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Es tut sich was in Palo Alto

Die kalifornische Universitätsstadt Palo Alto, eine gute Autostunde südlich von San Francisco, gilt zu Recht als das Mekka der globalen Computerindustrie. Hier nahm 1939 der spätere EDV-Gigant Hewlett-Packard in einer Garage seinen Anfang, im benachbarten Los Altos gründete - ebenfalls in einer Garage - Steve Jobs 1976 sein Unternehmen Apple. An der örtlichen Stanford University, an deren Fakultäten 30 Nobelpreisträger lehren und lehrten, studierten unter anderem der ehemalige Microsoft-Chef Steve Ballmer, die Google-Gründer Larry Page und Sergey Brin sowie Marcian Edward Hoff, der Erfinder des Mikroprozessors, YouTube-Gründer Jawed Karim und ein ganzes Heer weiterer Berühmtheiten. Auch der spätere PayPal-Mitbegründer Elon Musk hörte Physik an der Privatuni - allerdings nur zwei Tage lang. Dann hatte er die Nase voll und gründete sein erstes Internetunternehmen.

Wo der technologische Fortschritt zu Hause ist, kann auch die Automobilindustrie nicht weit sein. Richtige Personenwagen baut zwar bisher in Palo Alto als einziger nur Tesla mit Musk an der Spitze, Produzent luxuriöser und entsprechend teurer Elektroautos. Andere Fahrzeugbauer sind mit Forschungsinstituten vertreten, um bei zukunftsträchtigen Entwicklungen ein gewichtiges Wörtchen mitreden zu können. Dazu zählen beispielsweise Mercedes-Benz mit seinem amerikanischen "Research and Development"-Ableger und BMW und Ford, die ebenfalls im Silicon Valley forschen und entwickeln. Auch der Volkswagen-Konzern siedelte sich hier mit seinem "Electronics Research Laboratory" für die Marken Audi, Bentley, Bugatti, Lamborghini und VW an.

Jetzt tut sich wieder was. Zur Zeit sieht es ganz so aus, als stünde Palo Alto erneut vor einem Umbruch, weil dort einige Newcomer den internationalen Automarkt aufmischen möchten. So will sich Tesla demnächst auf solche Autos konzentrieren, die sich auch für Nicht-Millionäre im Bereich der Möglichkeiten befinden, Google und Apple erproben bereits fahrbare Eigenkonstruktionen, andere Möchtegern-Autobauer stehen in den Startlöchern. Sie alle haben drei Dinge gemeinsam: Geld ohne Ende, einen festen Glauben daran, dass dem elektrisch betriebenen Auto die Zukunft gehört und die Überzeugung, dass dieses Fahrzeug seinen Weg automatisch und ohne Dazutun eines Fahrers sicher und effizient bewältigen muss. Tesla-Chef Elon Musk (geschätztes heutiges Vermögen: 30,2 Milliarden Dollar), dem die einen die Genialität eines Steve Jobs, eines Thomas Alva Edison oder eines Henry Ford nachsagen, während ihm die anderen die Verkörperung eines Spinners oder Großmauls bescheinigen, ist davon überzeugt: "Wenn wir uns nicht von fossilen Brennstoffen für die Mobilität verabschieden, werden Wirtschaft und Gesellschaft zusammenbrechen. Diese Rohstoffe zu verbrennen, war das bei weitem dämlichste Experiment in der Menschheitsgeschichte."

Schützenhilfe erhält Musk von unerwarteter Seite. Auch Daimler-Chef Dieter Zetsche glaubt, dass der Verbrennungsmotor auf längere Sicht aussterben wird. Kürzlich gab er in einem Interview mit dem US-Automagazin "Car and Driver" zu Protokoll: "Ich habe großen Respekt gegenüber der Arbeit, die Elon Musk geleistet hat. Ob er mit seinen zukünftigen Plänen Erfolg hat, wird sich zeigen. Auf jeden Fall hat Tesla bisher einen tollen Job gemacht." Vor Apple oder Google fürchtet sich Zetsche nicht, gibt aber zu, dass deren Initiativen im Geschäft der Autoindustrie große Veränderungen auslösen könnten. Sein Konzern jedoch, betonte er im März auf dem Genfer Auto Salon, behalte auch in Zukunft "die gesamte Wertschöpfungskette in der Hand“.

Am weitesten unter den IT-Spezialisten scheint Google mit einem vollautomatischen, elektrischen Fahrzeug ohne Lenkrad, Gas- und Bremspedal für zwei Fahrgäste zu sein. Zunächst hatte das Unternehmen mit Toyota-Modellen wie dem Prius experimentiert, jetzt stellte es ein Vehikel auf vier Räder, dessen Design an ein verunglücktes Osterei erinnert. Davon sollen - das berichtete Auto Bild im Januar dieses Jahres - 150 Exemplare zu ausgedehnten Tests in Kalifornien antreten. Die sollen den Fahrern allerdings im Gegensatz zu den ersten Prototypen aus Sicherheitsgründen jederzeit erlauben, in das Geschehen einzugreifen. Was nach der Testphase geschieht, mochte Google bis jetzt nicht verraten. Ob eine eigene Fabrikation geplant ist oder die Kooperation mit einem etablierten Hersteller steht noch in den Sternen.

Noch nicht ganz so weit wie Google, aber längst aus den Automobilbau-Kinderschuhen heraus ist Apple. Noch zu Lebzeiten hatte Steve Jobs, Erfinder von iMac, iPod, iPhone und iPad von einem iCar geträumt, jetzt macht seine Firma Nägel mit Köpfen. Im Herbst vergangenen Jahres warb das Unternehmen mit dem angebissenen Apfel im Logo Johann Jungwirth, den ehemaligen Forschungs- und Entwicklungschef von Mercedes Benz in Nordamerika ab, außerdem eine Handvoll Tesla-Ingenieure. Wall Street Journal und Financial Times berichteten daneben unabhängig voneinander über Besuche hochrangiger Apple-Autoritäten beim österreichischen Automobilzulieferer Magna Steyr in Graz. Weil auch Spezialisten des amerikanischen Batterie-Herstellers A123 Systems aus dem US-Bundesstaat Michigan, der nach seiner Insolvenz 2012 vom größten chinesischen Autoproduzenten Wanxiang übernommen worden war, dem Lockruf des Geldes aus Kalifornien folgten, reichte der Spezialist für Elektroauto-Batterien Klage bei einem US-Bundesgericht ein. Es drohe die Verletzung von Konkurrenzschutzklauseln, weil die ehemaligen Mitarbeiter an vergleichbaren Projekten arbeiteten wie bei ihrem alten Arbeitgeber, so lautet der Vorwurf.

Ein weiteres Indiz für die Ernsthaftigkeit der Apple-Autopläne wurde jetzt in der Schweiz bekannt. Dort ließ sich das Unternehmen den Schutz seiner Markennamen und seines Logos um einige Kategorien erweitern, und zwar unter anderem für Fahrzeuge; Apparate zur Beförderung auf dem Lande, in der Luft oder auf dem Wasser; elektronische Hardwarekomponenten für Kraftfahrzeuge, Eisenbahnwaggons und Lokomotiven, Schiffe und Flugzeuge. Und bei der Vorstellung des jüngsten Apple-Produkts , der Apple-Watch, meinte Vorstandsvorsitzender Tim Cook beiläufig, die Uhr werde in Zukunft den Autoschlüssel ersetzen.

Mittlerweile arbeiten rund 1000 Beschäftigte in einer streng geheimen Abteilung am "Apple Titan" getauften Projekt, das in punkto Design dem Google-Vehikel um Meilen voraus sein müsste. Schon unter Steve Jobs bestachen die Apple-Produkte mit einer nahezu perfekten Formgebung, für die in den 1980er Jahren der Deutsch-Amerikaner Hartmut Esslinger verantwortlich war. Im Februar erzählte er den Redakteuren von Spiegel Online, ein Auto hätte unter Jobs wohl so ausgesehen wie ein BMW i3: "Dessen Design ist Avantgarde, verkörpert gut das Credo, dass neue Technik auch ein neues Design braucht."

Dem entsprechend beurteilt der scheidende BMW-Chef Norbert Reithofer den möglichen Einstieg von Apple ins Autogeschäft als "Herausforderung". Auf dem Genfer Auto Salon sagte er: "Wir müssen uns darauf einstellen, dass Wettbewerber in Zukunft Autos bauen, die bisher nicht am Markt waren. Das haben wir bereits mit Tesla erlebt." Dagegen scheinen VW-Chef Martin Winterkorn und sein Kollege von Renault-Nissan, Charlos Ghosn, die Pläne der Newcomer zu begrüßen. Winterkorn meinte in einem Interview mit dem "stern": "Angst haben wir nicht. Bei der Digitalisierung im Fahrzeug und dem Bedienkomfort ist Apple ein Wettbewerber. Was Autos betrifft, sicher nicht." Durch das Engagement von IT-Unternehmen könnten Autos bei jungen Menschen wieder mehr Akzeptanz finden. Und Charlos Ghosn lässt sich zitieren, dass jeder neue Wettbewerber im Bereich der Elektroautos den Markt voranbringe. Ob es jedoch bei der Gelassenheit des etablierten Auto-Establishments bleibt, wenn alle potenziellen Newcomer ernst und aus Palo Alto das Detroit des 21. Jahrhunderts machen, steht dahin.

So forderten Apple-Anteilseigner bei der jüngsten Aktionärsversammlung den Vorstandsvorsitzenden Tim Cook auf, so viele Teile von Tesla wie möglich zu übernehmen oder gar eine feindliche Übernahme zu überlegen. Mit 155 Milliarden Dollar weltweiter Barreserven, über die Apple zur Zeit verfügt, würde dafür wahrscheinlich schon die Portokasse reichen. Andere Mitbewerber liebäugeln ebenfalls mit einem Engagement im Automobilbau, wovon einer der ernsthaftesten der britische Hans Dampf in allen Gassen, Richard Branson, sein dürfte.

Der Selfmade-Milliardär besitzt ein Medienimperium, eine Fluggesellschaft, Hotels, eine Telefongesellschaft und will demnächst Privatflüge ins Weltall organisieren. Damit steht er in direkter Konkurrenz zu Elon Musk, der mit seiner Weltraumfirma Space X bereits im Auftrag der NASA Satelliten in den Orbit brachte und die Raumstation ISS versorgte. Branson: "Wir arbeiten schon länger mit einem Team an Elektroautos. Vielleicht werden wir irgendwann einmal mit Tesla in Konkurrenz treten wie wir es jetzt schon mit Space X machen. Mal sehen." Bekannt ist seine Abneigung gegen Autoabgase: "Ich hoffe, dass die in zehn Jahren ebenso der Vergangenheit angehören wie Zigarettenqualm in den Restaurants."

Von einer ganz anderen Seite der Welt sind neuerdings ebenfalls Autopläne zu hören. So möchte auch der chinesische Internetgigant Alibaba vom Autogeschäft profitieren. Gemeinsam mit dem in Shanghai beheimateten Fahrzeughersteller SAIC will das Unternehmen 2016 ein "Internet-Auto" auf den Markt bringen.

Gedanklich mehrere Schritte weiter ist schon jetzt Tesla-Boss und Visionär Elon Musk. Zum Thema "Autonomes Auto" philosophierte er kürzlich auf einer Konferenz des Chip-Herstellers Nvidia Corporation in Santa Clara, einer Nachbarstadt von Palo Alto: "Der Tag wird kommen, an dem das eigenhändige Bedienen eines Autos verboten wird. Kein Mensch kann eine zwei Tonnen schwere Maschine stets sicher beherrschen. Das kann nur ein Automat." (ampnet/hrr)

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BMW i3.

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Apple-Zentrale in Palo Alto.

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Ein zum "Google Driverless Car" modifizierter Toyota Prius als Testfahrzeug.

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Google-Prototype.

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So könnte das Apple-Auto aussehen.

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Tesla-Chef Elon Musk.

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Tesla-Motors-Hauptverwaltung in Palo Alto.

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In dieser Garage startete Hewlett Packard.

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Apple-Chef Tim Cook.

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Virgin-Chef Richard Branson.

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