Werk kümmern sollte. Die Briten benötigten für den Aufbau einer funktionierenden Verwaltung dringend Fahrzeuge. Ebenso für den eigenen Bedarf als Reparationsleistungen. Die Leistung und das persönliche Engagement von Ivan Hirst (1916–2000) schrieben Geschichte. Er rettete in der Frühphase Volkswagen nicht nur vor Demontage und Zerstörung, er schaffte das Wunder, die Produktion in Schwung zu bringen und die Bevölkerung und 9000 befreite Zwangsarbeiter irgendwie über die Runden zu bringen. Zu Hirsts Engagement gesellte sich das Glück des Tüchtigen.

Der VW-Maschinenpark war zu 90 Prozent erhalten geblieben und die Konstruktion des Käfers umfasste alles, was die Zeit von einem Auto verlangte: Zuverlässigkeit, Nutzbarkeit, leicht zu warten und reparieren. Eigenschaften, die nicht nur in Deutschland gefragt waren, sondern in allen Ländern Europas. Der Export-Käfer feierte im Oktober 1947 seine internationale Premiere im Rahmen der Pariser Automobilausstellung. Am 8. August 1947 war bereits der erste Exportvertrag mit den holländischen Gebrüder Pon abgeschlossen worden.

Die Übergabe des VW-Werks 1948 in die Hände eines professionellen Managements unter Leitung von Heinrich Nordhoff (1899–1960) ab 1948 sorgte für weiteren Schub. Volkswagen entwickelte sich in raschen Schritten zum erfolgreichsten deutschen Unternehmen, als Motor des anlaufenden Wirtschaftswunders, das bereits 1954 den Bau des einmillionsten Käfers feiern konnte.

Während Ford und Opel dank der Unterstützung ihrer amerikanischen Mütter relativ schnell auf die Beine kamen, war der Neubeginn bei Mercedes oder BMW schwieriger. Die Schwaben konzentrierten sich mit bewährten Vorkriegskonstruktionen wie dem Mercedes 170 auf ein gehobenes Publikum und legten den Grundstein für seinen Nimbus mit hochwertiger Handarbeit und zuverlässigen Fahrzeugen, die auch schnell ihren Weg in den Export fanden. Symbol für den Aufstieg der deutschen Autobauer war sicher der 240 PS starke Supersportwagen Mercedes 300 SL von 1954.

Die goldenen Fünfziger des vorigen Jahrhunderts mit ihrem weltweiten Wirtschaftswunder ließen den Bedarf an Autos explodieren. Dabei durfte es durchaus ein bisschen mehr als simple Transportmittel sein. Reine Sportwagenhersteller wie Porsche konnten sich etablieren. Exklusive Luxusmarken sprießten wie Pilze aus dem Boden. Ferrari, Iso und Lamborghini in Italien, Facel in Frankreich, Aston Martin, Jaguar, Bristol oder Jensen in England. Der Koreakrieg ab 1950 etablierte Japan als Basis für die Alliierten und als Lieferant für gewaltige Mengen von Rüstungsgütern, besonders an Automobilen. Der bis 1953 wütende Krieg setzte das japanische Wirtschaftswunder in Gang und startete den Siegeszug der japanischen Autoindustrie.

In den beiden ersten Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte sich die weltweite Autoindustrie gleichermaßen dynamisch wie dramatisch. In Deutschland erwiesen sich die minimalistischen Kleinwagen der 1950er-Jahre als Irrweg. Die motorisierten Winzlinge versagten ihren Kunden echte Alltagstauglichkeit zu Preisen, die gegen die 4200 Mark eines Standard-Käfers nicht wirklich konkurrenzfähig waren. Die Isetta von BMW brachte den Hersteller massiv ins Wanken. Zahlreiche Marken scheiterten, wie Borgward oder Glas. BMW konnte Anfang der 1960er-Jahre nur dank massiver finanzieller Hilfe der Deutschen Bank überleben. Audi feierte im selben Dezenium die Wiederauferstehung der alten Auto Union.

In den 1970er-Jahren folgte eine erste Welle der Konzentration. VW tat sich mit Audi zusammen, Fiat mit Alfa Romeo und Lancia, die britischen Hersteller formten British Leyland und die japanischen Hersteller eroberten die Welt. Dabei konnte sich die Autoindustrie nie von weltpolitischen Ereignissen entkoppeln. Die Emanzipation vor allem der arabischen Ölförderländer führte Anfang der 1970er-Jahre zur Gründung der OPEC, die den Rohölpreis massiv in die Höhe trieb. Plötzlich waren wieder kleine und wirtschaftliche Autos gefragt. Die zunehmende Umweltzerstörung und die vergiftete Luft der großen Metropolen erzwangen erstmals wirksame Maßnahmen zur Abgasreinigung.

Der Fall des Eisernen Vorhangs 1989 öffneten neue Märkte im Osten, das wirtschaftlich erstarkende China versprach goldenen Zeiten für die Autoindustrie und neue Herstellernationen emanzipierten sich: Korea, Indien oder China.

Doch auch die letzten Jahre der nunmehr 130-jährigen Autogeschichte zeigen wechselvolle Entwicklungen, wie sich durch rasch wandelnde ökonomische oder ökologische Rahmenbedingungen die Karten neu verteilen. Traditionsreiche Namen genießen keinen Bestandsschutz, wie Rover, Saab, Lancia, Oldsmobile oder Pontiac beweisen. Die irrwitzigen Anforderungen an Entwicklungsarbeit zwingen zu ungewöhnlichen Allianzen wie zwischen Mercedes-Benz und Renault-Nissan. Und wie im richtigen Leben endeten manche Firmenehen, die „im Himmel geschlossen wurden“, im Rosenkrieg – siehe Daimler/Chrysler oder BMW/Rover.

Zum 130. Geburtstag des Autos ist jedoch eines sicher: Die Faszination des individuellen Verkehrsmittels ist ebenso ungebrochen wie seine Bedeutung für die Mobilität und die weltweite Wirtschaft. Dass sich das Auto den gewaltigen Herausforderungen der Zukunft in puncto Ökologie und begrenztem Verkehrsraum in den wachsenden Ballungszentren stellen wird, darf als gesichert gelten. Ob die Autos der Zukunft vornehmlich elektrisch oder durch eine Brennstoffzelle angetrieben werden, ist offen. Auf jeden Fall bleibt genügend Stoff für die Chronisten des Automobils bei seinen kommenden runden Geburtstagen. (ampnet/tl)

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VW feierte 1946 den 1000sten Käfer.

VW feierte 1946 den 1000sten Käfer.

Foto: Auto-Medienportal.Net/Volkswagen

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Im Zweiten Weltkrieg zerstörtes Opel-Werk Rüsselsheim.

Im Zweiten Weltkrieg zerstörtes Opel-Werk Rüsselsheim.

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Ivan Hirst (1916–2000).

Ivan Hirst (1916–2000).

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Heinrich Nordhoff mit der VW-Belegschaft.

Heinrich Nordhoff mit der VW-Belegschaft.

Foto: Auto-Medienportal.Net/Volkswagen

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IAA 1951: Volkswagen Käfer.

IAA 1951: Volkswagen Käfer.

Foto: Auto-Medienportal.Net/Volkswagen

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Ur-Saab (1946).

Ur-Saab (1946).

Foto: Auto-Medienportal.Net/Saab

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Aston Martin DB 1 (1948–1950).

Aston Martin DB 1 (1948–1950).

Foto: Auto-Medienportal.Net/Aston Martin

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Werbemotiv für den Mercedes-Benz 170.

Werbemotiv für den Mercedes-Benz 170.

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US-Schauspieler Cary Grant als Werbeträger für die BMW Isetta in den 1950er-Jahren.

US-Schauspieler Cary Grant als Werbeträger für die BMW Isetta in den 1950er-Jahren.

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Lamborghini 350 GTV (1963).

Lamborghini 350 GTV (1963).

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Werbemotiv für den Jaguar E-type (1965).

Werbemotiv für den Jaguar E-type (1965).

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Lancia Fulvia (1970).

Lancia Fulvia (1970).

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Pontiac Firebird Trans Am (1976).

Pontiac Firebird Trans Am (1976).

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Hyundai Dynasty (1996–2005).

Hyundai Dynasty (1996–2005).

Foto: Auto-Medienportal.Net/Hyundai

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