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Bei den Elektrofahrzeugen sitzt die EU in einer Zwickmühle fest

Der Europäische Rechnungshof hat in einer umfangreichen Stellungnahme seine Zweifel an einer problemlosen Umsetzung des Verbrennerverbots geäußert. Die Senkung der Pkw-Emissionen sei „leichter gesagt als getan“. Die EU müsse bei der Umsetzung des lobenswerten Ziels eines emissionsfreien Autobestands sicherstellen, „dass sie ihren Ehrgeiz beim Klimaschutz nicht mit einer Schwächung ihrer industriellen Souveränität bezahlt“. Auch solle das Erreichen der Klimaziele die Bürgerinnen und Bürger finanziell nicht überfordern, mahnt die übergeordnete Aufsichtsbehörde in Luxemburg.

Der emissionsfreie Verkehr ist ein zentrales Element der europäischen Klimastrategie, mit der die Netto-Emissionen bis 2050 auf Null gesenkt werden sollen. Um dies zu erreichen, muss der CO2-Ausstoß von Pkw mit Verbrennungsmotoren verringert werden. Ferner müssen Optionen für alternative Kraftstoffe ausgelotet werden. Und schließlich müssen batteriebetriebene Elektrofahrzeuge die breite Masse erreichen.

Senkung der Pkw-Emissionen

Zwar hat die EU Fortschritte bei der Verringerung der Treibhausgas-Emissionen erzielt – aber nicht im Verkehrssektor, auf den etwa ein Viertel der gesamten CO2-Emissionen in Europa entfällt, die Hälfte davon auf Pkw. „Der Grüne Deal kann nur erfolgreich sein, wenn die Pkw-Emissionen reduziert werden. Wir müssen jedoch mit Bedauern feststellen, dass die meisten herkömmlichen Autos trotz ehrgeiziger Ziele und strenger Anforderungen immer noch so viel CO2 ausstoßen wie vor zwölf Jahren“, sagt Nikolaos Milionis, Mitglied des Europäischen Rechnungshofs. Zwar seien – so Milionis – die Motoren effizienter geworden, doch wurde dies zunichte gemacht durch durchschnittlich rund zehn Prozent schwerere Autos und rund 25 Prozent leistungsstärkere Motoren, die erforderlich sind, um dieses Gewicht zu bewegen.

Ungewisse Zukunft für alternative Kraftstoffe

Alternative Kraftstoffe wie Biokraftstoffe, e-Fuels oder Wasserstoff werden häufig als potenzielle Nachfolger von Benzin und Diesel genannt. In ihrem Bericht über Biokraftstoffe betonen die EU-Prüfer jedoch, dass ein klarer und stabiler Fahrplan zur Bewältigung der langfristigen Probleme der Branche – verfügbare Brennstoffmenge, Kosten und Umweltfreundlichkeit – fehle.

„Da sie nicht flächendeckend verfügbar sind, stellen Biokraftstoffe keine zuverlässige und glaubwürdige Alternative für Autos dar“, beschreibt Milionis den aktuellen Stand der Luxemburger Studien. Danach reicht die Menge der im Inland erzeugte Biomasse nicht aus, um eine ernsthafte Alternative zu herkömmlichen fossilen Brennstoffen sein zu können. Wird die Biomasse aber überwiegend aus Drittländern importiert, laufe dies dem Ziel der strategischen Autonomie im Energiebereich zuwider, mahnt Milionis.

Der Rechnungshof nimmt also eine alte Diskussion wieder auf, wenn er sagt, dass durch die Erzeugung von Biokraftstoffen Ökosysteme aus dem Gleichgewicht geraten könne und sich die Produktion nachteilig auf die biologische Vielfalt sowie die Boden- und die Wasserqualität auswirken kann. Die Prüfer sehen hier nicht die Politik in der Pflicht, klare Regeln aufzustellen, sondern stellen die ethische Frage, ob die Erzeugung von Kraftstoffen Vorrang vor der Erzeugung von Lebensmitteln haben sollte.

Das alles gilt zwar nicht für die HVO-Kraftstoffe aus Resten und Abfallen. Dennoch kommen die EU-Prüfer zu dem Schluss, dass alle Biokraftstoffe noch nicht wettbewerbsfähig sind. Biokraftstoffe seien teurer als kohlenstoffbasierte Kraftstoffe. Deswegen sprechen die Rechnungsprüfer den klimapolitisch widersinnigen Rat aus, es sei derzeit „billiger, Emissionszertifikate zu erwerben, als die CO2-Emissionen mithilfe von Biokraftstoffen zu verringern“.

In der letzten Konsequenz sprechen die EU-Rechnungsprüfer damit allen alternativen Kraftstoffen die Möglichkeit ab, die CO2-Emissionen von Verbrennungsmotoren faktisch zu verringern. Doch auch bei der Alternative Elektromobilität sehen die Prüfer sowohl auf der Nachfrage- als auch auf der Angebotsseite Probleme, die es unwahrscheinlich erscheinen lassen, dass die EU ihren Green Deal und ihre industrielle Souveränität „unter einen Hut“ bekommt.

Elektrofahrzeuge als „Zwickmühle“

Die Prüfer sehen die europäische Batterieindustrie im globalen Wettbewerb zurückgeblieben. Dies könnte einen vollständigen Aufbau der Kapazitäten in der EU im Keim ersticken, meinen sie. Weniger als zehn Prozentt der weltweiten Batterieherstellung erfolgt in Europa; weltweit produziert China mit 76 Prozent den Löwenanteil. Annemie Turtelboom, Mitglied des Europäischen Rechnungshofs sieht gleich ein vierfaches Dilemma für die EU – zwischen ökologischen Prioritäten und Industriepolitik sowie zwischen Umweltzielen und den Kosten für die Verbraucher."

Ein besonderes Hindernis für die Batterieindustrie der EU stellt ihre starke Abhängigkeit von Rohstoffeinfuhren aus Drittländern dar, mit denen sie keine geeigneten Handelsabkommen geschlossen hat. So stammen 87 Prozent der Rohlithium-Importe in die EU aus Australien, 80 Prozent der Mangan-Importe aus Südafrika und Gabun, 68 Prozent des Rohkobalts aus der Demokratischen Republik Kongo und 40 Prozent des Graphits aus China.

Die Abhängigkeit der Einfuhren von stark nachgefragten Rohstoffen führe nicht nur zu Kostenzwängen. Darüber hinaus seien viele der Ursprungsländer innenpolitisch instabil oder stellten für die strategische Autonomie Europas sogar geopolitische Risiken dar – ganz zu schweigen von den sozialen und ökologischen Bedingungen, unter denen diese Rohstoffe abgebaut werden, stellt der Bericht fest.

Die Prüfer betonten ferner, dass die Kosten für in der EU hergestellte Batterien trotz umfangreicher öffentlicher Unterstützung nach wie vor viel höher sind als geplant. Ein erheblicher Teil der Kosten für ein Elektroauto entfällt auf die Batterien: in Europa durchschnittlich bis zu 15.000 Euro. Wenn bei den Kapazitäten und der Wettbewerbsfähigkeit der EU keine klare Verbesserung erzielt wird, besteht die Gefahr, dass die „Elektroauto-Revolution" in Europa auf Importe angewiesen ist und sich so nachteilig auf die europäische Automobilindustrie mit ihren mehr als drei Millionen Arbeitsplätzen im verarbeitenden Gewerbe auswirken wird, warnen die EU-Prüfer.

Die Ladepunkte-Misere

In der Praxis stellt sich der Zugang zur Elektromobilität für viele Europäer als schwierig dar. Erstens fehlen Ladepunkte in der gesamten EU. Zweitens ist die Verfügbarkeit öffentlicher Ladestationen von Land zu Land sehr unterschiedlich. Diese sind im Osten Europas besonders selten: 70 Prozent der Ladepunkte befinden sich in Frankreich, Deutschland und den Niederlanden. Reisen mit Elektroautos durch Europa sind daher nicht einfach, auch weil Echtzeit-Informationen und ein harmonisiertes Zahlungssystem fehlen.

„Die EU hat nicht viele Trümpfe auf der Hand, wenn es um die Elektrifizierung ihrer Fahrzeugflotte geht: Der Zugang zu Rohstoffen, die von der Industrie und den Bürgern zu tragenden Kosten sowie fehlende Infrastruktur könnten dazu führen, dass sie ihren Einsatz verspielt“, warnt Annemie Turtelboom. Batteriebetriebene Elektrofahrzeuge seien entscheidend beim ehrgeizigen Streben Europas nach einer emissionsfreien Fahrzeugflotte. Turtelboom sieht die EU daher vor dem Zwang, den Green Deal nicht nur mit ihrer industriellen Souveränität in Einklang zu bringen, sondern auch die finanzielle Belastung für die Verbraucher berücksichtigen zu müssen. Es gelte sicherzustellen, dass die europäische Industrie Elektroautos in großem Maßstab zu wettbewerbsfähigen Preisen herstellen kann, während gleichzeitig die Versorgung mit Rohstoffen gesichert ist und die Ladeinfrastruktur auf dem gesamten Kontinent verbessert wird. (aum)

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Ionity-Ladesäulen.

Ionity-Ladesäulen.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Tank & Rast

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Kia EV9 an einer Schnellladesäule.

Kia EV9 an einer Schnellladesäule.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Kia

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Lithium-Gewinnung in Chile.

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Foto: Auto-Medienportal.Net/BMW

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